Als Betriebsrat aktiv gegen Sexismus und sexuelle Belästigung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) spricht eigentlich eine klare Sprache: Wer Frauen sexistisch behandelt oder gar sexuell belästigt, kann bestraft werden und unter Umständen seinen Arbeitsplatz verlieren. Erfahren Sie hier, wie der Betriebsrat aktiv werden kann.
Geschäftsführung Betriebsrat. Der sogenannte Weinstein-Skandal zieht weite Kreise. Auch hier in Deutschland weisen immer mehr Frauen unter dem Motto „#MEE TOO“ in sozialen Medien wie Twitter darauf hin, dass auch sie Opfer von Übergriffen geworden sind. Das passt zu Untersuchungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die zeigen, dass jede zweite Frau schon einmal sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt hat. Selbstverständlich lehnt der Betriebsrat jede Form von Diskriminierung, also auch sexuelle Diskriminierung ab. Doch stellt sich immer häufiger die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten er über Bekenntnisse und Appelle hinaus noch hat.
Mit Sexismus fängt es an
Das AGG will Frauen nicht nur vor sexueller Belästigung schützen, sondern auch vor Sexismus. Was das ist? Im Wesentlichen ist damit gemeint, dass mit einer Person aufgrund ihres Geschlechts Eigenschaften verbunden oder ihr Kompetenzen abgesprochen werden. Das Gesetz besagt aber klar, dass niemand auf Grund seines Geschlechts benachteiligt werden darf. Sexismus muss keineswegs feindselig sein, vielmehr gehören dazu auch Sprüche wie „Bei dir sind die Männer doch gleich viel interessierter“. Solche Aussagen reduzieren eine Person auf ihr Geschlecht und bereiten den Boden für sexuelle Belästigungen. Eine sexistische Haltung kann bei Männern (und auch bei Frauen) unbewusst vorhanden sein. In vielen Fällen jedoch ist Sexismus auch ein Werkzeug, um das Gegenüber einzuschüchtern und sich Macht zu sichern.
Weites Feld, fließende Übergänge
Sexuelle Belästigung stellen sich viele als eindeutige Angebote zu sexuellen Handlungen oder gar als Nötigung vor. Doch die Erscheinungsformen sind wesentlich vielfältiger. Laut AGG handelt es sich bei jedem unerwünschten sexuellen Verhalten, das die Würde einer Person verletzt, um sexuelle Belästigung. Dazu gehört z.B. schon ein Wandkalender mit Fotos von nackten Frauen. Der Übergang vom Sexismus zur sexuellen Belästigung ist also durchaus fließend. Eine Schwelle wird häufig durch das Erzählen sexistischer Witze überschritten. Weiter geht es mit anzüglichen Komplimenten und Bemerkungen über Aussehen und Verhalten. Scheinbar zufällige Berührungen, das Zeigen von sexuellen bzw. pornografischen Darstellungen sowie körperliche Übergriffe bilden die Spitze. Wenn die Situation im Betrieb beurteilt wird und Maßnahmen zur Prävention angedacht werden, sollte diese Vielfalt der Erscheinungsformen berücksichtigt werden. Gerade mit kleinen Grenzüberschreitungen testen Täter oft, wie weit sie ungestraft gehen können. Deshalb ist es im Sinne der Vorbeugung empfehlenswert, schon geringe Verfehlungen zumindest anzusprechen oder auch zu ahnden.
Gemeinsam aktiv: Maßnahmen von Betriebsrat und Arbeitgeber
- Betriebsvereinbarung mit Leitlinien zum Umgang mit Sexismus und sexueller Belästigung.
- Regelmäßige Schulungen von Arbeitnehmern, Personalverantwortlichen und Betriebsratsmitgliedern.
- Schulungen für Führungskräfte zu Prävention (vorbildhafte Führung) und der richtigen Reaktion
- auf Vorfälle.
- Benennung und Kommunikation von Ansprechpersonen für die Beschäftigten (nach Möglichkeit weiblich).
- Informationen über Hilfsangebote im Intranet und am Schwarzen Brett, im Idealfall in mehreren Möglichkeiten, sich zunächst anonym beraten zu lassen (per E-Mail).
Bedenken Sie: Solche Angebote werden in der Regel nur genutzt, wenn die Ansprechpartner nicht als verlängerter Arm der Vorgesetzten oder als Teil eines „Männerbundes“ wahrgenommen werden.
Täter fühlen sich sicher
Belästigungen geschehen oft nicht einmalig, sondern erstrecken sich über einen längeren Zeitraum, manchmal sogar über Jahre. Dies kann nur möglich sein, wenn sich die Täter sicher fühlen. Damit das Opfer weder Widerstand leistet noch Hilfe holt, muss ein weiterer Aspekt hinzukommen: Ein Machtgefälle zwischen Täter und Opfer – entweder hierarchischer (Vorgesetzter oder Kunde) oder psychischer Art (Kollege). Entsprechend gibt es typische Täterschutzräume, die es aufzubrechen gilt:
- Sexismus und sexuelle Belästigungen treten häufiger auf, wenn Frauen in einer Abteilung oder einem abgetrennten Arbeitsbereich stark in der Minderheit sind. Daher sollte bei der Arbeitsorganisation stets ein ausgeglichener Geschlechteranteil angestrebt werden.
- Sind Frauen stark in der Minderheit, sollten sie regelmäßige „Außenkontakte“ haben, zum Beispiel zur Gleichstellungsbeauftragten oder zum Betriebsrat.
- Täter sind häufig auch dann vor Verfolgung sicher, wenn Frauen in kurzen, befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und deshalb nicht wissen, wo sie Hilfe bekommen können. Hier ist es sinnvoll, wenn jeweils am ersten Arbeitstag ein Informationsblatt ausgehändigt wird, das Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Personen enthält, die helfen können.
- Weibliche Auszubildende sollten auf Grund ihrer niedrigen hierarchischen Stellung im Betrieb ausdrücklich ermuntert werden, sexistische Äußerungen bzw. sexuelle Belästigungen beim Vorgesetzten, bei der Personalabteilung und beim Betriebsrat zu melden.
- Grundsätzlich sind Frauen bei stärkeren Hierarchiegefällen gefährdeter. Entsprechend sollten diese Frauen gut über Hilfsmöglichkeiten Bescheid wissen.
- Plakate und Hinweise an vielen verschiedenen Orten sollten darauf hinweisen, dass im Betrieb kein Platz für Sexismus und sexuelle Belästigung ist. Solche öffentlichen Statements ermutigen Frauen, sich zu wehren und entmutigen Täter.
Letztlich helfen alle Maßnahmen natürlich nur dann, wenn allen Vorfällen konsequent nachgegangen wird.
Wer wehrt sich?
Ob sich die Opfer gegen Sexismus und sexuelle Belästigung wehren, hängt davon ab, ob sie mit Unterstützung von ihrem Umfeld – insbesondere den direkten Vorgesetzten und Kollegen – rechnen. Auch die Überzeugung, dass der Betriebsrat und der Arbeitgeber eine entsprechende Mitteilung ernst nehmen und Maßnahmen ergreifen werden, spielt eine große Rolle. Ist diese Überzeugung nicht gegeben, wird eine Konfrontation eher vermieden. Das Opfer nimmt die sexuelle Belästigung hin oder verlässt den Betrieb – oft, ohne die wahren Gründe zu nennen.
Die Betroffenen entscheiden
Wenn betroffene Frauen eine Beratung des Betriebsrats in Anspruch nehmen, heißt dies noch nicht, dass sie auch wirklich etwas unternehmen möchten. In vielen Fällen geht es erst einmal nur darum, das Problem zu schildern, Klarheit über die Situation und die Handlungsmöglichkeiten zu bekommen und die negativen Emotionen „abladen“ zu können. Entsprechend sollte eine Beratung nicht von vornherein lösungsorientiert verlaufen („Sie können…“, „Sie sollten…“), sondern zunächst einmal den Betroffenen die Gelegenheit geben, von den Vorfällen zu erzählen. Auch wenn der Betriebsrat natürlich immer die Gesamtsituation im Betrieb sieht, steht in der Beratung die Arbeitnehmerin mit ihrem Anliegen im Vordergrund. Lassen Sie sich genau schildern, was in verschiedenen Situationen passiert ist und arbeiten Sie im Dialog die Handlungsmöglichkeiten heraus. Bieten Sie dabei die Unterstützung des Betriebsrats an. Ausdrücklich aber liegt es in der Hand der Arbeitnehmerin, ob und was sie unternehmen will.
Praxistipp: Eng mit den Betroffenen abstimmen
Oft wollen Frauen nicht als Opfer wahrgenommen werden und lehnen Hilfe ab. Beispielsweise spielen sie Vorfälle herunter und sagen, die Witze seien ja „nicht ernst gemeint gewesen“. Bevor Sie etwas unternehmen, versichern Sie sich, dass sich die Betroffenen auch wirklich wehren wollen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie dem Betriebsrat in der Auseinandersetzung mit dem Täter und ggf. mit dem Arbeitgeber in den Rücken fallen.