Beschluss des Betriebsrats per Videokonferenz?
Stellen Sie sich vor, innerhalb einer Woche müssten Sie über eine geplante Versetzung entscheiden. Ihre Gremiumskollegen sind aber auf drei Standorte verteilt, die viele Kilometer entfernt voneinander liegen. Nur der Vorsitzende ist freigestellt. Dann ist es eine echte Herausforderung, alle für die Sitzung und den Beschluss rechtzeitig an einen Tisch zu kriegen.
Geschäftsführung Betriebsrat. In solchen Fällen träumen nicht wenige Betriebsratsmitglieder davon, ihre Sitzungen auch als Telefon- oder Videokonferenz abhalten zu können. Doch das BetrVG regelt in § 29 recht streng, welche Voraussetzungen für Sitzungen und gültige Beschlüsse des Betriebsrats erfüllt sein müssen.
Aussagen des BetrVG sind unmissverständlich
Sämtliche Entscheidungen des Betriebsrats können nur durch Beschluss getroffen werden, wenn zuvor eine mündliche Beratung im Gremium stattgefunden hat. Ein Beschluss selbst kann ausschließlich auf einer Betriebsratssitzung gefasst werden, zu der ordnungsgemäß unter Nennung der Tagesordnung geladen wurde. § 33 Abs. 1 BetrVG verlangt für einen wirksamen Beschluss außerdem die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder. Folglich müssen die den Beschluss fassenden Mitglieder körperlich anwesend sein, also gemeinsam in einem Raum zusammentreffen.
Telefonkonferenzen sind immer unzulässig
Bei einer Telefonkonferenz des Betriebsrats können Arbeitnehmervertreter direkt miteinander kommunizieren. Der vom BetrVG geforderte persönliche Austausch findet somit statt. Aber man wird in der Regel nicht davon sprechen können, dass die Betriebsratsmitglieder körperlich anwesend sind. Und noch aus einem weiteren Grund sind Telefonkonferenzen keine geeignete Alternative, um verbindliche Entscheidungen zu treffen: Betriebsratssitzungen müssen nicht öffentlich stattfinden (§ 30 S. 4 BetrVG). Diesen Grundsatz der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen einzuhalten, kann bei einer Telefonkonferenz aber nicht gewährleistet werden. Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte unberechtigt an einer solchen Konferenz teilnehmen.
Körperliche Anwesenheit ist bei Videokonferenzen gegeben
Anders sieht es bei Videokonferenzen des Gremiums aus: Hier sind zwar auch dann nicht alle Mitglieder in einem Raum versammelt, aber dennoch lässt sich diese Variante mit dem Grundsatz der körperlichen Anwesenheit vereinbaren. Dies gilt mittlerweile als gesicherte Erkenntnis unter Experten. In einer Videokonferenz sehen und hören sich die Beteiligten; sie können sich sachgerecht und intensiv austauschen.
Größtes Problem: Die Sitzung darf nicht öffentlich sein
Teilweise wird von Arbeitsrechtlern vorgebracht, dass Videokonferenzen dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit widersprechen. Denn es könne ja nicht ausgeschlossen werden, dass unberechtigte Dritte in einem der Übertragungsräume den Gesprächsinhalt mithören oder verfolgen, ohne dass die Betriebsratsmitglieder dies bemerkten. Aber die rein theoretische Möglichkeit, dass jemand Unbefugtes Interna aus der Sitzung erfährt, reicht wohl nicht aus, um Videokonferenzen als zulässige Alternative zu herkömmlichen Sitzungen zu verhindern. Dies ist jedoch nicht endgültig entschieden. Es spricht aber vieles dafür, dass es an der Zeit ist, Videokonferenzen zuzulassen. Denn auch bei Sitzungen im Betriebsratsbüro kann es theoretisch sein, dass diese abgehört werden. Die absolute Sicherheit gibt es deshalb wohl nie.
Hinweis: auch Chatrooms sind unzulässig
Auch Beschlüsse, die in Chatrooms oder auf Internetplattformen getroffen werden, sind unzulässig. Hier sind die Mitglieder des Betriebsrats ebenfalls nicht körperlich anwesend.
Expertentipp
Beschlüsse sind übrigens auch dann wirksam, wenn sie unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit zustande gekommen sind. Insofern gehen Sie ein eher kleines Risiko ein, wenn Sie sich hin und wieder für Videokonferenzen entscheiden. Dabei sollten Sie allerdings einige Punkte beachten (s. Download). Endgültige Klarheit wird es erst geben, wenn sich das BAG mit der Frage beschäftigt oder der Gesetzgeber das BetrVG entsprechend ändert. Bis dahin müssen Sie entscheiden, ob Sie per Videokonferenz Beschlüsse fassen. Dabei sollten Sie allerdings versuchen, so oft wie möglich herkömmliche Betriebsratssitzungen durchzuführen.