BAG zum Kündigungszugang: Annahmeverweigerung zwecklos
Gekündigte Arbeitnehmer, die Kündigungsschutzklage erheben wollen, müssen sich sputen. Denn die Klagefrist beträgt nur drei Wochen ab Zugang des Kündigungsschreibens. Die Frage, wann eine Kündigung tatsächlich zugegangen ist, beschäftigt regelmäßig die Gerichte. Das BAG hat entschieden, dass auch eine auf den Tisch gelegte Kündigung als wirksam zugegangen gelten kann.
Worum geht es?
Arbeitsrecht. Eine Altenpflegerin wurde am 22.10.2012 zu einem Personalgespräch gebeten. In dessen Verlauf wurde sie über ihre anstehende Kündigung informiert. Nach Angaben des Arbeitgebers wurde ihr das Kündigungsschreiben „hingehalten“. Die Arbeitnehmerin habe die Annahme jedoch verweigert und den Besprechungsraum verlassen. Der Arbeitgeber beauftragte in der Folge zwei Boten mit der Zustellung der Kündigung. Über die Frage, ob noch am selben oder erst am nächsten Tag, streiten die Parteien. Die Boten begegneten der Altenpflegerin jedenfalls vor der Wohnungstür und wollten ihr die Kündigung überreichen. Da diese die Entgegennahme verweigerte, warfen die Boten das Schreiben in den Hausbriefkasten. Am 14.11.2012 klagte die Altenpflegerin gegen ihre Kündigung. Sie behauptete, die Kündigung erst am Vormittag des 24.10.2012 in ihrem Briefkasten vorgefunden zu haben. Der Arbeitgeber entgegnete, die Klage sei verfristet, weil die Kündigung bereits am 22.10.2012 zugegangen sei.
Das sagt das Gericht
Das BAG konnte keine abschließende Entscheidung treffen, weil die Vorinstanzen noch nicht alle Tatsachen ermittelt hatten. Es spricht aber einiges dafür, dass die Klage der Altenpflegerin verfristet und somit unzulässig war. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg muss aber nochmals genau klären, was während des Personalgesprächs mit dem Kündigungsschreiben geschehen war. Denn die Erfurter Richter stellten klar, dass eine Kündigung im Rahmen eines Personalgesprächs auf zwei Arten zugehen kann:
- Das Kündigungsschreiben wird dem Beschäftigten überreicht und dieser nimmt es entgegen (auf das Lesen kommt es nicht an) oder
- das Kündigungsschreiben wird dem Beschäftigten (wie im Streitfall) entgegengehalten und nach verweigerter Entgegennahme unmittelbar neben ihm auf den Tisch gelegt, sodass er ohne weiteres zugreifen kann.
Nimmt der Beschäftigte das Kündigungsschreiben nicht an und behält es der Arbeitgeber bei sich, ist die Kündigung nicht wirksam zugegangen. Dann ist aber zu prüfen, ob der Beschäftigte den Zugang treuwidrig verhindert hat (Zugangsvereitelung). Auch das lag nach Meinung des BAG hier nahe, weil die Altenpflegerin wusste, dass sie eine Kündigung erhalten sollte. BAG, Urteil vom 26.03.2015, Az.: 2 AZR 483/14
Das bedeutet für Sie
Der Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens ist von entscheidender Bedeutung, weil mit ihm die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu laufen beginnt. Wer die Frist verstreichen lässt und verspätet Klage einreicht, ist seinen Job los. Deshalb ist es die Aufgabe des Betriebsrats, gekündigte Kolleginnen und Kollegen darüber zu informieren, dass nur drei Wochen Zeit bleiben, um gegen die Kündigung gerichtlich vorzugehen.
Gerichte können unverschuldet verspätete Klagen nachträglich zulassen
Es kann vorkommen, dass ein Arbeitnehmer unverschuldet daran gehindert ist, die dreiwöchige Klagefrist einzuhalten. In diesem Fall kann er beantragen, die Klage nachträglich zuzulassen. Die Gerichte lassen verspätet erhobene Klagen z. B. zu, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht in der Lage war, die Klage selbst einzureichen oder eine andere Person (z. B. Angehörige, Freunde, Bekannte) damit zu beauftragen.
Hinweis
In der Regel bedienen sich gekündigte Beschäftigte der professionellen Hilfe eines Rechtsanwalts, um Kündigungsschutzklage zu erheben. Versäumt dieser schuldhaft die Klagefrist, muss sich der Beschäftigte das sogenannte Anwaltsverschulden zurechnen lassen. Ein Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist dann aussichtlos. Aufgrund des Arbeitsplatzverlustes erlittene Verdiensteinbußen kann der Beschäftigte im Zuge der Anwaltshaftung als Schadenersatz gegenüber seinem Anwalt gelten machen.
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