Beschäftigungssicherung: so wappnet sich der Betriebsrat
Sie haben das gesetzlich verbriefte Recht, dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung zu machen (§ 92a Abs. 1 BetrVG). Das gibt Ihnen die Möglichkeit, das Thema Sicherung von Arbeitsplätzen jederzeit auf die Tagesordnung im Betrieb zu setzen. Der Arbeitgeber ist so immerhin gezwungen, sich mit Ihren Ideen und Konzepten auseinanderzusetzen – noch bevor es zum Personalabbau kommt.
Mitbestimmung. Der erste Schritt Ihres Vorschlagsrechts liegt in der Ausarbeitung konkreter Konzepte zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Unerlässlicher Ausgangspunkt ist dabei eine genaue Kenntnis der Lage im Betrieb. Weil die Beschäftigungssicherung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG eine gesetzliche Aufgabe des Gremiums ist, ist der Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat alle nötigen Informationen zu geben, und zwar rechtzeitig und umfassend.
Holen Sie sich als Betriebsrat Unterstützung bei der Beschäftigungssicherung
Der Betriebsrat muss die Vorschläge nicht alleine erarbeiten. Er kann sich dabei z. B. gemäß § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG an innerbetriebliche Auskunftspersonen wenden. Außerdem kommt die Unterstützung durch einen externen Sachverständigen in Betracht. Diese ist erforderlich und damit nach § 80 Abs. 3 BetrVG zulässig, wenn der Abbau von Arbeitsplätzen innerhalb von zwei bis drei Jahren nicht ausgeschlossen werden kann. Ist er bereits geplant, liegt häufig eine Betriebsänderung vor. Dann haben Betriebsräte in Firmen mit mehr als 300 Beschäftigten automatisch Anspruch auf Hinzuziehung eines Beraters. Um sachgerechte Vorschläge unterbreiten zu können, müssen Interessenvertreter auch häufig vorab Schulungen besuchen. Diese sind im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich, wenn wiederum in den nächsten zwei bis drei Jahren ein Personalabbau im Betrieb geplant ist.
Vereinbaren Sie einen Besprechungstermin zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung zur Beschäftigungssicherung
Die erarbeiteten Konzepte muss der Betriebsrat dann präsentationsfertig machen, obwohl das Gesetz hierfür keine bestimmte Form vorschreibt. Eine professionelle Arbeit sollte das Gremium aber auch professionell präsentieren. Umso eher nimmt der Arbeitgeber die Vorschläge ernst. Der Betriebsrat kann mit seinen Ideen jederzeit an die Geschäftsleitung herantreten. Am besten ist, der Arbeitgeber bekommt die Konzepte vorab, um sich einlesen zu können. Dann sollte ein gemeinsamer Besprechungstermin vereinbart werden.
Hinweis: Geschäftsleitung muss Vorschläge des Betriebsrats prüfen
Die Geschäftsleitung muss sich inhaltlich mit den Vorschlägen auseinandersetzen und ernsthaft darüber beraten. Tut sie dies nicht, verletzt sie das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Ziehen Sie einen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzu
Die Beratung nach § 92a Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn auch auf der Arbeitgeberseite sachkundige Verhandlungspartner stehen, die zu Entscheidungen befugt sind. Zu den Beratungen kann ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzugezogen werden (§ 92a Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Er soll zum einen seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen im Hinblick auf Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie deren Finanzierung einbringen. Zum anderen kann er zwischen den Betriebsparteien vermitteln und Kompromisslösungen erarbeiten.
Gestalten Sie die Rechtsnatur der Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber
Einigen Sie sich mit dem Arbeitgeber auf eine oder mehrere Maßnahmen, stellt sich die Frage nach der rechtlichen Gestaltung der Übereinkunft. Das Gesetz lässt Ihnen freie Hand. Denkbar sind u. a. diese Varianten:
- reine Absichtserklärung des Arbeitgebers ohne rechtliche Verpflichtung
- „Letter of Intent“ (Absichtserklärung, von der sich der Arbeitgeber nur unter bestimmten Voraussetzungen wieder lösen kann, etwa bei unerwarteter Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens)
- Betriebsabsprache (formlose Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) oder
- schriftliche Betriebsvereinbarung im Sinne von § 77 BetrVG
Bei Tarifgebundenheit sind strenge Voraussetzungen zu beachten
Klassisches Beispiel einer Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung ist dieser Fall: Längere Arbeitszeiten der Belegschaft ohne Lohnausgleich, dafür Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für zwei Jahre. Dies ist ein typisches „betriebliches Bündnis für Arbeit“, also eine Maßnahme zur Sicherung der Arbeitsplätze. Wird das betriebliche Bündnis für Arbeit in Form einer Betriebsvereinbarung abgeschlossen und ist der Betrieb tarifgebunden, ist der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG unbedingt zu beachten. Danach können Arbeitsentgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Inhalt einer Betriebsvereinbarung sein. Arbeitszeiten und Vergütung sind aber regelmäßig in Tarifverträgen geregelt. Ein betriebliches Bündnis für Arbeit kann im tarifgebundenen Unternehmen daher nur dann wirksam sein, wenn
- der/die geltende/n Tarifvertrag/äge eine Öffnungsklausel enthält/halten, die dem jeweiligen Betrieb abweichende Regelungen gestattet,
oder
- die Gewerkschaft eine Abweichung vom Tarifvertrag genehmigt.
Unter Umständen darf der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats ablehnen
Der Arbeitgeber kann Ihre Vorschläge zur Beschäftigungssicherung ablehnen, wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen nach seiner Auffassung
- zu teuer sind,
- im Hinblick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen nicht erfolgversprechend sind oder
- sich negativ auf den Geschäftserfolg auswirken können.
Der Arbeitgeber darf aber nur dann ablehnen, wenn er sich wirklich mit den Konzepten beschäftigt hat und alle Argumente ausgetauscht worden sind. Die Ablehnung muss er stets begründen. In Betrieben mit mehr als 100 Mitarbeitern hat dies schriftlich zu erfolgen.
Übersicht: Mögliche Inhalte der Vorschläge nach § 92a Abs. 1 BetrVG
- flexible Gestaltung der Arbeitszeit
- Förderung von Teilzeitarbeit und Altersteilzeit
- Qualifizierung der Arbeitnehmer
- neue Formen der Arbeitsorganisation
- Änderungen der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe
- Alternativen zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen
- Alternativen zum Produktions- und Investitionsprogramm
Im Gesetz nicht ausdrücklich genannt, aber trotzdem praxisrelevant ist der Lohnverzicht zum Zweck der Beschäftigungssicherung.
Sozialplan als Mittel zur Beschäftigungssicherung
Während § 92a BetrVG dem Betriebsrat die Möglichkeit gibt, unabhängig von Krisensituationen Vorschläge zum Erhalt der Arbeitsplätze zu machen, ist die Ausgangssituation beim Sozialplan anders. Denn Voraussetzung für den Sozialplan ist eine bevorstehende Betriebsänderung. Hier ist das Kind gewissermaßen schon in den Brunnen gefallen. In der Regel bedeutet eine Umstrukturierung auch Stellenabbau. Es geht für die Interessenvertretung deshalb darum, Schadensbegrenzung zu betreiben und die Jobs möglichst vieler Kollegen zu retten. Wo das nicht möglich ist, müssen Lösungen für diejenigen gefunden werden, die nicht bleiben können.
Übersicht: beschäftigungssichernde Maßnahmen im Sozialplan
Als beschäftigungssichernde Maßnahmen können und sollten in jedem Sozialplan festgelegt werden:
- längere Kündigungsfristen bzw. Kündigungsausschluss für ältere Arbeitnehmer
- Altersteilzeitregelungen
- Teilzeitregelungen
- Outplacementberatung
- Zahlungen für eine Transfergesellschaft für umfangreiche und genau abgestimmte Qualifizierungsangebote und -ansprüche