20.08.2020

Betriebsrats-Check: Kurzarbeit und Subventionsbetrug

Kurzarbeit ist ein sehr wirkungsvolles Instrument, um Zeiten mangelnder Auftragsauslastung ohne Kündigungen zu überstehen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Kurzarbeit birgt auch das Risiko des Subventionsbetrugs – absichtlich oder unabsichtlich.

Betriebsrat Kurzarbeit

Mitbestimmung. Diese Situation gibt es in deutschen Betrieben gar nicht mal so selten – obwohl nicht gern offen darüber geredet wird: Ein Beschäftigter arbeitet in einem Betrieb, in dem ein Teil der Arbeitnehmer in Kurzarbeit ist. Auch er ist davon betroffen und erhält vom Arbeitgeber Kurzarbeitergeld. Doch trotzdem fällt für den Mitarbeiter so viel Arbeit an, dass er jeden Tag regulär arbeitet und sogar hin und wieder Überstunden machen muss. So kommen in einigen Wochen bis zu 60 Stunden Arbeitszeit zusammen. Der Arbeitgeber hält an der Kurzarbeit fest. Ist dieses Verhalten einfach nur unerträglich oder ist es vielleicht sogar strafrechtlich relevant? Und macht sich auch der Kollege strafbar, indem er dem Betrieb zu Subventionen verhilft, obwohl sein Arbeitspensum nicht weniger wird?

Betrugspotenzial bei der Kurzarbeit

Zugegeben, darauf muss man erst einmal kommen, aber dann hat die Idee für unaufrichtige Arbeitgeber durchaus ihren Reiz: Warum sich nicht das Gehalt komplett sparen, aber den Mitarbeiter voll einsetzen? Wer sollte das schon kontrollieren, wenn (Stand Anfang Mai) mehr als zehn Millionen deutsche Arbeitnehmer in Kurzarbeit sind? Dass der Arbeitnehmer dabei in ein unerträgliches Dilemma aus Loyalität gegenüber dem Betrieb und dem eigenem Gefühl für korrektes Benehmen getrieben wird, kümmert diese skrupellosen Arbeitgeber nicht – es scheint ja nicht ihr Problem –, doch das ist natürlich weit gefehlt.

Hauptstrafbarkeit liegt beim Arbeitgeber

Unzweifelhaft geht das Verhalten des Arbeitgebers gar nicht – es ist nicht nur unanständig und unsozial, sondern es ist auch strafbar. Denn der Arbeitgeber begeht Subventionsbetrug, weil er das Kurzarbeitergeld unter falscher Angabe des Arbeitsausfalls beantragt (mehr dazu weiter unten im Text).

Beihilfe des Arbeitnehmers

Doch auch wenn der Arbeitgeber die Hauptstraftat begeht, ist der Arbeitnehmer strafrechtlich nicht aus dem Schneider: Er kann sich in einem solchen Fall wegen Beihilfe strafbar machen. Und zwar schon dann, wenn er die regulären Arbeitszeiten bzw. Überstunden während der Kurzarbeit akzeptiert und diese Stunden entsprechend ableistet.

Wie können Kollegen und Betriebsrat reagieren?

Die Situation des Arbeitnehmers ist in einem solchen Fall schwierig. Natürlich sollte er sich zunächst an den Betriebsrat wenden. Will er dies nicht oder möchte es der Beschäftigte zusätzlich, ist es auch ratsam, selbst das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen (allerdings am besten nicht allein, sondern mit einem Mitglied des Betriebsrats). Hier sollte der Arbeitgeber darauf hingewiesen werden, dass eine Überschreitung der für die Kurzarbeit angemeldeten Arbeitszeit strafbar ist. Als Betriebsrat können Sie auch durch eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit den Rahmen setzen:

Expertentipp: Meldung bei der Bundesagentur

Verläuft das klärende Gespräch mit dem Arbeitgeber erfolglos, muss der Kollege weitere Schritte unternehmen: Um die eigene Strafbarkeit zu mindern oder zu verhindern, kann das Vorgehen des Arbeitgebers bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet werden. Dies ist auch anonym möglich. Übrigens: Erfolgt die Meldung nicht anonym, ist eine Kündigung des Arbeitnehmers grundsätzlich ausgeschlossen – er kann sich dann auf den Schutz für Whistleblower berufen.

Weitere Straftatbestände des Arbeitgebers denkbar

Ein klärendes Gespräch verläuft im besten Fall so, dass der Arbeitgeber sein Fehlverhalten erkennt und die entsprechenden Konsequenzen zieht, d. h. er weist den Beschäftigten an, künftig nur die angemeldete Stundenzahl abzuleisten, oder er nimmt den Mitarbeiter aus der Kurzarbeit (rückwirkend) heraus. Reagiert er allerdings uneinsichtig, kann er sich unter Umständen erneut strafbar machen. Das wäre etwa dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Kollegen unmissverständlich darauf hinweist, dass die eigene berufliche Zukunft bei einer Weigerung in Gefahr ist. Das lässt sich durchaus als Nötigung oder Erpressung werten. Die Einschüchterung durch den Arbeitgeber macht die Beihilfe des Beschäftigten zwar nicht ungeschehen. Ließe sich ein solches (weiteres) Fehlverhalten des Arbeitgebers allerdings nachweisen, würde das in jedem Fall die Strafe des Arbeitnehmers mildern.

Umfangreiche Kontrollen werden erwartet

Subventionsbetrug beim Kurzarbeitergeld ist übrigens keine neue Erscheinung: Findige (oder besser gesagt windige) Arbeitgeber waren damit schon bei der Finanzkrise 2008 „erfolgreich“: Obwohl es eigentlich gar keinen Arbeitsausfall gab, beantragten sie Kurzarbeit und kassierten beim Staat ab. Doch das Risiko, erwischt zu werden, ist hoch. Denn wenn sich die Lage etwas normalisiert, dürften viele Betriebe kontrolliert werden. Schon jetzt werden Sonderprüfungsgruppen bei den Arbeitsagenturen eingerichtet, die in Verdachtsfällen die Staatsanwaltschaft einschalten. Deshalb ist es keinesfalls ein nur theoretisches Risiko, dass auch viele Arbeitnehmer dann im Zentrum von Ermittlungen stehen und strafrechtlich belangt werden.

Arbeitgeber muss Antragsvoraussetzungen erfüllen

Arbeitgeber begeben sich beim Antrag auf Kurzarbeit durchaus auf dünnes Eis – und das vielleicht gar nicht einmal in jedem Fall aus bösem Willen. Denn die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist immer auch mit strafrechtlichen Risiken verbunden – darauf weisen die Arbeitsagenturen auch ausdrücklich und unmissverständlich hin. Diese erstatten Strafanzeige, ohne lange zu fackeln. Ein potenzieller Missbrauch seitens des Arbeitgebers liegt insbesondere dann vor, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld, § 95 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB) III, nicht erfüllt sind. Sind die Angaben bei der Antragstellung durch den Arbeitgeber unrichtig oder unvollständig, kann dies den Tatbestand des Betrugs nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllen.

Subventionsbetrug ist relativ schnell gegeben

Der Subventionsbetrug ist deutlich leichter erfüllt als der allgemeine Betrugsstraftatbestand des § 263 StGB. Denn hierfür muss der Arbeitgeber – anders als in den hier bisher dargestellten Fällen – nämlich gar nicht unbedingt mit böser Absicht handeln. Häufig reicht (grob) fahrlässiges Verhalten schon aus, um sich strafbar zu machen. Etwa dann, wenn der Arbeitgeber eine grobe und dabei vermeidbare Sorgfaltspflichtverletzung begeht, wenn er also einfach nicht genug aufpasst.

Genaue Prüfung ist oberste Pflicht des Arbeitgebers

Ein Subventionsbetrug kann daher auch dann schon drohen, wenn der Arbeitgeber ihm obliegende Prüfungs-, Erkundigungs-, Informations- oder Aufsichtspflichten verletzt, sei es aus Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit. Häufige Beispiele sind etwa:

  • Die Arbeitszeit ist auch und gerade während der Kurzarbeit genau zu protokollieren. Ermittelt der Arbeitgeber z. B. wegen unvollständiger oder fehlerhafter Zeiterfassungsbögen den angezeigten Arbeitsausfall und das korrespondierend dazu beantragte Kurzarbeitergeld fehlerhaft, macht er sich strafbar. Das gilt zumindest dann, wenn die Unrichtigkeit auf den ersten Blick zu erkennen war.
  • Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass ein Arbeitsausfall von mindestens zehn Prozent gegeben ist. Dieser Arbeitsausfall liegt daher nicht vor, wenn tatsächlich noch Aufgaben vorhanden sind, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts zuweisen kann und der Arbeitsausfall so verhindert wird (z. B. Aufräumen des Lagers bei „Kurzarbeit Null“).

Korrekte Zeiterfassung während der Kurzarbeit ist ein Muss

Arbeitgeber müssen daher während der Kurzarbeit ihre Mitarbeiter dazu anhalten, deren Arbeitszeiten richtig und vollständig zu erfassen und zu dokumentieren. Denn dies schützt auch den Arbeitnehmer im Zweifel vor der Gefahr, sich strafbar zu machen. Betriebsräte sollten auf die ordnungsgemäße Erfassung auch im Rahmen ihrer Überwachungspflicht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG achten.

Hinweis: Transfer-Kurzarbeitergeld

Kurzarbeitergeld darf nur dann beantragt werden, wenn es sich um einen vorübergehenden Arbeitsausfall handelt. Wenn innerhalb des Bezugszeitraums nicht mehr mit einer Rückkehr zur Vollarbeit zu rechnen ist, weil z. B. die Betriebsschließung schon zum Antragszeitpunkt feststeht oder zumindest sehr wahrscheinlich ist, ist Kurzarbeit nicht zulässig. Denkbar ist dann nur ein Antrag auf Transfer-Kurzarbeitergeld (§ 111 SGB III).

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)