08.03.2018

BGB 2018: Wo liegen die Praxisprobleme der Bauvertragsreform?

Für Verträge, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden, gelten die Neuregelungen der Reform des Bauvertragsrechtes. Auch wenn bislang kaum praktische Erfahrungen mit dem neuen Recht vorliegen, so zeichnen sich aus den juristischen Veröffentlichungen bereits folgende Probleme in der Praxis ab.

Praxisprobleme der Bauvertragsreform

Die 30-Tagesfrist bei Anordnung des Auftraggebers

Der Gesetzgeber hat mit der Reform des Bauvertragsrechtes erstmalig das einseitige Anordnungsrecht des Auftraggebers gesetzlich geregelt (bisher fanden sich Bestimmungen dazu nur in der VOB/B). Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, möchte der Gesetzgeber die Bauvertragsparteien dazu bringen, sich bei nachträglichen Änderungswünschen des Auftraggebers zu einigen.

Das Gesetz sieht insoweit vor, dass die Parteien über Nachtragsangebote des Auftragnehmers 30 Tage lang verhandeln sollen (§ 650b Abs. 2 BGB). Die Frist beginnt bereits mit Zugang des Änderungswunsches des Auftraggebers (des sogenannten Begehrens).

Diese Frist ist für die Praxis letztlich ungeeignet. Sie kann einerseits zu kurz sein, insbesondere dann, wenn es um technisch schwierige Arbeiten geht. Hier ist es schon denkbar, dass allein der für die Erstellung der Planung oder des Angebotes mehr als 30 Tage beansprucht, sodass nach dem Gesetz gar keine Zeit mehr für Verhandlungen besteht.

Genauso gut ist es aber auch denkbar, dass die Frist von 30 Tagen viel zu lang ist. Das ist etwa denkbar, wenn es um Arbeiten geht, auf deren sofortige Ausführung der Auftraggeber zwingend angewiesen ist. Hier kann es zum Beispiel um besondere, vom Auftragnehmer ursprünglich nicht geschuldete Schutzmaßnahmen gehen.

Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung die 30-Tagesfrist erheblich aufweichen wird. So muss ein Anordnungsrecht des Auftraggebers etwa bestehen, wenn sich schon zu Beginn der Verhandlungen ergibt, dass die Parteien sich nicht einig werden. Es gibt dann keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb der Auftraggeber dennoch den Ablauf der 30-Tagesfrist abwarten muss, bevor er die Leistung einseitig anordnen kann.

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Vermutlich wird auch bei der anstehenden Überarbeitung der VOB/B versucht werden, die starre Frist abzumildern. Ob dies allerdings so gelingt, dass dies einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) standhält, bleibt abzuwarten.

Abschlagszahlung in Höhe von 80 % des Angebotspreises

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass dem Anordnungsrecht des Auftraggebers ein Vergütungsanspruch des Auftragnehmers gegenüberstehen muss. Kann also der Auftraggeber eine Bauleistung einseitig anordnen, so muss dem Auftragnehmer auf der anderen Seite ein Vergütungsanspruch zustehen.

Das sieht natürlich auch das Gesetz so vor. Allerdings differenziert das Gesetz. Dem Auftragnehmer stehen – als Abschlag – zunächst „nur“ 80 % des von ihm angebotenen Preises zu. Die Abrechnung der endgültigen Nachtragsvergütung (die höher oder niedriger sein kann) soll erst im Zuge der Schlussabrechnung erfolgen (§ 650c Abs. 3 BGB).

Da der Auftragnehmer die Höhe seines Nachtragsangebotes selber bestimmen kann, hat er letztlich auch die tatsächliche Höhe des vom Auftraggeber zu zahlenden Abschlages in der Hand. Insoweit wird teilweise schon – nicht zu Unrecht – von einem „Preisbestimmungsrecht des Auftragnehmers“ gesprochen.

Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass Auftragnehmer tendenziell versuchen werden, ihr Nachtragsangebot um etwa 20 % zu überhöhen. Denn so erhält der Auftragnehmer bereits als Abschlag die von ihm tatsächlich gewünschte Nachtragsvergütung.

Der Gesetzgeber war sich des Problems durchaus bewusst. Er hat den Auftraggeber insoweit auch nicht rechtlos gestellt. Ist der Auftraggeber der Ansicht, dass das vom Auftragnehmer unterbreitete Nachtragsangebot überhöht ist, so kann er eine einstweilige Verfügung beantragen (§ 650d BGB).

Genau genommen „kann“ der Auftraggeber nicht nur eine einstweilige Verfügung beantragen, sondern er „muss“ dies tun, wenn er den vom Auftragnehmer abgerechneten Abschlag nicht zahlen möchte, weil er das Angebot als überhöht ansieht.

Das Gesetz sieht nämlich eindeutig vor, dass dem Auftraggeber hier nur zwei Verhaltensweisen offenstehen:

  • entweder er zahlt den 80 %-igen Abschlag auf Basis des Nachtragsangebotes des Auftragnehmers oder
  • er beantragt hiergegen eine einstweilige Verfügung.

Unzulässig ist es dagegen, dass der Auftraggeber den 80 %-igen Abschlag mit Verweis auf die angebliche Überhöhung des Nachtragsangebotes verweigert. Ist der Auftraggeber der Ansicht, dass das Nachtragsangebot zu hoch ist, dann muss er dagegen eine einstweilige Verfügung beantragen.

Anderenfalls ist er zur Zahlung des Abschlages verpflichtet, selbst wenn das Nachtragsangebot tatsächlich überhöht war. Zahlt er nicht, so steht dem Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu und er kann seine Arbeiten einstellen.

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Ob die Beantragung einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf die Höhe eines Nachtragsangebotes für den Auftraggeber tatsächlich ein praktikabler Weg ist, erscheint zweifelhaft. Ob zum Beispiel die Vorlage von Alternativangeboten anderer Bauunternehmen einen Richter überzeugt, ist nicht sicher.

So kann der Richter nicht mit Sicherheit beurteilen, inwieweit dem Anbietenden tatsächlich sämtliche zur Kalkulation seines Preises notwendigen Informationen vorlagen. Ebenso wenig kann der Richter mit Sicherheit beurteilen, inwieweit es sich bei den Alternativangeboten gegebenenfalls um Gefälligkeiten unter Bauunternehmen handelt.

Befragt das Gericht einen Sachverständigen, so wird dieser keinen konkreten Preis, sondern eher eine Preisspanne benennen und zwar im Hinblick auf übliche Preisschwankungen.

Diese werden vom Sachverständigen nicht selten zwischen 30 % und 50 % angegeben. Befindet sich das Angebot des Auftragnehmers noch im Bereich dieser (oder geringfügig oberhalb der) Schwankungen, so wird das Gericht vermutlich das Angebot nicht als zu hoch bewerten.

Es bietet für den Auftraggeber auch wenig Trost, dass der Auftragnehmer den erhaltenen Abschlag schlussabrechnen muss. Zwar kann im Rahmen der Schlussrechnung der Auftragnehmer nicht mehr auf seinen Angebotspreis abstellen, sondern muss die tatsächlich erforderlichen Kosten (zuzüglich angemessener Zuschläge) nachweisen.

Das zu viel Gezahlte muss er mit Zinsen (in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz) zurückzahlen. Aber auch ein solcher Rückzahlungs- bzw. Zinsanspruch will erst einmal durchgesetzt sein.

Trotz aller mit der Regelung verbundenen Nachteile wird die Rechtsprechung vermutlich die Rechte des Auftragnehmers auf den 80 %-igen Abschlag in der Praxis nicht einschränken. Denn diese Regelung bildet letztendlich einen der Kernpunkte der BGB-Bauvertragsreform. Der Gesetzgeber hat sich hier bewusst dafür entschieden, dem Auftragnehmer im Zweifel Liquidität zu sichern.

Was sind die tatsächlich erforderlichen Kosten?

Wie bereits ausgeführt, kann der Auftragnehmer im Falle von Änderungsanordnungen des Auftraggebers bezüglich seiner Mehr- und Minderkosten die tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen fordern (§ 650c Abs. 1 BGB).

Bislang ist nicht abschließend geklärt, was unter dem „tatsächlich erforderlichen Kosten“ zu verstehen ist. Der Begriff meint jedenfalls nicht die tatsächlichen Kosten, die dem Auftragnehmer durch die Ausführung der Nachtragsleistung entstehen.

Der Zusatz „erforderlich“ macht deutlich, dass es auf diese tatsächlichen Kosten nicht allein ankommen soll. Offenbar wollte der Gesetzgeber damit ein objektives Korrektiv einführen, das den Auftraggeber vor überzogenen Nachtragsansprüchen bewahren sollte.

Dennoch bleibt der Begriff unscharf. Welche Kosten sind zum Beispiel tatsächlich erforderlich, wenn der Auftragnehmer einen Nachunternehmer einsetzen muss und ihm insoweit verschiedene Unternehmen mit verschiedenen Preisen zur Verfügung stehen.

Sind die Nachunternehmerkosten noch tatsächlich erforderlich, wenn der Auftragnehmer einen Nachunternehmer auswählt, der zwar vergleichsweise teuer ist, mit dem er aber bereits seit Jahren erfolgreich zusammenarbeitet?

Es ist schlicht unmöglich, sämtliche denkbaren Fallgestaltungen schon jetzt vorauszusehen. Es wird lange Zeit dauern, bis im Hinblick auf die tatsächlich erforderlichen Kosten Urteile vorliegen, die Rechtssicherheit bringen.

Gelten die Neuregelungen (§§ 650b und 650c BGB) auch bei VOB/B-Verträgen?

Klar ist, dass bei reinen BGB-Verträgen, bei denen die VOB/B nicht vereinbart ist, die Anordnungsrechte des Auftraggebers und die Vergütungsfolgen nach § 650b und § 650c BGB richten.

Die VOB/B enthielt allerdings schon vor der Bauvertragsreform eigene Regelungen zu den Anordnungsrechten und den Vergütungsfolgen (in §§ 1 Abs. 3 und 4 sowie § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B). Ungeklärt ist, in welchem Verhältnis die Regelungen zueinander stehen. Verdrängen die neuen BGB-Regelungen die alten VOB/B-Vorschriften?

Das beurteilt sich letztlich danach, ob die VOB/B-Vorschriften nach der BGB-Reform einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB) standhalten. Das ist in den juristischen Veröffentlichungen durchaus umstritten.

Es wird abzuwarten sein, wie die Rechtsprechung diese Frage entscheidet. Wir gehen in diesem Werk davon aus, dass die VOB/B-Regelungen einer Inhaltskontrolle nicht standhalten.

Abnahmeverweigerung auch wegen unwesentlicher Mängel

Nach § 640 Abs. 2 BGB gilt ein Werk auch dann als abgenommen, wenn

  • der Auftragnehmer dem Auftraggeber nach Fertigstellung des Werkes
  • eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt und
  • der Auftraggeber die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.

Nach den Neuregelungen treten die Abnahmewirkungen also ein, wenn sich der Auftraggeber innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht auf mindestens einen Mangel stützt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss es sich bei dem Mangel nicht unbedingt um einen wesentlichen Mangel handeln.

Vielfach wird deshalb angenommen, der Auftraggeber könne die Abnahme nun schon unter Berufung auf unwesentliche Baumängel verweigern. Das ist jedoch nicht richtig.

Richtig ist, dass die Abnahmewirkungen nach § 640 Abs. 2 BGB nicht eintreten, wenn der Auftraggeber sich innerhalb der ihm gesetzten Frist auf zumindest einen (auch unwesentlichen) Mangel stützt. Allerdings ist der Auftraggeber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB weiterhin nicht befugt, die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel zu verweigern.

Gibt der Auftraggeber also nur einen unwesentlichen Mangel an, dann gerät er nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB in Abnahmeverzug. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass im Falle des Abnahmeverzuges die Abnahmewirkungen eintreten.

Das bedeutet letztendlich: Der Auftraggeber kann die Abnahme auch weiterhin nur wegen wesentlicher Mängel verweigern. Benennt er innerhalb der ihm zur Abnahme gesetzten Frist nur einen unwesentlichen Mangel, so treten die Abnahmewirkungen zwar nicht nach § 640 Abs. 2 BGB ein. Die Abnahmewirkungen treten aber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB ein.

Autor*in: Markus Fiedler (Rechtsanwalt Markus Fiedler. Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Partner der Sozietät Dieckert.Tätigkeitsschwerpunkte: Gestaltung von Ingenieur- und Bauverträgen, baubegleitende Rechtsberatung, Vertretung vor Gericht. Referent von baurechtlichen Schulungen tätig. Herausgeber der Werke "BGB und VOB für Handwerker und Bauunternehmer" und "Praxishandbuch Bauleitung und Objektüberwachung".)