14.09.2023

Beleidigende Äußerungen im Chat können zur Kündigung führen

Beleidigende Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen und Kolleginnen im Chat haben Konsequenzen. Ein Arbeitnehmer hat sich im konkreten Fall in einer privaten Chatgruppe in stark beleidigender und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen geäußert. Daraufhin hat ihm die Arbeitgeberin eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin gegen das Unternehmen, er kann sich jedoch nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.

Chat bestand aus Kollegen

Der Kläger gehörte seit 2014 einer aus sieben Mitgliedern bestehenden Chatgruppe an, mit fünf Kollegen und seit November 2020 zusätzlich einem ehemaligen Kollegen als weiterem Gruppenmitglied. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise u.a. über Vorgesetzte sowie Arbeitskollegen und -Kolleginnen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters außerordentlich fristlos.

Kläger erhob Kündigungsschutzklage

Beide Vorinstanzen haben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Beklagte reagierte daraufhin mit Revision, womit sie vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg hatte. Das Berufungsgericht hat eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und den Kündigungsgrund abgelehnt.

Vertraulichkeitserwartung gilt bei Chatgruppe mit besonderem persönlichkeitsrechtlichem Schutz

Zum Hintergrund: Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Prüfung der Vertraulichkeitserwartung

Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das LAG wird dem Kläger Gelegenheit geben, sich darüber zu äußern, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte. Der Senat hat übrigens mit Urteilen in parallel gelagerten Rechtsstreitigkeiten von zwei weiteren Chatgruppen-Mitgliedern in gleicher Weise entschieden (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23).

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)