Arbeitsmedizinische Gutachten: Das sollten Sie als Betriebsrat wissen
Wenn Kollegen öfter krank sind, ist das für alle Beteiligten eine schwierige Situation. Umso verfahrener wird es, wenn eine Einordnung des Beschäftigten in die betrieblichen Abläufe kaum noch möglich ist. In solchen Fällen braucht nicht nur der Arbeitgeber Klarheit – auch die Kollegen und (hoffentlich) der Betroffene selbst sollten wissen, mit welchen Tätigkeiten der Arbeitnehmer betraut werden kann.
Geschäftsführung Betriebsrat. Kommt Ihnen das bekannt vor? Ein Kollege hat seinem Chef mehrere ärztliche Atteste vorgelegt, darunter auch solche, die vom Betriebsarzt ausgestellt wurden. Der Arbeitgeber steht auf dem Standpunkt, dass es für ihn gerade wegen der unterschiedlichen Atteste schwierig ist, dem Beschäftigten eine für ihn machbare und für den Betrieb sinnvolle Aufgabe zuzuweisen. Deshalb möchte er ein arbeitsmedizinisches Gutachten erstellen lassen. Dann würde nach Meinung des Arbeitgebers „endlich Klarheit herrschen und der Mitarbeiter könnte anschließend ohne Gefahren für seine Gesundheit eingesetzt werden“. Das hört sich zunächst gut an, aber ist es auch gut gemeint oder eine Falle für den Beschäftigten? In jedem Fall ist es spätestens jetzt ratsam, wenn dieser ein Mitglied des Betriebsrats unterstützend hinzuzieht.
Unterschiedliche Ausgangssituationen
Arbeitgeber können in verschiedenen Situationen Bewerber und Beschäftigte ärztlich durchchecken lassen: Weit verbreitet sind neben Untersuchungen im Rahmen der Einstellung vor allem Gutachten bei langer Krankheit. Hier ist der Hauptstreitpunkt in der Regel, ob der Mitarbeiter wirklich arbeitsunfähig ist. Schließlich kann es – so wie in diesem Fall – auch sein, dass der Arbeitgeber Zweifel daran hat, ob ein Arbeitnehmer infolge seines Gesundheitszustands die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung an dem bisherigen Arbeitsplatz auf Dauer erbringen kann. Dann darf der Arbeitgeber eine Untersuchung beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder, je nach Art des Beschäftigungsverhältnisses, bei einem Amtsarzt fordern.
Expertentipp: nur MDK kann Gutachten erstellen
Der Betriebsarzt kann kein arbeitsmedizinisches Gutachten erstellen, genauso wenig wie ein „beliebiger“ betriebsfremder Arzt. Hier hat der Arbeitgeber – anders als bei arbeitsmedizinischen Pflicht- oder Vorsorgeuntersuchungen – kein Wahlrecht, sondern muss sich an den MDK wenden.
Untersuchungsablauf beim MDK genau festgelegt
Der MDK kann die Arbeitnehmer einladen, um sie dann persönlich zu untersuchen und letztlich zu begutachten. Ein Sozialmediziner sollte bei diesem Termin die verschiedenen Aspekte der Arbeitsunfähigkeit genau besprechen. Nach der Untersuchung ist es Aufgabe des MDK, den Beschäftigten hinsichtlich weiterer Maßnahmen zu beraten. Beispielsweise kann der MDK-Arzt ein über die Krankenkasse finanziertes schrittweises Zurückkehren an den Arbeitsplatz als so genannte stufenweise Wiedereingliederung empfehlen. Der MDK-Arzt greift nicht in die Behandlung des behandelnden Arztes ein, steht aber ebenso für alle medizinischen Fragen zur Verfügung (siehe Expertentipp).
Hinweis: Der Arbeitgeber erfährt vom Arzt keine Details
Der untersuchende Arzt darf nur einige Informationen an den Arbeitgeber weitergeben; er bleibt an seine Schweigepflicht gebunden. Er teilt dem Betrieb mit, ob der Beschäftigte arbeitsunfähig ist oder nicht, wie die Prognose aussieht oder ob es sich bei fortgesetzten Krankschreibungen um jeweils unterschiedliche Erkrankungen oder die gleiche Erkrankung handelt. Konkrete Details zur Erkrankung oder Therapie darf er nicht weitergeben.
Arbeitnehmer sollten der Untersuchung grundsätzlich zustimmen
In der hier geschilderten Ausgangssituation hat der Arbeitgeber das Recht, ein arbeitsmedizinisches Gutachten durch den MDK anfertigen zu lassen. Und dies gilt selbst dann, wenn – wie in diesem Fall – der Kollege nicht untersucht werden möchte. Das dürfte ihm jedoch nicht helfen: Arbeitnehmer sind nämlich verpflichtet, bei einer solchen Begutachtung durch einen zuständigen Arzt mitzuwirken. Im Zweifel können Betroffene aber durch einen Anwalt prüfen lassen, ob der Arbeitgeber wirklich begründete Zweifel an der Tauglichkeit des Arbeitnehmers haben kann. Das heißt, der Arbeitgeber darf nicht willkürlich oder aus Schikane zur Untersuchung schicken. Kollegen müssen nur teilnehmen, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann. Dies dürfte aber in unserem Fall gegeben sein, sodass der Mitarbeiter sich nicht weigern kann. Tut er es dennoch, riskiert er zumindest eine Abmahnung und mittelfristig eventuell auch eine Kündigung.
Hinweis: MDK ist nicht der Feind des Arbeitnehmers
Gerade über den MDK gibt es viele widersprüchliche Geschichten und Erfahrungswerte. Sicher könnte man vermuten, dass es im Interesse des MDK liegt, einem Beschäftigten eine möglichst hohe Arbeitsfähigkeit zu attestieren, schließlich spart er damit das Geld der Krankenkassen. Aber es ist in aller Regel auch nicht zutreffend, im MDK gleich „den Feind“ zu erblicken.