18.06.2019

Betriebsbußen: Der Betriebsrat sorgt für Gerechtigkeit

Manche Arbeitgeber wollen bei Verstößen gegen die Betriebsordnung nicht gleich Ermahnungen oder gar Abmahnungen aussprechen. Als mildere Sanktionsmöglichkeit empfiehlt sich eine Betriebsvereinbarung, in der Betriebsbußen geregelt sind.

Betriebsbußen

Mitbestimmung. Die meisten Arbeitgeber wollen bei Verfehlungen von Arbeitnehmern nicht gleich mit den berühmten Kanonen auf Spatzen schießen. Schadensersatzansprüche, Abmahnungen oder gar Kündigungen sind bei Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten, die oft gleichzeitig Verstöße gegen die Betriebsordnung darstellen, zu hoch gegriffen. Mit einer Betriebsbußen-Ordnung schaffen Arbeitgeber ein niedrigschwelliges und praktikables Instrument, um Arbeitnehmern einen Verweis zu erteilen. Das hat auch Vorteile für den Betriebsrat: Er kann sowohl bei der Erstellung der Bußordnung als auch bei der Verhängung von Bußen gegen einzelne Arbeitnehmer mitbestimmen.

Unterschied zwischen Abmahnung und Betriebsbuße

Oft sprechen Arbeitgeber, ohne es zu wissen, gleichzeitig eine Abmahnung und eine Betriebsbuße aus. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nicht nur gegen arbeitsvertragliche Pflichten, sondern ausdrücklich auch gegen die Betriebsordnung verstoßen haben soll. In diesem Fall kann der Betriebsrat, anders als bei einer reinen Abmahnung, mitbestimmen. Das bedeutet für den Arbeitgeber:

  • Handelt es sich um eine Betriebsbuße, muss eine Betriebsbußen-Ordnung vorhanden sein.
  • Auch wenn eine Betriebsbußen-Ordnung vorhanden ist, muss der Arbeitgeber das Verfahren eingehalten und den Betriebsrat einbezogen haben.

Ist mindestens eines von beiden nicht der Fall, ist sowohl die Betriebsbuße als auch die Abmahnung unwirksam. Wenn Arbeitnehmer schriftliche Verwarnungen des Arbeitgebers zum Betriebsrat bringen, suchen Sie als erstes nach Indizien dafür, dass es sich in Wirklichkeit um eine Betriebsbuße handelt. Rügt der Arbeitgeber „nur“ ein vertragswidriges Verhalten (z.B. ständige Verspätungen), bleibt der Betriebsrat außen vor. Geht der Wortlaut darüber hinaus und bezieht sich auf Verstöße gegen die betriebliche Ordnung, muss eine Betriebsbußen-Ordnung vereinbart worden sein und der Betriebsrat zugestimmt haben.

Betriebsbußen müssen mit dem Betriebsrat geregelt werden

Der Arbeitgeber kann nicht einfach nach Gutdünken Bußen wie etwa Gehaltskürzungen verhängen. Dafür ist eine Betriebsbußen-Ordnung notwendig, die nur auf der Basis einer Betriebsvereinbarung oder einer entsprechenden Regelung in einem Tarifvertrag erlassen werden kann (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Selbst wenn der Betriebsrat im Einzelfall zustimmen würde, kann eine Betriebsbuße nicht ohne Ordnung verhängt werden. Will der Arbeitgeber Bußen für Verstöße verhängen, muss er also in der Regel (falls es keine tarifvertragliche Regelung gibt) eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat anstreben. Bezieht sich die Bußenordnung auf einen Tarifvertrag, gilt sie auch für Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der zuständigen Gewerkschaft sind.

Löschfristen vereinbaren

Keine Strafe sollte ewig nachwirken. Vereinbaren Sie deshalb Fristen, innerhalb derer Vermerke wieder aus der Personalakte der Arbeitnehmer entfernt werden. Diese sollten dem betroffenen Arbeitnehmer mitgeteilt werden, damit er selbst prüfen kann, ob der Vermerk tatsächlich gelöscht wurde.

Verschiedene Arten von Betriebsbußen

Grundsätzlich können Betriebsbußen in Form einer Verwarnung, eines Verweises, einer Geldbuße oder durch den Entzug von Vergünstigungen verhängt werden (BAG, 22.10.1985 – 1 ABR 38/83). Versetzungen oder Kündigungen sind mit diesem Mittel nicht möglich. Versuchen Sie in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber, jede Form der Betriebsbuße möglichst genau zu definieren.

  • Vereinbaren Sie die Verwarnung als niedrigste Stufe. Sie wird in aller Regel mündlich ausgesprochen. Über Anlass und Zeitpunkt der Verwarnung gibt es jedoch einen internen schriftlichen Vermerk.
  • Für den Fall, dass bereits eine Verwarnung erfolgt ist oder bei schwereren Vergehen kommt ein Verweis in Betracht. Dieser wird dem Arbeitnehmer in Schriftform ausgehändigt und muss quittiert werden. Die Förmlichkeit des Verfahrens soll dem Arbeitnehmer die Schwere des Verstoßes klarmachen. Entsprechend detailliert soll der Verweis begründet sein.
  • Die Geldbuße ist die schwerwiegendste Form. Regeln Sie in der Betriebsvereinbarung, dass sie hinsichtlich ihrer Art und Höhe angemessen sein muss (bei geringen Verstößen eher symbolische Summen, bei größeren Verstößen zwischen einem halben und einem ganzen Tagesverdienst des Arbeitnehmers). Die genaue Höhe muss im Einzelfall entschieden werden. Legen Sie fest, an welche Wohlfahrtseinrichtung (z.B. Caritas, Kindergarten etc.) das Geld gehen soll. Geldbußen zu Gunsten des Arbeitgebers sind unzulässig.

Auch die Tatbestände, die die Verhängung von Bußen rechtfertigen sowie deren Art und Höhe müssen in der Bußordnung festgelegt sein. Es muss also konkret gesagt werden, welche Taten mit welcher Buße belegt werden sollen – zum Beispiel Verstöße gegen Rauch- und Alkoholverbote.

Pfändungsregelungen beachten

Eine Geldbuße kann mit dem Lohnanspruch des Arbeitnehmers verrechnet werden. In diesem Fall muss der Arbeitgeber die Pfändungsvorschriften beachten.

Arbeitnehmer können sich gegen Betriebsbuße wehren

Im Fall einer Geldbuße kann der Arbeitnehmer auf Auszahlung des einbehaltenen Entgelts klagen. Dies ist auch vor einer Einbehaltung in Form einer negativen Feststellungsklage möglich. In dieser wird festgestellt, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, den Lohnabzug zu dulden. Auch bei Verwarnungen und Verweisen kann sich der Arbeitnehmer wehren, z.B. ebenfalls durch eine Feststellungsklage. In diesem Fall nehmen die Richter nicht nur die einzelne Entscheidung und ihre Verhältnismäßigkeit, sondern die gesamte Bußen-Ordnung unter die Lupe. Kommen die Richter zu der Überzeugung, dass die verhängte Strafe unter Berücksichtigung des Sachverhalts zu hart war, können sie diese nach § 343 BGB herabsetzen. So kann z.B. aus einem schriftlichen Verweis eine mündliche Verwarnung werden.

Voraussetzungen für Betriebsbußen

Prüfen Sie, ob die Voraussetzungen für die Verhängung einer Betriebsbuße gegeben sind. Die Grundlage dafür gibt Ihnen das Mitbestimmungsrecht, weil es sich um die Durchsetzung der kollektiven betrieblichen Ordnung handelt (BAG, 05.12.1975 – 1 AZR 94/74). Nehmen Sie in den Einzelfällen folgende Sachverhalte unter die Lupe:

  • Die Betriebsbußen-Ordnung muss im Betrieb bekannt gemacht worden sein.
  • Der Arbeitnehmer wird eines darin genannten Tatbestandes beschuldigt.
  • Die angedrohte Betriebsbuße ist zulässig (z.B. keine Kündigung oder Versetzung).
  • Das Verfahren zur Verhängung entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
  • Der betroffene Arbeitnehmer wurde vor der Festsetzung der Buße angehört.
  • Er hatte die Möglichkeit, sich vertreten zu lassen.
  • Der Betriebsrat hat über die konkrete Festsetzung der Betriebsbuße mitbestimmt.

Keine Pflicht zur Gleichbehandlung

Beachten Sie, dass der Arbeitgeber nicht jeden Verstoß eines Arbeitnehmers gegen die betriebliche Ordnung im Rahmen der Bußordnung aufgreifen muss. Deshalb steht der Gleichbehandlungsgrundsatz der Verhängung einer Buße nicht entgegen, wenn in früheren Fällen aus sachlichen Gründen davon abgesehen wurde.

Autor*in: Martin Buttenmüller (ist Journalist und Chefredakteur des Fachmagazins Betriebsrat INTERN.)