27.08.2019

Abmahnungen gegen Betriebsräte schlagen fehl

Die Amtspflichten eines Betriebsratsmitgliedes und seine Pflichten als Arbeitnehmer sind strikt voneinander zu trennen. Deshalb kann der Arbeitgeber die vermeintliche Verletzung einer betriebsverfassungsrechtlichen Amtspflicht auch nicht mit einer individualrechtlichen Abmahnung rügen.

Betriebsrat Abmahnung

Worum geht es?

Geschäftsführung Betriebsrat. Ein aus drei Mitgliedern bestehender Betriebsrat wandte sich mit einer E-Mail an die Außendienstmitarbeiter des Betriebes. Die E-Mail hatte u. a. folgenden Inhalt: … wenn ihr eure Zielvorgaben 2. Halbjahr 2018 zum letzten 2. Halbjahr 2017 vergleicht, müsst ihr Erhöhungen hinnehmen die nicht machbar sind. … nun leitet der GBR ein Verfahren zur Einhaltung des Prämienvertrages ein … das dauert leider länger. Was uns helfen würde, wenn ihr euren individuellen Zielen wiedersprecht [sic] und am besten alle in der unten angehängten Form … . Daraufhin mahnte die Arbeitgeberin die drei Betriebsratsmitglieder wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit sowie gegen die Friedenspflicht ab und drohte ihnen mit der Einleitung eines Verfahrens nach § 23 BetrVG. Die Abmahnungen wurden in die jeweiligen Personalakten aufgenommen. Die Betriebsratsmitglieder hielten die Abmahnungen für unwirksam und klagten auf Entfernung. Sie meinten, das Institut der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung sei grundsätzlich nicht anzuerkennen. Zudem liege kein Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und die Friedenspflicht vor. Der Betriebsrat habe lediglich die Belegschaft informieren und Öffentlichkeitsarbeit betreiben wollen.

Das sagt das Gericht

Das Gericht gab den Betriebsratsmitgliedern Recht. Die Abmahnungen seien bereits deshalb aus den Personalakten zu entfernen, weil die Arbeitgeberin den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung eines Antrages nach § 23 BetrVG sanktioniert habe. Dies habe mit dem Arbeitsverhältnis der Betriebsratsmitglieder nichts zu tun. Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern dürften nicht in die Personalakte aufgenommen werden, wenn der Arbeitgeber zwar insoweit konsequent handele, als er die (vermeintliche) Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten mit der Androhung betriebsverfassungsrechtlicher Sanktionen gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG verknüpfe, dann aber – inkonsequent – die rein betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen in die ausschließlich die individuellen Arbeitsverhältnisse betreffenden Personalakten aufnehme. ArbG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2019, Az.: 4 BV 251/18

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Abmahnungen, mit denen der Arbeitgeber die Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern rügt und Sanktionen nach § 23 Abs. 1 BetrVG androht (betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen), dürfen – unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit – nicht in die Personalakten der Betriebsratsmitglieder aufgenommen werden.

Praxistipp: Der Gang zum Gericht kann Ihnen helfen

Mahnt der Arbeitgeber alle Mitglieder des Betriebsrats ab und droht mit Sanktionen nach § 23 Abs. 1 BetrVG (Auflösung, Ausschluss), kann der Betriebsrat als Gremium vor Gericht die Unwirksamkeit der Abmahnungen geltend machen.

Sind betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen zulässig?

Es gibt noch keine höchstrichterliche Entscheidung in der Frage, ob betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen gegenüber dem Betriebsrat als Gremium oder gegenüber seinen Mitgliedern zulässig sind. Nach der in der Rechtsliteratur herrschenden Meinung ist die vorherige Abmahnung einer Amtspflichtverletzung in Vorbereitung eines Antrages nach § 23 Abs. 1 BetrVG weder erforderlich noch möglich. Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat oder Betriebsratsmitglieder nicht mit Auflösungs-und Ausschlussanträgen nach § 23 Abs. 1 BetrVG überfallen soll, sondern ihnen vielmehr rechtzeitig die Chance zur Verhaltenskorrektur in Form einer Abmahnung ermöglichen soll. Die Rechtsprechung ist gespalten. Für Klarheit in dieser Frage kann deshalb nur das BAG sorgen.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)