BAG begrenzt Mitbestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung
Das BAG ist von seiner Rechtsprechung zur Mitbestimmung des Betriebsrats hinsichtlich des Verfahrens der Gefährdungsbeurteilung abgerückt. Es erachtet nunmehr die Festlegung der zugrunde zu legenden Arbeitsbedingungen und zu untersuchenden Gefährdungen nicht mehr als Bestandteil einer (mitbestimmten) Gefährdungsbeurteilung.
Worum geht es?
Mitbestimmung. In einem Unternehmen stritten Betriebsrat und Arbeitgeber über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen. Die 2008 errichtete Einigungsstelle hatte nach 16 Sitzungen im Jahr 2016 eine Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung beschlossen. Die Betriebsvereinbarung legte die zu beurteilenden Tätigkeiten nebst gleichartigen Arbeitsbedingungen nach Arbeitsort (welche Halle) sowie Tätigkeit (Maschinenführer, Koordinator, etc.) fest und verwies im Übrigen auf die „derzeit geltenden Stellenbeschreibungen“ in einer Anlage. Laut der Betriebsvereinbarung galt es, alle in Frage kommenden Gefährdungen zu erfassen. Um welche Gefährdungen es sich dabei handelt und nach welchen Beurteilungskriterien sie ermittelt werden, ließ die Betriebsvereinbarung offen und verwies stattdessen auf Unfallverhütungsvorschriften. Der Betriebsrat hielt den Einigungsstellenspruch für unwirksam. Dieser sei rechtsfehlerhaft, weil in vielen Punkten der Regelungsauftrag nicht erfüllt sei.
Nicht in eine Gefährdungsbeurteilung gehören laut BAG
- die Klärung, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind,
- die auf konkrete Schutzmaßnahmen bezogene Kontrolle ihrer Wirksamkeit,
- die nähere Beschreibung von Arbeitsbedingungen sowie
- die Festlegung der zu untersuchenden Gefährdungen.
Das sagt das Gericht
Das BAG gab dem Betriebsrat Recht. Der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam, weil die Einigungsstelle ihren Regelungsauftrag teilweise überschritten habe. Soweit sie sich innerhalb desselben gehalten habe, habe sie ihn zum Teil mangels konkreter Regelungen nicht erfüllt oder die Grenzen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG missachtet. Angesichts der zahlreichen unwirksamen Regelungen enthalte der verbleibende Teil der Betriebsvereinbarung keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr. Der Verweis der Betriebsvereinbarung auf Unfallverhütungsvorschriften sei zu unbestimmt. BAG, Beschluss vom 13.08.2019, Az.: 1 ABR 6/18
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Die Einigungsstelle hat ihre Kompetenzen überschritten, indem sie Regelungen getroffen hat, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, weil sie nicht zur Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arb- SchG gehören (vgl. Hinweis). Die Einigungsstelle war nicht befugt zu prüfen, ob Maßnahmen nach § 3 ArbSchG betroffen sind. Der über Jahre schwelende Streit in der Frage, ob der Betriebsrat bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmt oder nicht, endete 2004. Damals entschied das BAG, dass der Betriebsrat bei der Gefährdungsbeurteilung ein Mitbestimmungsrecht hat. Eine solche Gefährdungsbeurteilung umfasste bisher das Verfahren zum Ermitteln und Bewerten der Gefahren im Betrieb, die Dokumentation, die Bewertung, ob Schutzmaßnahmen geboten sind sowie das Festlegen der konkreten Schutzmaßnahmen. Letzteres ist nach der obigen BAG-Entscheidung nicht mehr Gegenstand der mitbestimmten Gefährdungsbeurteilung. Im Ergebnis beschränkt das BAG mit dieser Entscheidung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gefährdungsbeurteilung.