Außertarifliche Angestellte: Vergütungsabstand ist maßgebend
Wenn Tarifvertragsparteien Angestellte als außertariflich definieren, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe überschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, so genügt für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes Überschreiten, wenn es auch nur geringfügig ist.
Geldwerte materielle Arbeitsbedingungen
In einem aktuellen Fall klagt ein Mitglied der IG Metall, ein bei dem beklagten Unternehmen seit 2013 beschäftigter Entwicklungsingenieur, der seit Juni 2022 auf der Grundlage eines als „außertariflich“ bezeichneten Arbeitsvertrags angestellt ist. Im Streitzeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 erhielt er eine monatliche Bruttovergütung von 8.212,00 Euro, während das Entgelt in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe – hochgerechnet auf 40 Wochenstunden – 8.210,64 Euro brutto betrug. In dem betroffenen Betrieb werden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens angewendet, von deren Geltung u.a. Beschäftigte ausgenommen sind, deren „geldwerte materielle Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten“.
Klage auf höhere Vergütung
Der Ingenieur versuchte über seine Klage eine höhere Vergütung zu erzielen. Er argumentierte damit, dass ein solches „Überschreiten“ in Anbetracht der prozentualen Abstände zwischen den tariflichen Entgeltgruppen nur angenommen werden könne, wenn das Monatsgehalt des außertariflichen Angestellten 23,45 % über der höchsten tariflichen Entgeltgruppe liege. Bei ihm ergebe dies ein Bruttomonatsgehalt von 10.136,03 Euro, so dass seines Erachtens sein Arbeitgeber verpflichtet sei, ihm für die Monate Juni 2022 bis Februar 2023 insgesamt 17.326,27 Euro brutto als weitere Vergütung nachzuzahlen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Tarifvertraglicher Abstand zur höchsten Vergütung
Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Vorinstanzen bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Richter erklärten, dass der Status als außertariflicher Angestellter einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Vergütung begründe, die einen tarifvertraglich vorgeschriebenen Abstand zur höchsten tariflichen Vergütung wahre. Die im Streitfall einschlägigen tariflichen Bestimmungen verlangen, dass die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten. Das ist beim Kläger der Fall, denn mangels abweichender Festlegungen der Tarifvertragsparteien genügt nach dem eindeutigen Tarifwortlaut jedes – und damit auch ein geringfügiges – Überschreiten des höchsten tariflichen Entgelts.
Daher verbietet sich eine ergänzende Tarifauslegung wie sie der Kläger verlangte. Wollen die Tarifvertragsparteien einen bestimmten prozentualen Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Beschäftigter, müssen sie eine entsprechende tarifliche Abstandsklausel hinreichend klar und deutlich in den Tarifvertrag aufnehmen. Die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie verbietet ein „Nachbessern“ tariflicher Bestimmungen durch die Gerichte zugunsten der einen oder anderen Seite (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.10.2024 – 5 AZR 82/24 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2023 – 3 Sa 360/23).