Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat: ein schwieriges Verhältnis
In Ihrem Betriebsrat sind Sie sich einig – da kommt der Gesamtbetriebsrat und schießt quer. Er habe die Mehrheit der anderen Betriebsräte, sie müssten sich fügen. Nichts da! Müssen Sie nicht, jedenfalls nicht immer.
Gesamtbetriebsrat will nicht mitmachen
Sie als Betriebsrat kennen das: Ihr Betrieb gehört zu einem größeren Unternehmen oder Konzern. Nach langen Diskussionen mit Ihren Betriebsratskollegen endlich die Einigung. Aber dann das: der Gesamtbetriebsrat will nicht mitmachen. Manchmal fragen Sie sich: muss es den eigentlich überhaupt geben? Sie könnten doch die meisten Fragen auch ohne ihn beantworten. Doch leider ist es so leicht denn doch nicht. Wenn ein Betrieb größer wird, entsteht häufig ein Unternehmen mit mehreren Betrieben mit jeweils einem eigenen Betriebsrat. In diesem Fall muss Ihr Unternehmen einen Gesamtbetriebsrat bilden. Unterlassen Sie als einzelner Betriebsrat es, einen Gesamtbetriebsrat zu bilden, können Sie sich einer groben Pflichtverletzung schuldig machen.
So wird der Gesamtbetriebsrat gebildet
Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen im Rahmen der Betriebsverfassung erfolgt auf drei Ebenen:
- Betriebsrat vor Ort,
- Gesamtbetriebsrat auf Unternehmensebene,
- Konzernbetriebsrat auf Ebene des Konzerns.
Für einen Konzern nach Aktiengesetz kann durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Hierfür ist erforderlich, dass die Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer des Konzernunternehmens beschäftigt sind, der Errichtung zustimmen.
Ein Unternehmen muss einen Gesamtbetriebsrat bilden, wenn es aus mehreren Betrieben besteht und dadurch die Zusammenarbeit koordiniert werden muss (§ 47 Abs. 1 BetrVG). Zuständig dafür ist der Betriebsrat in der Hauptverwaltung oder mangels eines solchen jener aus dem Betrieb mit den meisten wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 51 Abs. 2 BetrVG). Die Betriebsräte der einzelnen Betriebe entsenden Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat, und zwar Betriebsräte mit:
- nur drei oder weniger Mitgliedern eins,
- mehr als drei Mitgliedern zwei.
Die Mitgliederzahl kann in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen abweichend geregelt werden. Die Gesamtbetriebsratsmitglieder werden also nicht regelmäßig neu gewählt, sondern bestimmt. Wer entsandt wird, entscheidet die einfache Mehrheit, wenn möglich unter angemessener Berücksichtigung der Geschlechter. Nach jeder Neuwahl muss der Betriebsrat erneut bestimmen, wen er entsenden will.
Der Gesamtbetriebsrat fasst seine Beschlüsse wie Sie als Betriebsrat ebenfalls nach Zahl der vertretenen wahlberechtigten Arbeitnehmer, die der entsendende Betriebsrat vertritt. Entsendet ein Betriebsrat zwei Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat, wird jedes mit der Hälfte der vertretenen Arbeitnehmer gewichtet.
Und wer bitte ist zuständig, wer kompetent: Sie als Betriebsrat Ihres Betriebes oder der Gesamtbetriebsrat? Eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Wie würden Sie beispielsweise in folgendem Fall entscheiden: Ein Krankenhausverbund will die Frage der Videoüberwachung von Arbeitnehmern mit dem Gesamtbetriebsrat klären, da einzelne Arbeitnehmer immer wieder in andere Betriebe des Verbundes entsandt wurden. Darf er das? Nein, sagte das Bundesarbeitsgericht. Zuständig sei allein der Betriebsrat des Betriebes, in dem die Arbeitnehmer angestellt seien. Der Arbeitgeber muss sich also mit allen Betriebsräten einigen.
So sparen Sie sich Streit mit dem Gesamtbetriebsrat
So viel ist sicher: In manchen Dingen können Sie sich als Betriebsrat einen Streit mit dem Gesamtbetriebsrat von vornherein sparen, da ist er zuständig, ob Sie wollen oder nicht, wie zum Beispiel bei:
- Einführung eines unternehmensweit einheitlichen IT-Netzes,
- Betriebsänderungen,
- Grundsätzen der Entlohnung.
- 50 Abs. 1 BetrVG regelt im Übrigen, wann der Gesamtbetriebsrat zuständig ist. Das Gesetz geht bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten von einer Primärzuständigkeit des örtlichen Betriebsrats aus. Nicht dazu gehören Angelegenheiten des Gesamtunternehmens oder auch mehrerer Betriebe, die ein Betriebsrat allein nicht regeln kann. Nicht zuständig ist der Gesamtbetriebsrat aber, wenn eine einheitliche Regelung nicht wirklich erforderlich ist.
Sie als Betriebsrat müssen nicht immer den Kürzeren ziehen
Es gibt zudem Fälle, bei denen Sie als Einzelbetriebsrat nicht automatisch den Kürzeren gegenüber dem Gesamtbetriebsrat ziehen müssen. Letztlich muss sich die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung aus dem Sachverhalt ergeben. Allein der Wunsch des Arbeitgebers oder Zweckmäßigkeit genügt nicht, in Mitbestimmungssachen den Gesamtbetriebsrat und nicht Sie als Betriebsrat für zuständig zu erklären. Auch ist der Gesamtbetriebsrat nicht schon deswegen zuständig, will eine Regelung auf betrieblicher Ebene unmöglich ist. Vielmehr kommt es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes darauf an, dass für die unternehmensweite Angelegenheit eine einheitliche Regelung durch den Gesamtbetriebsrat zwingend erforderlich ist. Es muss eine sachliche Notwendigkeit für eine einheitliche Regelung der Angelegenheit innerhalb des Unternehmens bestehen.
Gewichtung der Stimmen im Gesamtbetriebsrat
Wie sieht es aber mit der Gewichtung der Stimmen der von Ihrem Betriebsrat in den Gesamtbetriebsrat entsandten Mitglieder aus? Das von Ihrem Betrieb in den Gesamtbetriebsrat entsandte Mitglied hat so viele Stimmen wie wahlberechtigte Arbeitnehmer in der Wählerliste zur letzten Betriebsratswahl eingetragen waren. So bekommen die Vertreter der meisten Arbeitnehmer auch ein entsprechend starkes Gewicht bei der Abstimmung im Gesamtbetriebsrat. Umgekehrt heißt das auch, dass Kollegen, die aus einem Betrieb mit weniger Beschäftigten kommen, nicht so viele Stimmen haben wie Sie als Betriebsrat eines beschäftigungsstarken Betriebes. Das entspricht nur demokratischen Prinzipien. Entsenden Sie als Betriebsrat mehrere Mitglieder, stehen ihnen diese Stimmen anteilig zu (§ 47 Abs. 7 Satz 2 BetrVG).
Interessenvertreter für mehrere Betriebe
Haben Sie zusammen mit mehreren anderen Betrieben einen Interessenvertreter in den Gesamtbetriebsrat entsandt, hat er so viele Stimmen, wie in den entsendenden Betrieben wahlberechtigte Arbeitnehmer in den Wählerlisten eingetragen sind. Haben Sie so mehrere Mitglieder entsandt, stehen ihnen diese Stimmen wiederum anteilig zu (vgl. § 47 Abs. 8 BetrVG).
Hierarchie unter Betriebsräten?
Angenommen, der Gesamtbetriebsrat will seine angeblich höhere Stellung gegenüber Ihnen als Betriebsrat nur eines Betriebes geltend machen. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen! Eine solche hierarchische Ordnung zwischen Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat gibt es nicht. Das ist eines der häufigsten Missverständnisse zwischen Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten. Sie als Betriebsrat sind genauso ein eigenständiges Gremium mit eigenen Aufgaben auf Ebene Ihres Betriebes wie der Gesamtbetriebsrat auf Ebene Ihres Unternehmens. Sie als Betriebsrat müssen also vom Gesamtbetriebsrat keine Weisungen entgegennehmen. Da gibt es auch keine Überschneidungen. Entweder der Gesamtbetriebsrat ist zuständig, dann entfällt Ihre Zuständigkeit als Betriebsrat – oder Sie als Betriebsrat Ihres Betriebes sind zuständig, dann hat der Gesamtbetriebsrat Ihnen nicht dreinzureden. Punkt. Ende der Durchsage.
Faustregel für soziale Angelegenheiten
Zuständig als Einzelbetriebsrat sind Sie so gut wie immer bei Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten wie zum Beispiel Arbeitszeit. Hierbei handelt es sich um betriebsbezogene Maßnahmen, für die es keine sachliche Notwendigkeit einer gemeinsamen Regelung durch einen Gesamtbetriebsrat gibt.
Gesamtbetriebsrat beauftragen
In manchen Dingen können Sie als Betriebsrat Ihren Gesamtbetriebsrat für bestimmte Aufgaben beauftragen, für die er eigentlich nicht zuständig ist. Das geht auch. Dazu benötigen Sie nur eine einfache Mehrheit Ihres Gremiums. Sie können den Gesamtbetriebsrat dann nur für die Verhandlungen oder für die komplette Erledigung inklusive der Entscheidung beauftragen. Die Übertragung der Angelegenheit bedarf der Schriftform.
Darf der Konzernbetriebsrat auch mal was sagen?
Der Konzernbetriebsrat ist nur unter zwei Voraussetzungen zuständig, die beide gleichzeitig vorliegen müssen:
- Die betreffende Angelegenheit muss alle oder mehrere Konzernunternehmen betreffen.
- Die Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen können die Angelegenheit nicht allein regeln. Auch hier muss eine zwingende sachliche oder rechtliche Notwendigkeit für eine konzerneinheitliche bzw. unternehmensübergreifende Regelung bestehen.
Beispiele für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats
- Einführung einer unternehmenseinheitlichen Telefonanlage
- Aufstellung unternehmensweiter Zuteilungs- und Nutzungsbedingungen von Werkmietwohnungen
- unternehmensweite betriebliche Alternsversorgung
- Provisionsgewährung an Außendienstangestellte eines Versicherungsunternehmens
- Abschluss freiwilliger Betriebsvereinbarungen über Gratifikationen für das gesamte Unternehmen
- Festsetzung des 65. Lebensjahrs als Altersgrenze für alle Arbeitnehmer des Unternehmens
- unternehmensweite Betriebsänderungen (z. B. Stilllegung aller Betriebe eines Unternehmens, Zusammenlegung mehrerer Betriebe)
Nicht in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fallen beispielsweise folgende Angelegenheiten:
- Torkontrollen
- Betriebsbußen
- Beginn und Ende der Arbeitszeit
- Auszahlung des Arbeitsentgelts
- Aufstellung des Urlaubsplans
- grundsätzlich alle personellen Einzelmaßnahmen