Azubis: Sie als Betriebsrat sind ihre Stütze während der Ausbildung
Auch wenn die JAV der vorrangige Ansprechpartner für Azubis ist, sollte sich auch der Betriebsrat um die jüngsten Kollegen kümmern. Falls nötig, sollten Sie daher mit kompetentem Rat zur Verfügung stehen – insbesondere dann, wenn es problematisch wird und es um die Frage geht, wann Azubis entlassen werden können.
Wieso? Sind Azubis nicht Arbeitnehmer wie jeder andere auch?
Mitbestimmung. Nein, jedenfalls nicht immer, schon gar nicht in der Probezeit. Mit ihr beginnt normalerweise jedes Arbeitsverhältnis, auch das Berufsausbildungsverhältnis. In der Probezeit kann Ihr Arbeitgeber hier wie da ein Arbeitsverhältnis jederzeit kündigen. Einen Kündigungsgrund braucht er dabei nicht anzugeben. Er muss aber, bevor er die Entlassung ausspricht, Sie als Betriebsrat anhören.
Die Probezeit zu Beginn eines Berufsausbildungsverhältnisses dauert mindestens einen und höchstens vier Monate. Auch wenn Ihr Arbeitgeber wie im normalen Arbeitsverhältnis in der Probezeit jederzeit kündigen kann, muss er bei einer Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses zusätzlich bestimmte Vorschriften beachten.
Welche Vorschriften gelten bei der Kündigung von Auszubildenden?
Zum Beispiel darf der Arbeitgeber nur außerordentlich kündigen. Nach der Probezeit kann er nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) das Berufsausbildungsverhältnis ohne Einhalten einer Kündigungsfrist nur aus einem wichtigen Grund kündigen (§ 22 Abs. 1 BBiG). Die Hürden dafür sind hoch.
Ein wichtiger Grund für eine Kündigung kann nur ein Sachverhalt sein, der das gesamte Ausbildungsziel erheblich gefährdet oder verhindert. Die Kündigung kann aber immer nur das letzte Mittel sein. Vorher muss Ihr Arbeitgeber durch Gespräche oder andere Maßnahmen wie z. B. Abmahnungen versuchen, pädagogisch auf den Azubi einzuwirken.
Kann ein Auszubildender nach der Probezeit kündigen?
Ja, der Gesetzgeber ist ihm gegenüber großzügiger als Ihrem Arbeitgeber gegenüber. Der Gesetzgeber will die freie Berufswahl von Azubis erhalten. Sie können deshalb mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn sie:
- die Berufsausbildung aufgeben oder
- sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.
Ihr Auszubildender kann zudem aus wichtigem Grund das Arbeitsverhältnis kündigen, z. B. wegen:
- mehrfacher Nichtzahlung der Ausbildungsvergütung
- Entzugs der Ausbildungsbefugnis des Ausbildenden
- Beleidigungen, Züchtigungen oder Misshandlungen durch Ausbildende oder Arbeitskollegen
Allerdings gibt es auch beim Kündigungsrecht für Auszubildende eine Einschränkung: Ist der Azubi noch minderjährig, gilt er als nur beschränkt geschäftsfähig. Er kann deshalb nur mit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters kündigen. Umgekehrt kann Ihr Arbeitgeber einen minderjährigen Azubi nur wirksam kündigen, wenn er die Kündigung gegenüber den Eltern als seinen gesetzlichen Vertretern ausspricht oder ihnen zugehen lässt. Eine an den Minderjährigen selbst gerichtete Kündigung wäre sogar dann unwirksam, wenn dessen Eltern davon erfahren. Ist Ihr Azubi mit einer Kündigung nicht einverstanden, kann er dagegen vorgehen. Besteht ein nach § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eingerichteter Schlichtungsausschuss, ist zunächst dieser anzurufen, andernfalls direkt das Arbeitsgericht.
Arbeitsschutz bei Auszubildenden besonders wichtig
Ein weiterer wichtiger Punkt, den Sie – als Betriebsrat zumal – besonders beachten sollten, ist der Arbeitsschutz. Sie kennen das sicherlich aus Ihrer eigenen Praxis: Wenn ein junger Mensch zu Ihnen in den Betrieb kommt, um eine Ausbildung zu beginnen, und damit ins Berufsleben startet, ist er meistens entsprechend unerfahren. Die Statistik bestätigt das. Danach liegt die Quote der Arbeitsunfälle bei den 18- bis 24-Jährigen um rund 50 Prozent höher als bei anderen Erwachsenen. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallversicherung begründen dies vor allem mit folgenden Faktoren, auf die Sie als Betriebsrat ein besonderes Augenmerk haben sollten:
- Jugendlicher Leichtsinn
- mangelnde Erfahrung
- höhere psychische Belastung als routinierte Mitarbeiter
Viele junge Beschäftigte fühlen sich unter Druck gesetzt oder glauben, hohen Erwartungen genügen zu müssen – ein weiterer Risikofaktor, kann doch Stress die Gesundheit beeinträchtigen und zu unkonzentriertem Handeln führen. Deshalb ist es gerade für Auszubildende wichtig, dass Sie als Betriebsrat ihnen gleich von Anfang an die Bedeutung des Arbeitsschutzes klarmachen – damit Unfälle gar nicht erst passieren.
Wichtig für Sie als Betriebsrat: Azubis ausreichend schulen!
Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArb-SchG) macht da ganz klare Vorgaben. Der Arbeitgeber muss Mitarbeiter und Auszubildende unter 18 Jahren schulen. In § 29 JArbSchG heißt es sinngemäß:
- Arbeitgeber müssen minderjährige Azubis über Unfall- und Gesundheitsgefahren sowie deren Anwendung
- zu Beginn der Ausbildung,
- bei wesentlicher Änderung der Arbeitsbedingungen,
- vor der erstmaligen Beschäftigung an Maschinen oder gefährlichen Arbeitsstellen und
- vor dem möglichen Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Stoffen unterrichten.
- Unterweisungen sind mindestens halbjährlich durchzuführen.
- Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind an Planungs-, Durchführungs- und Überwachungsmaßnahmen zu beteiligen.
Schulung nicht nur für minderjährige Auszubildende
Ihr Arbeitgeber sollte diese Pflichten nicht nur auf Minderjährige beschränken, sondern alle Azubis einbeziehen. Gerade wenn in Ihrem Betrieb tatsächlich Gefahren mit hohem Gesundheits- oder Unfallrisiko lauern, sollten Sie als Betriebsrat bei Ihrem Chef darauf hinwirken, dass er alle Azubis regelmäßig schulen lässt.
Die Erstunterweisung ist von besonderer Wichtigkeit. Es bietet sich an, diese in zwei Teilen durchzuführen:
- Im ersten Teil erfolgt eine allgemeine Sicherheitsunterweisung. Dabei sollte Ihre Geschäftsleitung die Azubis generell über Gefahren im Betrieb sowie über das Verhalten bei Arbeitsunfällen informieren. Am besten, Ihr Beauftragter für Arbeitssicherheit übernimmt das.
- Im zweiten Teil erfolgt die arbeitsplatzbezogene Sicherheitsunterweisung. Sie bezieht sich auf Tätigkeiten am Arbeitsplatz des Auszubildenden. Sie ist daher gegebenenfalls mit jedem Ausbildungsabschnitt zu erneuern. Diese Unterweisung kann ein Vorgesetzter in der Abteilung oder ein Fachausbilder vor Ort durchführen.
Darüber hinaus können innerhalb eines Ausbildungsabschnitts zusätzliche Schulungen notwendig werden, insbesondere wenn der Auszubildende gefährliche Arbeiten erstmals ausführen oder eine überdies nicht ganz ungefährliche bestimmte Maschine bedienen soll.
Und noch etwas: Übung macht den Meister auch hier. § 12 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schreibt die Pflicht zur Wiederholung der Unterweisungen vor:
- von Erwachsenen „erforderlichenfalls regelmäßig“,
- von Jugendlichen wiederholt „in angemessenen Abständen, mindestens aber halbjährlich“.
So machen Unterweisungen auch Auszubildenden Spaß
Regel Nr. 1: Locker bleiben! Manch einer erwartet endlose Vorträge mit staubtrockenen Erklärungen. Deshalb denken Arbeitsschutzbeauftragte zunehmend um und gestalten Unterweisungen für Azubis locker, lebendig und praxisnah. Überlegen Sie als Betriebsrat gemeinsam mit den bei Ihnen im Betrieb zuständigen Personen, was junge Beschäftigte besonders anspornen könnte, beispielsweise mit einer Unterweisung in Form eines Azubi-Wettbewerbes nach dem Motto „Wer entdeckt die Gefahrenquellen im Betrieb?“. So schulen Sie zugleich Wachsamkeit und Gefahrenbewusstsein – und das auf spielerische Weise.
Dürfen Vorgesetzte ihren Azubi für sachfremde Tätigkeiten heranziehen?
In Grenzen, ja. Klar ist einerseits, dass ein Azubi kein Ersatz für eine Putzfrau sein darf. Es ist andererseits zum Beispiel aber zulässig, dass ein angehender Mechaniker oder Schreiner eine Maschine sauber machen soll, an der er ausgebildet wird. Das BBiG schreibt in § 14 Abs. 2 zum Ausbildungsinhalt vor, dass Vorgesetzte Lehrlingen nur Aufgaben übertragen dürfen, die dem Ausbildungszweck dienen.
Ausbildende haben demnach:
- dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchgeführt wird, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann,
- selbst auszubilden oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen,
- Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden, erforderlich sind,
- Auszubildende zum Besuch der Berufsschule sowie zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen anzuhalten, soweit solche im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden, und diese durchzusehen,
- dafür zu sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden.
Arbeitgeber dürfen Auszubildenden nur Aufgaben übertragen, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind.
Wann hierbei jedoch die Grenze überschritten ist, lässt sich pauschal nicht so einfach sagen – und scheinen viele Arbeitgeber eigentlich immer noch nicht verstanden zu haben. Rund jeder zehnte Lehrling (12,2 Prozent) muss laut dem „Ausbildungsreport 2019“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) häufig oder sogar ständig Dinge erledigen, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben. Und es kommt noch schlimmer: Einem Drittel der Auszubildenden (35,5 Prozent) liegt kein betrieblicher Ausbildungsplan vor, eine Überprüfung der Ausbildungsinhalte ist ihnen daher nicht möglich. Bei 13,8 Prozent der Azubis findet eine fachliche Anleitung durch den Ausbilder überhaupt nicht oder nur selten statt.
Was raten Sie als Betriebsrat einem Azubi, der zu sachfremden Arbeiten herangezogen wird?
Bei solchen Problemen sind natürlich Sie oder Ihre Kollegen von der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gefragt. Beobachten Sie die Situation der Auszubildenden gerade in den ersten Monaten genau und bieten Sie Ihre Hilfe an. Oft sind die gerade neuen Azubis zu schüchtern, um sich selbst effektiv zu wehren. Azubis können sich bei der JAV kompetenten Beistand besorgen und sich über ihre Rechte und Pflichten informieren – auch während der Arbeitszeit, ohne dafür einen Grund nennen zu müssen. Außerdem bieten viele JAVs regelmäßige Sprechstunden an, sodass Azubis einen festen Termin für ein Gespräch ausmachen können. Eine weitere Option: Der Lehrling wird gleich selbst JAV-Mitglied, indem er sich zur Wahl stellt. So kann er seine eigenen Rechte einfordern und gleichzeitig den Kollegen helfen.
Wenn Ihr Lehrling beispielsweise einmal zum Einkaufen geschickt wird und diese Aufgabe reihum wechselt, kann er sich schlecht beschweren. In der Regel sollte er beim erstmaligen Verstoß gegen die Prüfungsordnung das Ganze kommentarlos hinnehmen. Wird er hingegen ständig mit sachfremden Tätigkeiten betraut, überspannt das den Bogen. Dann sollte er sich beschweren und das Gespräch suchen. Ähnlich sieht es aus, wenn es darum geht, wer morgens im Büro die Spülmaschine ausräumen muss. Wenn der Lehrling diese Tätigkeit hin und wieder übernimmt und alle anderen das auch mal machen, wäre das sicher in Ordnung. Aber oft heißt es dann ja auch: „Lass das mal den Azubi machen, dann hat der was zu tun.“ Das sollte er nicht mehr hinnehmen. Andere Beispiele wären Halle fegen, Kaffee kochen oder für den Chef Akten kopieren. Zum Problem werden solche Arbeiten immer dann, wenn sie überhandnehmen.
Azubis sollten den Ausbildungsplan kennen
Um sich gegen ausbildungswidrige Tätigkeiten wehren zu können, sollten Lehrlinge ihren Ausbildungsplan genau kennen und prüfen, ob er eingehalten wird. Falls Ihr Arbeitgeber einen solchen noch gar nicht erstellt hat, sollte er das schleunigst nachholen. Den Rahmenplan erhalten Azubis in der Regel beim Vertragsschluss. Falls nicht, ist er bei staatlich anerkannten Abschlüssen über die Seite des Bundesinstituts für Berufsbildung (www.bibb.de) abrufbar. Die Tätigkeiten sind dort detailliert aufgelistet. Sie sind üblicherweise im Laufe der Ausbildungsjahre von den Azubis regelmäßig verlangt. Der Ausbilder hat zwar die Möglichkeit, davon etwas abzuweichen, wenn es im Unternehmen so üblich ist, aber eben nur im passenden Rahmen.
Unterstützen Sie als Betriebsrat Auszubildende beim Gespräch mit Vorgesetzten
Ein weiterer Rat, den Sie als Betriebsrat Ihrem Azubi geben können, wäre ein Gespräch mit dem Vorgesetzten; das kann häufig Klarheit schaffen. Hat Ihr Lehrling das Gefühl, er wird überwiegend für Hilfsarbeiten eingesetzt, sollte er am besten zunächst das Gespräch mit Ihnen als Betriebsrat suchen. Sie können dabei helfen zu klären, ob sein eigener Eindruck berechtigt ist. Im zweiten Schritt sollte er das Gespräch mit dem Chef suchen. Der Ausbildungsbeauftragte, falls vorhanden, oder Sie als Betriebsrat können dabei vermitteln. Oder Lehrlinge tun sich mit anderen unzufriedenen Azubis im Betrieb zusammen und sprechen gemeinsam mit dem Chef. Dabei ist es ratsam, nicht nur Vorwürfe zu äußern, sondern konstruktiv an die Sache heranzugehen. So könnten die Azubis etwa sagen: „Ich habe Angst, durch meine Abschlussprüfung zu fallen.“ Dabei könnten sie darauf hinweisen, dass sie nach dem Ausbildungsrahmenplan bestimmte Dinge lernen sollten, tatsächlich aber nur Hilfsarbeiten übernehmen müssen.
Interne Unterstützung für Azubis: Die JAV
Die wichtigsten Geprächspartner bei Sorgen oder Unklarheiten sind natürlich die Mitglieder der Jugend- und Auszubildenden-Vertretung, der JAV. Wie der Betriebsrat am besten mit diesem Gremium der jungen Mitarbeiter zusammenarbeitet und welche Rechte die JAV gegenüber dem Betriebsrat hat, erfahren Sie im Beitrag »Wie Betriebsrat und JAV am besten zusammenarbeiten.«
Externe Unterstützung für Azubis
Helfen alle innerbetrieblichen Gespräche nicht weiter, sollte Ihr Lehrling sich extern Unterstützung suchen. Ansprechpartner gibt es zum einen bei den Kammern, wie etwa der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK). Azubis könnten auch Lehrer an der Berufsschule ansprechen. Diese kennen die Betriebe oft gut und können eine neutrale Instanz sein. Und eventuell wissen sie auch, wie der Streit um ausbildungsfremde Tätigkeiten in anderen Fällen gelöst werden konnte.