21.09.2022

BAG bestätigt: Gesamtbetriebsrat bestimmt über Softwareeinführung

Will ein Arbeitgeber für alle Betriebe seines Unternehmens eine Software einführen, die eine zentrale Kontrolle von Verhalten und Leistung der Beschäftigten zumindest ermöglicht, so bedarf es laut einem Urteil des BAG aus technischen Gründen zwingend einer betriebsübergreifenden Regelung, für die der Gesamtbetriebsrat zuständig ist.

Gesamtbetriebsrat Software

Worum geht es?

Ein Arbeitgeber beabsichtigte, unternehmensweit, also in allen Betrieben seines Unternehmens, eine neue Software einzuführen. Die Einführung sollte in Form einer „1-Tenant-Lösung“ erfolgen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das gesamte Unternehmen für die Datenverarbeitung als ein Mandant mit zentraler Administration geführt wird. Die dabei erstellten und erhobenen Daten sollten in einer einheitlichen Cloud gespeichert werden. Der Gesamtbetriebsrat stimmte dem unternehmensweiten Einsatz der Software zu.

Der örtliche Betriebsrat eines Warenverteilzentrums meinte, er habe bei der Einführung und Anwendung des Softwarepakets zumindest teilweise mitzubestimmen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Für eine einheitliche Regelung bestehe keine zwingende technische Notwendigkeit. Einzelne Module könne man unabhängig von der Cloud nutzen.

Die Klage des Betriebsrats scheiterte sowohl in der ersten Instanz vor dem ArbG Bonn als auch in der zweiten Instanz beim LAG Köln. Die Begründung lautete, dass aufgrund der zentralen Datenspeicherung und Zugriffsmöglichkeit auf die Daten durch die Administratoren vom Hauptsitz aus der Gesamtbetriebsrat zwingend zuständig sei gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in Verbindung mit § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Das sagt das Gericht

Die Revision des Betriebsrats vor dem BAG blieb erfolglos. Die Administration der Software könne nur einheitlich für das gesamte Unternehmen – den Tenant – erfolgen, entschieden die Bundesrichter. Dementsprechend würden auch die Administrationsrechte zentral vergeben. Dadurch bestehe die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Beschäftigten in sämtlichen Betrieben. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit erfordere aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung, für die der Gesamtbetriebsrat zuständig sei.

Die Tatsache, dass bei einzelnen Modulen benutzerbezogene Einstellungen vorgenommen werden könnten, führe zu keiner anderen Bewertung. Die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeigneten Komponenten oder Funktionen seien technisch nicht auf bestimmte Personen oder Personengruppen einschränkbar. Sie lägen ausschließlich beim zentralen Administrator. BAG, Beschluss vom 08.03.2022, Az.: 1 ABR 20/21

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Die Einführung einer Software für alle Betriebe eines Unternehmens unterliegt der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats, wenn die Software cloudbasiert unternehmensweit eingeführt und betriebsübergreifend zentral administriert wird. Dies führt zu einer Sperre der Zuständigkeit der örtlichen Einzelbetriebsräte. In diesen Fällen ist der Gesamtbetriebsrat zuständig Der Gesamtbetriebsrat ist laut § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, – die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen, – die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können und für die ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht. Ferner kann der Gesamtbetriebsrat zuständig sein, wenn ihm ein örtlicher Einzelbetriebsrat eine Aufgabe gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG überträgt.

Tipp: Sonderausgabe BR / Gesamtbetriebsrat / Konzernbetriebsrat

Es gibt eine Sonderausgabe von Urteils-Ticker Betriebsrat (Ausgabe 19/22), die das Thema „Arten des Betriebsrats“ behandelt und sich insbesondere mit den Fragen auseinandersetzt, welches Gremium (Einzelbetriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat) für welche Angelegenheit zuständig ist, wie die Gremien gegründet werden und wie ihr Verhältnis zueinander geregelt ist. Sie finden die Ausgabe auch als PDF im Heftarchiv unter www.urteilsticker-betriebsrat.de.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)