Als Betriebsrat den Sozialplan gestalten: So können Rentenbrücken helfen
Oft werden Sie als Betriebsrat von älteren Kollegen gefragt, ob es Möglichkeiten gibt, frühzeitig in Rente zu gehen. Im Normalbetrieb gibt es jedoch weder adäquate Lösungsansätze noch ein hierfür bereitstehendes Budget. Die Altersteilzeitmodelle sind nur noch in wenigen Branchen vorhanden. Durch einen anstehenden Arbeitsplatzabbau entsteht für den Betriebsrat die Möglichkeit, ältere, rentennahe Kollegen in eine vorzeitige Rente zu schicken – und dennoch dafür zu sorgen, dass sie sozial abgesichert sind.
Mitbestimmung. Akut werden kann das Bauen sogenannter Rentenbrücken vor allem bei der Verhandlung von Sozialplänen nach § 112 BetrVG, also immer dann, wenn Betriebsänderungen anstehen. Der Sozialplan wird zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart. Deshalb ist es für Arbeitnehmervertreter hilfreich, die Grundzüge solcher flexiblen Vorruhestandsmodelle zu kennen. Diese können für ältere Kollegen eine sinnvolle Option sein, falls die Rahmenbedingungen stimmen.
Lösung: kreative Vorruhestandsmodelle
Um interessierte Kollegen möglichst gut auf ihrem Weg in die vorzeitige Rente zu begleiten, gibt es mehrere Faktoren, die hierfür wichtig ist. Es besteht die Option, sich die im Sozialplan vereinbarten Abfindungen nicht einmalig, sondern monatlich auszahlen zu lassen. Mit dieser Basis lassen sich oft tragfähige Brücken vom Ausscheidungszeitpunkt bis zum Renteneintritt bauen.
Tipp: Als Betriebsrat einen Sachverständigen hinzuziehen
Die Modelle der Rentenbrücke sehen in der Regel vor, dass eine Transfergesellschaft gegründet wird, in die die betreffenden Mitarbeiter übernommen werden. Die Sozialplanverhandlungen dazu zu führen und die Transfergesellschaft zu etablieren, sind äußerst komplexe Aufgaben. Daher ist es ratsam, dass sich Betriebsräte hier Hilfe von Experten holen. Das Recht dazu ergibt sich zum einen aus § 111 Satz 2 BetrVG und zum anderen aus dem allgemeinen Recht auf Hinzuziehung eines Sachverständigen aus § 80 Abs. 3 BetrVG.
Optimale Vorarbeit nötig – auch vom Betriebsrat
Wenn Arbeitgeber und Betriebsräte über Betriebsänderungen und Personalabbau reden müssen und mögliche Rentenbrücken zum Thema werden, ist eine erfolgreiche Lösung nur dann denkbar, wenn diese professionell und gründlich vorbereitet wird. So ist mit Experten zunächst die Altersstruktur des Unternehmens zu prüfen. Dabei werden für rentennahe Kollegen, üblicherweise ab einem Alter von 58 Jahren, die Möglichkeiten eines sowohl für das Unternehmen als auch für den Mitarbeiter finanziell verträglichen Übergangs in die Rente erarbeitet. Dies geschieht z. B. durch Kostensimulationen, um für den Arbeitgeber verlässliche Zahlen ermitteln zu können, und durch Proberechnungen, die Betriebsräten und Arbeitnehmern einen Eindruck davon verschaffen, was für die Vorruheständler realistisch zu erwarten ist. Geht es dann an die konkrete Formulierung des Sozialplans, sind Sachverständige in der Regel ebenfalls unverzichtbar. Das hierfür nötige Fachwissen ist wohl eher selten bei Arbeitgeber und Betriebsrat ausreichend vorhanden. So kann etwa auch sichergestellt werden, dass von der Bundesagentur für Arbeit förderfähige Maßnahmen, wie z. B. Transferagentur und Transfergesellschaft, rechtzeitig berücksichtigt werden.
Reden Sie als Betriebsrat mit den Kollegen
Sind Berater beauftragt, um Rentenbrücken in Sozialplänen zu verankern, führen diese in der Vorbereitung Informationsgespräche mit geeigneten bzw. interessierten Mitarbeitern, um Daten und Fakten zu sammeln. Hierbei geht es u. a. um folgende Punkte:
- Alter
- Prüfung der Rentenauskunft, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind
- möglicher Rentenbeginn
- Errechnen des Rentenverlustes
- Erstellen eines persönlichen und lückenlosen Zeitstrahls
Praxistipp: Die Kollegen informieren
Es ist ratsam, die geplanten Vorhaben frühzeitig und umfassend an die Belegschaft zu kommunizieren. So kann etwa eine Infoveranstaltung für die Mitarbeiter durchgeführt werden. Zusätzlich können weitere Materialien wie Handbücher oder Flyer mit den wichtigsten Fakten und FAQs erstellt und verteilt werden. Vorgestellt werden sollten der externe Berater, der meist federführend die Transfergesellschaft organisiert, und der Ablauf des Projekts im Einzelnen.
Übersicht: Entscheidende Fragen für die Kollegen
Die Kollegen, für die Rentenbrücken infrage kommen, sollten von den Verantwortlichen u. a. Antworten auf diese wichtigen Fragen bekommen:
- Wie hoch ist das monatliche Nettoeinkommen ab dem Austritt aus dem Unternehmen bis zum Rentenbeginn?
- Was bleibt von der Bruttoabfindung netto?
- Wie wirken sich die geringeren Beitragszahlungen an die Deutsche Rentenversicherung Bund während der Rentenbrücke finanziell auf die Rente aus?
- Welche Pflichten haben die Arbeitnehmer während der Überbrückungszeit?
- Gibt es während des Überbrückungszeitraums Beratungs- und Unterstützungsangebote?
- Wie sind die Kollegen während der Rentenbrücke in der Kranken- und Rentenversicherung abgesichert? Hier ist gesetzlich vorgesehen, dass eine Kranken- und Rentenversicherungspflicht besteht.
- Wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet? In der Regel nicht, es sei denn das Arbeitsverhältnis wird vor dem Ende der normalen Kündigungsfrist beendet.
Modell 1: vollfinanzierte Rentenbrücke durch den Arbeitgeber
Grundsätzlich gibt es zwei Modelle für tragfähige Rentenbrücken. Welches besser geeignet ist, hängt jeweils von den konkreten Rahmenbedingungen ab. Beim vollfinanzierten Überbrückungszeitraum bis zum Renteneintritt wird den Mitarbeitern angeboten, für die Zeit bis zum gesetzlichen Rentenalter z. B. auf Basis von 80 % ihres bisherigen Nettogehaltes in einer Transfergesellschaft angestellt zu werden. Der Vorteil für den rentennahen Mitarbeiter liegt dabei in einer finanziellen Planungssicherheit bis zur Rente. Er muss keine Arbeitsleistung mehr erbringen und ist bis zum Renteneintritt sozialversichert. Auch für den Arbeitgeber kann das attraktiv sein: Er hat klar kalkulierbare Kosten und erreicht einen Personalabbau bzw. -wechsel, da der rentennahe Mitarbeiter aus seinem Betrieb ausscheidet und mit seinem Arbeitsverhältnis in die Transfergesellschaft wechselt.
Modell 2: teilfinanzierte Rentenbrücke mithilfe der Agentur für Arbeit
Das für ein Vorruhestandsmodell zur Verfügung stehende Budget kann durch Mittel der Agentur aufgestockt werden. Mit finanzieller Unterstützung des Unternehmens können die Betroffenen für die Dauer von zwölf Monaten in eine Transfergesellschaft eintreten und für diesen Zeitraum insgesamt 80 % ihres Nettogehalts erhalten. Da in diesem Szenario ein Teil der Lohnkosten von der Bundesagentur für Arbeit in Form von Transferkurzarbeitergeld erstattet wird, entstehen in dieser Phase deutlich weniger Kosten für das Unternehmen. Sollte der Mitarbeiter während der Phase in der Transfergesellschaft keine neue Anstellung finden, hat er Anspruch auf ALG 1 für die maximale Dauer von 24 Monaten. Um in diesem Zeitraum eine ausreichende finanzielle Absicherung zu gewährleisten, wird der Aufstockungsbetrag bereits vor Aufhebung des Arbeitsverhältnisses berechnet und bei Ausscheiden aus dem Unternehmen in Form von einer Abfindung ausbezahlt.
Hinweis: fehlende Monate können überbrückt werden
Fehlen noch einige Monate bis zum Renteneintritt, können diese durch eine Phase der Wertguthabenverwaltung überbrückt werden. Hierbei wird die Abfindung durch eine Gehaltsabrechnung monatlich an den Kollegen ausbezahlt.
Der konkrete Ablauf muss geplant werden
Um Kollegen eine Rentenbrücke zu ermöglichen, muss der Arbeitgeber unter Beteiligung von Experten zunächst eine Transfergesellschaft errichten und dabei die Förderungsangebote der Agentur für Arbeit nutzen. Das Ganze muss nach einem festgelegten Zeitplan passieren. Im Zuge der Vorbereitung ist auch zu klären, ob bestimmte rentennahe Kollegen auf der Basis eines Freiwilligenprogramms teilnehmen können bzw. wollen und wo unter Umständen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden müssen. Schließlich muss die (finanzielle) Ausstattung der Transfergesellschaft verhandelt werden. Auch Punkte wie etwaige Aufstockungen der Zahlungen durch den Arbeitgeber, der Starttermin, die Laufzeit der Gesellschaft sind zu klären.
So funktioniert der dreiseitige Vertrag
Die Arbeitnehmer, die in der Transfergesellschaft die Zeit bis zum Renteneintritt überbrücken, unterzeichnen zunächst einen Aufhebungsvertrag mit dem Unternehmen, ihrem bisherigen Arbeitgeber. Dieser Aufhebungsvertrag sieht regelmäßig eine Abfindung vor, die in Form eines Wertguthabens monatlich an den Beschäftigten ausbezahlt wird. Anschließend schließt der Mitarbeiter einen Beschäftigungsvertrag mit der Transfergesellschaft ab. Diese wiederum hat einen Vertrag mit dem Unternehmen.
Die Autorinnen: Rechtsanwältin und Journalistin Silke Rohde, Chefredakteurin von Betriebsrat KOMPAKT, und Sabine Kanbach-Reichert, Beraterin für Arbeitnehmer, Betriebsräte & Gewerkschaften bei der PMB International GmbH, Böblingen. Weitere Informationen gerne unter s.kanbach-reichert@pmbi.de