BAG fällt Grundsatzurteil: Urlaub verfällt nicht automatisch
Das BAG hat entschieden, dass nicht in Anspruch genommener Urlaub am Jahresende nicht automatisch verfällt. Mit ihrem Urteil folgen die Erfurter Bundesrichter dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser hatte im September 2022 entschieden, dass der Verfall von Urlaub einen entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers voraussetzt.
Worum geht es?
Eine Steuerfachangestellte war vom 01.11.2016 bis zum 31.07.2017 für ein Unternehmen tätig. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte sie vom Arbeitgeber die Abgeltung von 101 nicht genommenen Urlaubstagen aus 2017 und den Vorjahren. Der Arbeitgeber entgegnete, die Urlaubsansprüche seien verjährt.
Das sagt das Gericht
Das BAG war anderer Meinung und entschied den Rechtsstreit zugunsten der Arbeitnehmerin. Zwar fänden die Vorschriften über die Verjährung auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe. Der Arbeitgeber habe die Arbeitnehmerin
nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweispflichten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Dieser sei deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) noch am Ende eines zulässigen Übertragungszeitraumes (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) verfallen. Der nicht gewährte Urlaub sei auch nicht bereits
während des laufenden Arbeitsverhältnisses verjährt. Die Arbeitnehmerin habe den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben. BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Nach deutschem Recht verjährt ein Anspruch gemäß § 195 BGB grundsätzlich nach drei Jahren. Diese regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Beispiel: Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub für 2022 entstand in 2022. Die Verjährung begann am 31.12.2022. Bis zum 31.12.2025 ist der
Urlaubsanspruch nicht verjährt. Ab dem 01.01.2026 tritt Verjährung ein. Laut dem BAG setzt eine Verjährung von Urlaubsansprüchen nunmehr nicht wie bisher automatisch nach drei Jahren ein. Der Beginn der Verjährung von Urlaubsansprüchen setzt nach der neuen Rechtsprechung vielmehr voraus, dass der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachkommt, indem er die Beschäftigten rechtzeitig auffordert, den Urlaub zu nehmen und sie vor einem drohenden
Verfall bzw. einer drohenden Verjährung warnt. BAG lässt wichtige Frage offen Es wird interessant sein zu beobachten, ob die von nicht wenigen Arbeitsrechtlern vorhergesagte Klagewelle tatsächlich über die Gerichte hereinbrechen
wird, weil unzählige Ex-Arbeitnehmer ihre vormaligen Arbeitgeber auf Abgeltung des nicht beanspruchten Urlaubes der Vorjahre verklagen. Die Frage, ob für den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) das Gleiche gilt wie für Urlaubsansprüche, ist der bisher vorliegenden Pressemitteilung des BAG nicht zu entnehmen, sodass die Frage bis zur Veröffentlichung der Urteilsgründe offenbleibt.