BAG: Tarifvertrag darf 6-jährige Kettenbefristung vorsehen
Befristete Arbeitsverträge, vor allem solche ohne Sachgrund, spielen in der Privatwirtschaft eine große Rolle. Bei Neueinstellungen müssen Arbeitgeber eine Befristung nicht begründen – zumindest in den ersten zwei Jahren. Existiert ein Tarifvertrag, darf dieser laut BAG die Befristung auf bis zu sechs Jahre ausdehnen.
Worum geht es?
Ein Arbeitnehmer war in einem Unternehmen der Energiewirtschaft auf Basis eines befristeten – einmal verlängerten – Arbeitsvertrages vom 15.01.2012 bis 31.03.2014 als kaufmännischer Mitarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der zwischen der Arbeitgebervereinigung Energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. (AVE) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) vereinbarte Manteltarifvertrag (MTV) Anwendung. Dieser sieht u. a. vor, dass Arbeitsverträge bis zu einer Gesamtdauer von höchstens fünf Jahren und höchstens fünfmalig hintereinander ohne sachlichen Grund verlängert werden können. Der Arbeitnehmer hielt die tarifliche Erhöhung der Befristungshöchstdauer auf fünf Jahre für unzulässig und erhob Entfristungklage.
Das sagt das Gericht
Die Klage blieb jedoch erfolglos. Das BAG erklärte die angegriffene tarifliche Regelung für rechtens.
Der Gesetzgeber sehe in § 14 Abs. 2 Satz 3 Teilzeit und Befristungsgesetz (TzBfG) vor, dass Tarifvertragsparteien eigene Regelungen zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen treffen können. Eine gesetzliche Obergrenze für Dauer und Anzahl von Befristungen existiere nicht. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien gelte aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen jedoch nicht schrankenlos. Danach dürften Tarifpartner in Tarifverträgen die gesetzlichen Grenzen für Befristungen ohne sachlichen Grund (Höchstdauer: zwei Jahre, Höchstzahl von Verlängerungen: drei) um nicht mehr als das Dreifache überschreiten. BAG, Urteil vom 26.10.2016, Az.: 7 AZR 140/15
Das bedeutet für Sie
Mit diesem Grundsatzurteil hat das BAG die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien begrenzt. Dabei gilt es festzuhalten, dass sich die Erfurter Bundesrichter nicht darauf beschränkt haben, nur der tariflichen Regelung im Streitfall Absolution zu erteilen. Sie haben vielmehr eine generelle und klare Grenze gesetzt und damit Rechtssicherheit für die Zukunft geschaffen. Merken Sie sich also Folgendes: Tarifvertragliche Regelungen können auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG für Neueinstellungen
- die zulässige Gesamtdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses auf maximal sechs Jahre (3 x 2 Jahre) und
- die zulässige Anzahl von Vertragsverlängerungen auf maximal neun Verlängerungen (3 x 3 Verlängerungen)
festsetzen. Tarifliche Regelungen, die diese Grenzen überschreiten, sind gesetzeswidrig und somit nichtig.
Tariföffnungsklausel verschafft Tarifpartnern Gestaltungsspielraum
Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG enthält eine sogenannte Tariföffnungsklausel: Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden.
Hinweis
Was die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen betrifft, genießen junge Unternehmen ein Privileg. Denn der erst 2004 eingeführte Abs. 2a des § 14 TzBfG gestattet es neu gegründeten Unternehmen in den ersten vier Jahren, bis zur Dauer von vier Jahren Arbeitsverträge ohne Sachgrund zu befristeten.
D. h. der Gesetzgeber überlässt es den Tarifpartnern, branchenspezifische Grenzen festzulegen – sowohl zugunsten als auch zuungunsten der Beschäftigten. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind nach Meinung des Gesetzgebers am besten in der Lage, Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen der Beschäftigten und der Arbeitgeber gerecht werden.