Betriebsrat muss Punkteschema für Sozialauswahl zustimmen
Stehen die Zeichen im Betrieb auf Personalabbau, hat der Betriebsrat dafür zu sorgen, dass die vom Arbeitgeber vorzunehmende Sozialauswahl korrekt abläuft. Um das zu gewährleisten, bedienen sich Arbeitgeber gerne der Hilfe sogenannter Punkteschemata – vorausgesetzt, der Betriebsrat hat zugestimmt. BAG, Beschluss vom 26.07.2005, Az.: 1 ABR 29/04
Worum geht es?
Mitbestimmung. Die Arbeitgeberin betreibt ein Möbelhaus und beschäftigt rund 200 Arbeitnehmer. Sie informierte den Betriebsrat über einen geplanten Personalabbau und legte dabei eine Mitarbeiterliste und ein Punkteschema für die Sozialauswahl bei den vorgesehenen Kündigungen vor. In der Folgezeit sprach sie unter Anwendung dieses Schemas betriebsbedingte Kündigungen aus. Der Betriebsrat war mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden, weil er davon ausging, dass er ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung des Punkteschemas habe. Schließlich handele es sich dabei um eine Auswahlrichtlinie. Er zog deshalb vor Gericht und beantragte, der Arbeitgeberin zu untersagen, das Punktesystem anzuwenden.
Das sagt das Gericht
Die Erfurter Bundesrichter entschieden den Rechtsstreit zugunsten des Betriebsrats. Sie sprachen dem Gremium ein Mitbestimmungsrecht zu und gaben dem Unterlassungsantrag statt. Ein Punkteschema ist aufgrund des Wortlauts des § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG immer eine Auswahlrichtlinie, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Der Betriebsrat bestimmt deshalb bei der Ausgestaltung eines solchen Punkteschemas zwingend mit. Unterbleibt die Beteiligung des Betriebsrats, kann dieser gerichtlich verlangen, dass das Punkteschema nicht angewendet wird. Dabei kann er sich auf den allgemeinen Unterlassungsanspruch stützen. Schließlich hat ihn der Arbeitgeber in einem Mitbestimmungsrecht verletzt. BAG, Beschluss vom 26.07.2005, Az.: 1 ABR 29/04
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Will der Arbeitgeber die Sozialauswahl anhand eines Punkteschemas durchführen, benötigt er hierfür die Zustimmung des Betriebsrats. Stellt er das Punkteschema im Alleingang auf, kann ihn der Betriebsrat gerichtlich verpflichten, die geplanten Kündigungen zu unterlassen. Dabei gilt es zu beachten, dass ein Punkteschema nicht nur dann eine mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie darstellt, wenn es generell für alle künftig auszusprechenden Kündigungen gelten soll, sondern auch dann, wenn es nur bei einer konkreten Sozialauswahl maßgeblich sein soll.
Hinweis
Sollte Ihr Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Beschäftigten soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt haben, können Sie gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG der ordentlichen Kündigung widersprechen. Im Zuge des Anhörungsverfahrens ist Ihr Arbeitgeber auch ohne ausdrückliches Verlangen des Betriebsrats verpflichtet, dem Gremium die Gründe mitzuteilen, die ihn zur Auswahl gerade dieses Arbeitnehmers veranlasst haben.
Nutzen Sie Ihren Beurteilungsspielraum
Geht es darum, Auswahlrichtlinien zu gestalten, haben die Betriebsparteien einen Beurteilungsspielraum. Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz erwähnten „Pflichtkriterien“
- Betriebszugehörigkeit,
- Lebensalter,
- Unterhaltspflichten und
- Schwerbehinderung
müssen aber in jedem Fall angemessen berücksichtigt werden. Darüber hinaus können Sie aber weitere soziale Gesichtspunkte mit einbeziehen, z. B.
- Familieneinkommen,
- materielle Sicherung aufgrund von Ruhegeldanwartschaften,
- Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,
- Berufskrankheiten oder
- Gesundheitsstörungen auf Grund von Arbeitsunfällen.