Aus für Leiharbeiter ist keine Betriebsänderung
Leiharbeiter werden mittlerweile bei einer Vielzahl von Schwellenwerten wie Stammkräfte berücksichtigt, z. B. wenn es um die Größe des Betriebsrats oder die Anzahl der Freistellungen geht. Keine Rolle spielen Leiharbeiter hingegen bei Betriebsänderungen, weil sie nicht zur Belegschaft im Sinne von § 111 BetrVG zählen.
Worum geht es?
Ein in der Automobilbranche tätiges Logistikunternehmen beschäftigt rund 400 Arbeitnehmer. 100 davon sind Leiharbeitnehmer. Im Januar 2018 stellte die Geschäftsführung dem Betriebsrat ihren Plan vor, künftig von 172 Fahrzeugkomponenten nur noch 28 Fahrzeugkomponenten zu betreuen und Tätigkeiten in ein anderes Gebäude zu verlagern. Der Betriebsrat behauptete, durch diese Änderungen würden nach und nach über 250 Beschäftigte ihre Jobs verlieren. Die Arbeitgeberin meinte, dass sie bereits vor der Einleitung von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen befugt sei, die Bearbeitung einzelner Fahrzeugkomponenten einzustellen und Leiharbeitnehmer zu entlassen. Der Betriebsrat war damit nicht einverstanden und beantragte vor dem zuständigen Arbeitsgericht, der Arbeitgeberin die Abgabe der Fahrzeugkomponenten und die Entlassung der Leiharbeitnehmer zu untersagen, solange noch kein Interessenausgleich über die angekündigte Betriebsänderung abgeschlossen worden sei oder die Verhandlungen hierüber in der Einigungsstelle gescheitert seien.
Das sagt das Gericht
Das Gericht entschied gegen den Betriebsrat. Selbst wenn man grundsätzlich die Existenz eines Unterlassungsanspruchs im Hinblick auf die Umsetzung einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG annähme, lägen dessen Voraussetzungen hier nicht vor, weil in der Entlassung von Leiharbeitnehmern nicht die Umsetzung einer Betriebsänderung gesehen werden könne, argumentierte das Gericht. Denn eine Betriebsänderung sei dadurch charakterisiert, dass durch ihre Umsetzung wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile davon entstünden. Soweit Leiharbeitnehmer von der geplanten Maßnahme betroffen seien, gehörten diese nicht zur Belegschaft im Sinne von § 111 BetrVG, weil Leiharbeitnehmer bei einem Personalabbau im Entleiherbetrieb ja ihren Vertragsarbeitgeber behielten und deshalb der Interessenausgleich und Sozialplan im Entleiherbetrieb ohnehin für sie regelmäßig keine Geltung entfalte. Hessisches LAG, Beschluss vom 13.03.2018, Az.: 4 TaBVGa 32/18
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Auf den Punkt gebracht bedeutet die Entscheidung Folgendes: Der Abbau von Leiharbeitern kann nicht für das Vorliegen einer Betriebsänderung ausschlaggebend sein, weil Leiharbeiter nicht zur Belegschaft im Sinne von § 111 BetrVG zählen, wenn es um die Frage geht, ob die Betriebsänderung Nachteile für die Belegschaft haben wird. Streng davon zu unterscheiden ist der Schwellenwert in § 111 Satz 1 BetrVG („…in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern…“). Hier hat das BAG bereits 2011 entschieden, dass Leiharbeiter im Entleiherbetrieb wie betriebsangehörige Beschäftigte zu berücksichtigen sind, sofern sie länger als drei Monate im Betrieb des Entleihers beschäftigt werden (BAG vom 17.03.2016, Az.: 2 AZR 182/15).
Internet Tipp: Hintergrund-Infos zur Betriebsänderung
Wer mehr zum Thema Betriebsänderung erfahren möchte, findet im Heftarchiv unter www.urteilsticker-betriebsrat.de die aktuelle Sonderausgabe 12/2019, die sich intensiv mit der Rolle des Betriebsrats bei einer geplanten Betriebsänderung auseinandersetzt und dabei insbesondere die Aufgaben, Rechte und Handlungsoptionen des Gremiums skizziert.