Ausschluss aus Betriebsrat: Wenn nötig kein Ding der Unmöglichkeit
Es knarzt und kracht im Betriebsrat. Das kommt in besten Familien vor. Dann hilft Ihnen als Betriebsrat nur: der Störenfried muss weg. Doch wenn das mal so einfach wäre …
Nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen – selbst bei Bayern München nicht
Geschäftsführung Betriebsrat. Rummenigge gegen Hoeneß? Ja, Sie lesen richtig. Man denkt immer, in der Chefetage von Bayern München herrscht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Aber der Schein trügt, wie wir jetzt erfahren. Der Top-Scorer holt nur ein Unentschieden gegen den Tabellenletzten – der Präsident lobt, der Vorstandschef tobt: „Jeder muss liefern, hier herrscht Druck, das ist beim FC Bayern schon immer so gewesen.“ Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: „Formal richtig. Warme Worte klingen anders.“ Aber man wird doch mal kritisieren dürfen?
Kommt Ihnen das aus Ihrer täglichen Arbeit im Betriebsrat bekannt vor? Müssen Sie dort auch nach außen Einigkeit demonstrieren, und hinter den Kulissen Ihres Gremiums „knarzt und kracht“ es? Wie Sie sehen: das kommt in den besten Familien vor. Wenn der Konflikt innerhalb des Betriebsrates oder mit dem Arbeitgeber allerdings überhandnimmt, kommen Sie bisweilen nicht um die Entscheidung drumrum: der Störenfried im Betriebsrat muss weg!
Können Sie als Betriebsrat ein Mitglied nicht einfach hinauswerfen?
Nein, einfach macht es Ihnen der Gesetzgeber bei der Umsetzung einer solchen weitreichenden Entscheidung nicht. Betriebsratsmitglieder haben eine starke Position. Grundsätzlich haben Ihre Kollegen in der Belegschaft Sie für die gesamte Dauer Ihrer Amtszeit als Betriebsrat gewählt, also in der Regel für vier Jahre. In dieser Zeit und für ein weiteres Jahr nach Ausscheiden aus dem Betriebsratsamt sind Sie als Betriebsratsmitglied sehr weit geschützt. Ihr Arbeitgeber kann Sie dann beispielsweise grundsätzlich nur in Ausnahmefällen außerordentlich kündigen, und auch dies nur mit Zustimmung des Betriebsrates.
Heißt das, ein Betriebsratsmitglied genießt Bestandsschutz im Amt?
Nein, das heißt es nicht. Es muss aber eine grobe Pflichtverletzung vorliegen, bevor man ein Betriebsratsmitglied aus dem Amt entfernen kann. Damit nicht genug: die Pflichtverletzung muss überdies in die Zukunft hineinwirken. Das dürfte nicht so einfach nachzuweisen sein.
Was heißt „grobe Pflichtverletzung“?
Grobe Pflichtverletzungen sind grobe Verstöße, die objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sind. Nur sie können einen Ausschluss begründen. Solche Pflichtverletzungen eines Betriebsrats können sein:
- Beschimpfung, Diffamierung und Verunglimpfung des Arbeitgebers,
- Aufruf zu wildem Streik oder zur Reduzierung der Arbeitsleistung,
- Falsche Angaben zu Arbeitszeiten als Betriebsratsmitglied,
- Nachhaltige Störung des Betriebsfriedens z.B. durch Nutzung der Betriebsversammlung als parteipolitische Veranstaltung,
- Forderung von Sondervergütungen,
- Heimlicher und unberechtigter Einblick in Personalakten oder eigennützige Nutzung von Informationen wie beispielsweise Gehaltslisten, die Betriebsratsmitglieder vertraulich erhalten haben,
- Nachhaltige Untätigkeit und Verweigerung der Erledigung von Betriebsratsaufgaben,
- Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht,
- Handgreiflichkeiten gegen Kollegen in einer Betriebsratssitzung.
Weitere Ausschlussgründe können sich aus der besonderen Funktion ergeben, beispielsweise wenn Sie als Betriebsratsvorsitzender es etwa unterlassen, notwendige Sitzungen einzuberufen. Andere Beispiele wären untragbare Äußerungen mit Bezug zum Nationalsozialismus (z.B. „Methoden wie 33“, LAG Hessen, Urteil v. 23.5.2013, Az.: 9 TaBV 17/13).
Können Pflichtverletzungen beispielsweise auch verjähren?
Verjähren ist der falsche Ausdruck. Es geht hierbei weniger um die Vergangenheit. Weniger der Rückblick ist entscheidend. Es geht nicht darum, vergangenes Fehlverhalten zu sanktionieren. Vielmehr will das Betriebsverfassungsgesetz in seinem § 23 zukünftige Amtspflichtverletzungen verhindern. Will heißen: damit Sie ein Betriebsratsmitglied wegen einer Pflichtverletzung aus dem Gremium ausschließen können, muss die Gefahr bestehen, dass Ihr Betriebsratskollege rückfällig werden und die Pflichtverletzung wiederholen könnte. Aus diesem Grund verweigerten z.B. die Richter des Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen den Ausschluss eines ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden. Er habe zwar grobe Pflichtverletzungen begangen. Aber da er mittlerweile als Vorsitzender abgewählt sei, könne von einer Wiederholungsgefahr keine Rede sein (LAG Hessen, Beschluss vom 23.02.2017, 9 TaBV 140/16). Er durfte also einfaches Betriebsratsmitglied bleiben.
Wie können Sie als Betriebsrat ein Mitglied ausschließen?
Eine Antwort auf diese Frage gibt beispielshaft eine Entscheidung des LAG München. In dem ihm vorliegenden Fall hatte ein Betriebsratsmitglied an zahlreichen Sitzungen unentschuldigt gefehlt. An den wenigen Sitzungen, an denen es teilgenommen hatte, verweigerte es jede Mitarbeit. Der Betriebsrat sah damit das Vertrauen in eine künftig ordnungsgemäße Amtsführung als zerstört an und strengte ein Ausschlussverfahren an. Der Betriebsrat schloss das Betriebsratsmitglied aus, woraufhin dieses klagte. Das Betriebsratsmitglied nahm dann wieder an zwei Sitzungen teil und schloss vor Gericht einen Vergleich mit dem Betriebsrat. Der Kollege sagte zu, ab sofort regelmäßig teilzunehmen und mitzuarbeiten, was er aber nicht tat. Ein halbes Jahr nahm er an keiner Sitzung mehr teil und arbeitete in keiner Weise mit. Daraufhin strengte der Betriebsrat ein weiteres Ausschlussverfahren an. Zur Begründung führte der Betriebsrat an:
- Die Wiederholungsgefahr sei gegeben. Sie ergebe sich aus der großen Anzahl von Sitzungen, an denen das Betriebsratsmitglied nicht teilgenommen hatte.
- Außerdem hätte das Betriebsratsmitglied seine Versprechungen aus dem vorhergehenden Vergleich nicht eingehalten.
- Aufgrund des ständigen unentschuldigten Fernbleibens sei es dem Betriebsratsvorsitzenden nicht möglich, Ersatzmitglieder einzuladen. Dies gefährde die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats.
Der betreffende Betriebsratskollege hielt dagegen, er hätte wirtschaftliche Nachteile aus dem Wegfall von Schichtzulagen. Außerdem habe man ihn zu kurzfristig zu den Sitzungen eingeladen. Das alles ließen die Richter aber nicht gelten (LAG München, Urteil v. 17.01.2017, 6 TaBV 97/16).
Können Sie ein Betriebsratsmitglied nach einer Neuwahl ausschließen?
Nein, jedenfalls nicht wegen einer in der abgelaufenen Amtszeit begangenen groben Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten, sondern nur nach solchen, die in der aktuellen Amtsperiode stattgefunden haben. Das hat das Bundesarbeitsgericht 2016 entschieden (BAG, Beschluss vom 27.07.2016, Az.: 7 ABR 14/15). Pflichtverletzungen des Betriebsrats vor der letzten Wahl spielen deshalb keine Rolle und können nicht zum Ausschluss führen. Dies gilt übrigens, egal ob die Pflichtverletzung aus einer vorangegangenen Amtszeit Auswirkungen auf die neue Amtszeit hat.
Können auch andere ein Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausschließen lassen?
Ja, Arbeitgeber, Gewerkschaften oder 25 Prozent der Belegschaft können nicht nur gegen den Betriebsrat als Ganzes vorgehen. Sie können auch gezielt den Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds betreiben, eine Gewerkschaft auch dann, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied nicht deren Mitglied ist. Dafür gibt es das Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht. Die Betreiber des Ausschlusses können ihn beantragen, wenn ein Betriebsratsmitglied gegen die gesetzlichen Amtspflichten verstößt. Ein Arbeitgeber wird sich dabei darauf berufen, dass in Zukunft eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. Das Gericht wird dann prüfen, ob dies tatsächlich anzunehmen ist oder hier nur eine angebliche Pflichtverletzung vorgeschoben ist.
Was ist bei der Beschlussfassung zu beachten?
Das betroffene Betriebsratsmitglied darf weder an der Beratung noch an der Beschlussfassung teilnehmen. Wenn das betroffene Mitglied an der Beschlussfassung dennoch teilnimmt, ist der Beschluss unwirksam (BAG v. 3.8.1999 – 1 ABR 30/98). Als Betriebsrat müssen Sie ein Ersatzmitglied laden. Allerdings muss das Ersatzmitglied schon einmal ein ordentliches Mitglied vertreten haben. Ansonsten sind eine Amtspflichtverletzung und damit ein Ausschluss nicht möglich. Ersatzmitglieder können Sie auf gleiche Weise wie ordentliche Mitglieder ausschließen. Damit verhindern Sie ein Nachrücken.
Für die Beschlussfassung genügt eine einfache Mehrheit im Gremium. Allerdings müssen Sie als Betriebsrat Ihren Antrag sehr gut begründen, damit er bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung Bestand hat. Ein allgemeiner Hinweis, die Zusammenarbeit sei nicht mehr zumutbar, genügt nicht. Sie als Betriebsrat müssen darlegen, dass die weitere Amtsausübung des Mitglieds die Funktionsfähigkeit des Gremiums deutlich beeinträchtigt oder gar unmöglich macht. Sie müssen dem betroffenen Mitglied ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geben.