BAG: Übertragen einer Führungsaufgabe ist Einstellung
Immer mehr Unternehmen bedienen sich sogenannter Matrixstrukturen, um Zuständigkeiten und Arbeitsabläufe über die Betriebsgrenzen hinaus unternehmensweit zu organisieren. Bei dieser Organisationsform wird irgendwann unweigerlich die Frage aufgeworfen, welcher Betriebsrat für welche Maßnahmen zuständig ist.
Worum geht es?
Mitbestimmung. Ein großes Unternehmen unterhält eine Zentrale und mehrere Betriebsstätten an unterschiedlichen Standorten. Ein in der Zentrale mit Führungsaufgaben betrauter Beschäftigter sollte zum Bereichsleiter eines rund zwölf Kilometer entfernten Standortes befördert werden, aber weiterhin in der Zentrale tätig sein. Der Betriebsrat der Zentrale erteilte hierzu seine Zustimmung. Der örtliche Betriebsrat legte sein Veto ein. Er monierte die fehlende Ausschreibung der Stelle des Bereichsleiters im Sinne des § 93 BetrVG und berief sich damit auf sein Zustimmungsverweigerungsrecht aus § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG. Der Arbeitgeber entgegnete, dass es sich bei der Übertragung einer Führungsaufgabe nicht um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung handele. Dementsprechend komme ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nicht in Betracht. Jedenfalls sei in einem solchen Fall der Gesamtbetriebsrat und nicht der örtliche Betriebsrat zuständig. Der Arbeitgeber ging vor Gericht und beantragte, die fehlende Zustimmung des örtlichen Betriebsrats zu der „Versetzung“ des Beschäftigten zu ersetzen.
Das sagt das Gericht
Das Gericht gab dem Antrag statt. Die Voraussetzungen einer Einstellung lägen hier vor, weil der Beschäftigte als Bereichsleiter und Vorgesetzter – und somit Weisungsbefugter – in die Erfüllung der in der Niederlassung zu erledigenden Aufgaben eingebunden sei. Dies allein sei für eine Eingliederung und damit eine Einstellung entscheidend. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers sei nicht der Gesamtbetriebsrat, sondern der örtliche Betriebsrat für die Einstellung der Führungskraft zuständig. Dieser hätte jedoch die Zustimmung zur Beförderung nicht verweigern dürfen, weil der Arbeitgeber weder einen neuen Arbeitsplatz geschaffen noch einen dort bereits vorhandenen Arbeitsplatz ersetzt habe. Damit sei eine interne Stellenausschreibung der Bereichsleitertätigkeit nicht erforderlich gewesen. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG sei somit ausgeschlossen. BAG, Beschluss vom 12.06.2019, Az.: 1 ABR 5/18
Hinweis: Klären Sie in der Matrix, welches BR-Gremium zuständig ist
Bei einer Matrixstruktur existiert nicht eine einzige, lineare Hierarchie, z. B. die klassische Befehlskette „Projektleitung – Abteilungsleitung – Geschäftsleitung“. Stattdessen werden mehrere verschiedene Zuständigkeiten festgelegt, die sich aber an bestimmten Punkten auch überschneiden können. Dies wirft in der Praxis immer häufiger die Frage auf, welches Gremium für welche arbeitgeberseitigen Maßnahmen zuständig ist.
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Mit dieser umstrittenen Entscheidung stärkt das BAG die Rechte von Betriebsratsgremien in Unternehmen, die Matrixstrukturen aufweisen (vgl. Hinweis). Umstritten deshalb, weil die Bundesrichter eine Einstellung bejaht haben, obwohl es an einer tatsächlichen Eingliederung fehlt. Laut BAG gilt eine Führungskraft als in einen Betrieb eingegliedert, wenn sie gegenüber den dort tätigen Beschäftigten weisungsberechtigt ist. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber alle Betriebsratsgremien derjenigen Arbeitnehmer beteiligen muss, die der Weisungsbefugnis einer neuen Führungskraft unterfallen. In großen Unternehmen kann dies die Beteiligungspflicht einer Vielzahl von lokalen Betriebsratsgremien zur Folge haben. Offen gelassen hat das BAG, ob die Führungskraft dann in all diesen Betrieben wahlberechtigt ist oder bei den Schwellenwerten berücksichtigt werden muss.
So sollten Betriebsräte vorgehen
Eine Matrix ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unternehmensleitungen sowie die Zuordnung von Aufgaben und Funktionen in einem Mehrliniensystem strukturiert werden. Das Betriebsverfassungsgesetz ist nicht auf solche Matrixstrukturen ausgerichtet, denn seine Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte setzen in der Regel am Betriebsbegriff an. Der klassische Betriebsbegriff lässt sich in Unternehmen mit betriebsübergreifenden Einheiten in Matrixstrukturen jedoch nur schwer feststellen.
Praxistipp: Themen auf auf die Ebene von GBR und KBR holen
Betroffene Betriebsräte sollten deshalb stets versuchen, neben den Matrixeinheiten eine reale Einbindung in eine örtliche Betriebsstruktur im Sinne des BetrVG aufrechtzuerhalten. Dabei gilt es immer auch zu prüfen, welche Mitbestimmungsthemen auf die Ebene eines Gesamt- oder Konzernbetriebsrats gezogen werden können. Denn auf diese Weise können einheitliche Arbeitsbedingungen in der Matrixstruktur umgesetzt werden.