15.06.2022

Als Betriebsrat Gespräche zielgerichtet steuern

Online oder persönlich, spontan oder geplant, zu zweit oder zu mehreren: Gespräche kommen in unterschiedlichen Situationen zustande und lassen sich mal mehr, mal weniger gut bewältigen. Bei aller Flexibilität, die Ihnen abverlangt wird: Es gibt einige Grundregeln, die Ihnen bei einer erfolgreichen Gesprächsführung helfen können. Wichtig ist vor allem der flexible Umgang mit Ihren Gesprächszielen.

Gespräche führen als Betriebsrat

Bevor Sie sich damit beschäftigen, wie Sie Gespräche erfolgreich führen, denken Sie über Zeit und Ort nach. Oft führen Gespräche nicht zum gewünschten Ergebnis, weil sie unter ungünstigen Bedingungen geführt wurden.

Ermitteln Sie den Zeitbedarf

Wenn die Betriebsratssitzung in wenigen Minuten zu Ende ist, hat es offensichtlich wenig Sinn, eine Diskussion über die Strategie der kommenden vier Jahre zu beginnen. Und wenn Sie mit einem Vertreter der Geschäftsleitung zwei Stunden Gesprächszeit vereinbart haben, wäre es Verschwendung, nur ein kurzes Gesprächsthema mitzubringen.

Damit ein Gespräch etwas bringt, muss also im Vorfeld der Zeitbedarf für ein Thema realistisch eingeschätzt werden. Dann können Sie es zum passenden Zeitpunkt anbringen bzw. schon bei der Terminvereinbarung anmelden: „Wir brauchen vermutlich 30 Minuten, um darüber zu sprechen.“

Aber wie lässt sich der Zeitbedarf kalkulieren?

Grob können Sie danach gehen, ob Sie das Thema mit einer offenen oder geschlossenen Frage beschreiben können.

  • Offen: Welche Themen werden in der kommenden Betriebsversammlung präsentiert?
  • Geschlossen: Werden wir die Umfrage zur Arbeitszeit oder den Standpunkt zur Betriebsvereinbarung über mobile Arbeit präsentieren?

Je offener die Frage, desto länger wird das Gespräch voraussichtlich dauern. Je geschlossener, desto weniger Zeit werden Sie benötigen. Sie können das natürlich beeinflussen, indem Sie das Thema bei begrenzter Zeit als geschlossene Frage definieren, mit mehr Zeit eine offene Frage einbringen.

Weitere Parameter sind:

  • Vorwissen der Gesprächspartner: Je weniger davon vorhanden ist, desto länger dauert es, eine gemeinsame Wissensbasis herzustellen.
  • Stand der Diskussion: Wurde vorher schon einmal das Für und Wider einer Entscheidung abgewogen, kommen die Gesprächspartner schon mit einer klaren Haltung ins Gespräch. Das führt schnell zur Klärung (z.B. Einigung oder keine Einigung). Auch hier können die Beteiligten im Vorfeld (z.B. durch Telefonate vor Treffen) darin unterstützt werden, sich eine Haltung zum Thema zu erarbeiten.
  • Ergebnisdruck: Dieser besteht darin, dass die Beteiligten aus externen Gründen (z.B. formale Frist des Betriebsrats für eine Stellungnahme) zu einem Ergebnis kommen müssen. Dieser Druck kann den Zeitbedarf sowohl verkürzen (alle sind kooperativ und suchen gemeinsam nach einer Lösung) als auch verlängern. Letzteres ist der Fall, wenn sich keine Einigung finden lässt, das Gespräch aber nicht beendet werden kann, weil ein Ergebnis erzielt werden muss.

Fragen Sie sich immer: Wollen alle Beteiligten wirklich, dass beim Gespräch etwas herauskommt? Wenn nicht, definieren Sie den Zeitbedarf von Anfang an kurz.

Ziel passend zu den Menschen

Sie können das Gesprächsziel an die Gesprächspartner anpassen: Wenn Sie zufällig Zeit mit dem Assistenten der Geschäftsführung verbringen (z.B. beim Warten auf den Beginn einer Sitzung) versuchen Sie nicht, ihn von Ihrem Thema zu überzeugen. Setzen Sie sich stattdessen das Ziel, die Beziehung zu ihm durch einen interessanten Smalltalk zu stärken und damit die Tür für künftige Anliegen offenzuhalten.

Suchen Sie die richtigen Partner

Auch die Wahl der beteiligten Personen entscheidet darüber, ob ein Gespräch erfolgreich verläuft. Dieser Umstand wird häufig übersehen und es wird viel Zeit in Gespräche mit den falschen Leuten investiert. So nützt es wenig, wenn Sie die Führungskraft in der Logistik davon überzeugen wollen, dass eine flexible Arbeitszeit auch in der Produktion gelten sollte – für diese ist das einfach irrelevant. Dies gilt auch für den Assistenten der Geschäftsleitung, der sich Ihre Argumente vielleicht verständnisvoll anhören wird, aber keinerlei Entscheidungsbefugnis hat.

Seien Sie spontan

Wie bei allen Aktivitäten gilt auch für Gespräche, dass man ein Ziel nicht erreichen kann, wenn man keines hat. Das kostet nur wertvolle Zeit. Ein passendes Ziel für ein Gespräch lässt sich auch spontan finden:

  • Sie begegnen im Aufzug einem neuen Auszubildenden. Das Ziel: Dem Azubi vermitteln, dass Betriebsratsmitglieder aufgeschlossen und interessiert sind. Deshalb stellen Sie sich kurz vor und fragen, wie es so läuft.
  • Sie haben in der Betriebsratssprechstunde einen wütenden Arbeitnehmer vor sich. Das Ziel: Sie bieten ihm die Möglichkeit, sich zu entlasten und wollen erfahren, was los ist. Dann vereinbaren Sie einen zweiten Termin, in dem ein vernünftiges Gespräch möglich ist.

Wichtig ist, dass Sie ein grundsätzliches Ziel haben, z.B. der Betriebsöffentlichkeit einen guten Eindruck vom Betriebsrat vermitteln, eine hilfreiche Beratung in der Betriebsratssprechstunde bieten. Passen Sie dieses dann an die Situation an.

Arbeiten Sie mit Einzelzielen

Nun sind nicht alle Ziele spontan oder nur als Rahmenziel vorhanden. Vielmehr gibt es auch Gespräche, in denen Sie ein Einzelziel verfolgen, das Ihnen wichtig ist. Wenn Sie z.B. als Betriebsratsvorsitzender mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung ausgehandelt haben, möchten Sie in der Betriebsratssitzung natürlich erreichen, dass die Mehrheit (oder besser eine große Mehrheit) zustimmt. Setzen Sie Meilensteine auf dem Weg zur gewünschten Entscheidung: Sie präsentieren die Betriebsvereinbarung in der Betriebsratssitzung, es folgt eine Aussprache, dann die Abstimmung.

  • Wenn die Inhalte der Betriebsvereinbarung vorher schon ausführlich besprochen bzw. bekannt gegeben wurden, können Sie die Präsentation kurzhalten und mehr Zeit für die Aussprache einplanen. Dieses Vorgehen werden Sie wählen, wenn es starke Widerstände gibt und Sie Zeit brauchen, um Zweifler vom Verhandlungsergebnis zu überzeugen.
  • Ist nur von einzelnen Personen mit Widerstand zu rechnen, können Sie die Präsentation länger halten, um der Gegenposition wenig Raum für ihre Argumente zu geben. Zu dieser Strategie passt es, wenn Sie für die Betriebsratssitzung weitere Themen einplanen. Damit schaffen Sie Zeitdruck, schnell zur Abstimmung zu kommen.

Passen Sie die taktischen Ziele der jeweiligen Gesprächssituation an, ohne Ihr Detailziel aus den Augen zu verlieren. Zeigt sich z.B. in der Sitzung, dass der Widerstand gegen die Betriebsvereinbarung groß ist und Ihre Überzeugungskraft nicht ausreicht, setzen Sie sich das neue taktische Ziel, die Abstimmung bis zur nächsten Sitzung zu vertagen. Suchen Sie in der Zwischenzeit das Gespräch mit den Zweiflern.

5 Tipps für erfolgreiche Gespräche

  • Gespräche ohne Ziel sind verlorene Zeit. Setzen Sie sich für jedes Gespräch, sei es noch so spontan, ein Ziel.
  • Unterscheiden Sie zwischen dem taktischen Ziel im Gespräch und den großen und strategischen Zielen, die Sie mittel- und langfristig verfolgen.
  • Prüfen Sie stets, ob das Gesprächsziel zum Gesprächspartner passt. Wenn nicht, ändern Sie eines von beiden.
  • Strukturieren Sie Ihre Gespräche und prüfen Sie auf der Basis des Gesprächsziels, welchen Phasen Sie wieviel Raum geben wollen.
  • Strategische Ziele sind Ihre Leuchttürme, die Ihnen auch in schwierigen Gesprächen die richtige Richtung weisen.

Behalten Sie Ihre Ziele im Blick

Unabhängig davon, welche Absicht Sie in Gesprächen verfolgen, sind damit immer strategische Ziele verbunden:

  • Gegenüber der Geschäftsleitung: Den Betriebsrat als kompetente und zuverlässige Betriebspartei präsentieren.
  • Gegenüber Arbeitnehmern: Den Betriebsrat als zugewandte und an den Beschäftigten interessierte Institution positionieren.
  • Gegenüber Betriebsratsmitgliedern: Den Betriebsrat als aktives Gremium zeigen, in dem die einzelnen Mitglieder ihre Vorstellungen verwirklichen und interessante Aufgaben übernehmen können.
  • Strategische Ziele gibt es nicht nur für den Betriebsrat insgesamt, sondern auch für einzelne Personen, z.B. den Betriebsratsvorsitzenden:
  • Führungsstärke zeigen und dabei möglichst viele Betriebsratsmitglieder „mitnehmen“.
  • Anerkennung bei der Geschäftsleitung erringen (kompetenter Gesprächspartner).
  • Bei Beschäftigten bekannt und geschätzt sein und damit die Wiederwahl sichern.

Persönliche Interessen haben Platz

Gerade Betriebsratsmitglieder, die seit der letzten Wahl neu im Betriebsrat sind, fühlen sich den „großen“ Zielen der Betriebsratsarbeit verpflichtet und sehen sich in einer dienenden Rolle. Das ist nicht falsch; aber es ist gerade für diese Betriebsratsmitglieder wichtig zu wissen, dass eigene Ziele (z.B. interessante Aufgaben übernehmen, Neues lernen) nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig sind. Wer ausschließlich „der Sache dient“, wird früher oder später ausbrennen. Wer dagegen im Blick hat, auch selbst von der Betriebsratsarbeit zu profitieren, wird langfristig bei der Stange bleiben.

Autor*in: Martin Buttenmüller (ist Journalist und Chefredakteur des Fachmagazins Betriebsrat INTERN.)