01.06.2016

Wie verbindlich ist ein vereinbarter Bauzeitenplan?

Auftraggeber meinen häufig, sie seien mit der Vereinbarung eines Bauzeitenplans rechtlich abgesichert. Sie gehen davon aus, den Auftragnehmer bei einem VOB/B-Vertrag für die Überschreitung der im Bauzeitenplan genannten Fristen ohne Weiteres haftbar machen zu können. Weit gefehlt. Mehrere aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen, dass sich die rechtliche Bedeutung eines Bauzeitenplan – genauer der dort genannten Fristen – in der Baubranche noch immer nicht ausreichend herumgesprochen hat. Dazu muss man wissen, dass die VOB/B Fristen erster Klasse (nämlich sogenannte verbindliche Vertragsfristen) und zweiter Klasse (nämlich bloße Kontrollfristen) kennt.

Bauzeitenplan Fristen

Unterschiede zwischen Vertrags- und Kontrollfristen

Der maßgebliche Unterschied besteht in Folgendem: Der Auftragnehmer gerät nur bei Überschreitung verbindlicher Vertragsfristen automatisch in Verzug. Die Überschreitung der sog. Kontrollfristen hat dagegen zunächst keine unmittelbaren Rechtsfolgen.

Diese Unterscheidung hat für die Praxis natürlich erhebliche Bedeutung. Nur die Überschreitung verbindlicher Vertragsfristen löst Verzug und damit Ansprüche des Auftraggeber aus, nämlich

  • Anspruch auf Verzugsschadensersatz (§ 6 Abs. 6 VOB/B),
  • Verwirkung der Vertragsstrafe (soweit vereinbart) und
  • Kündigungsrecht des Auftraggebers (§ 5 Abs. 4 i. V. m. § 8 Abs. 3 VOB/B).

Die Überschreitung bloßer Kontrollfristen dagegen löst zunächst einmal überhaupt keine Ansprüche des Auftraggebers aus.

 

Wann ist eine vereinbarte Frist eine Vertragsfrist?

Verbindliche Vertragsfristen sind beim VOB/B-Vertrag grundsätzlich nur der vereinbarte Baubeginn und der Fertigstellungstermin. Alle anderen Fristen sind nur bloße Kontrollfristen. Das gilt insbesondere für Zwischenfristen.

Beispiel

Der Auftraggeber beauftragt ein Bauunternehmen wie folgt:

Baubeginn: 01.10.2015

Fertigstellung der Erdarbeiten: 01.11.2015

Fertigstellung Rohbau: 01.05.2016

Fertigstellung Dachstuhl: 01.07.2016

Gesamtfertigstellung: 01.10.2016

Verbindliche Vertragstermine sind in diesem Fall nur die Termine für den Baubeginn und die Gesamtfertigstellung. Alle anderen Fristen sind bloße Kontrollfristen. Das bedeutet, dass der Auftragnehmer nur dann automatisch in Verzug gerät, wenn er entweder die Frist für den Baubeginn oder für die Gesamtfertigstellung überschreitet. Die Überschreitung der anderen (Zwischen-)Fristen führt nicht unmittelbar zum Verzug.

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Ein bei Vertragsabschluss vorliegender Bauzeitenplan wird oft zur Grundlage des Bauvertrags gemacht. Das bedeutet aber nicht, dass es sich bei sämtlichen Fristen des Bauzeitenplans um verbindliche Vertragsfristen handelt. Auch hier gilt das oben Gesagte: Verbindliche Vertragsfristen sind zunächst nur der vereinbarte Baubeginn und der Gesamtfertigstellungstermin. Alle anderen Einzel- und Zwischenfristen eines Bauzeitenplans sind zunächst nur bloße Kontrollfristen. Deren Überschreitung führt nicht zum Verzug.

 

Erhebung von Zwischenfristen zu verbindlichen Vertragsfristen

Die Parteien können allerdings vereinbaren, dass auch die zwischen ihnen vereinbarten Zwischenfristen verbindliche Vertragsfristen sein sollen. Das ist für den Auftraggeber immer dann sinnvoll, wenn es ihm entscheidend auf die Einhaltung der Zwischenfristen ankommt.

Die Vereinbarung muss allerdings eindeutig sein. Der Auftraggeber muss klarmachen, dass die Zwischenfristen verbindlich sind. Denkbar ist z.B. folgende Formulierung: „Sämtliche im Bauzeitenplan genannten Fristen sind verbindliche Vertragsfristen.“

Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, dienen die im Bauzeitenplan enthaltenen Einzelfristen lediglich dazu, dem Auftraggeber die Terminüberwachung und Ablaufsteuerung zu ermöglichen. Es handelt sich dann um einfache Kontrollfristen.

 

Verzug bei bloßen Kontrollfristen?

Die Überschreitung bloßer Kontrollfristen hat nach den obigen Ausführungen keine unmittelbaren rechtlichen Folgen. Das bedeutet aber nicht, dass der Auftragnehmer bei Kontrollfristen überhaupt nicht in Verzug geraten kann. Sind verbindliche Vertragsfristen nicht vereinbart worden, so kommt Verzug insbesondere durch Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) in Betracht.

Mahnung nach Fälligkeit

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Mahnung erst erfolgen kann, wenn die betreffende Bauleistung fällig ist. Allein die Überschreitung bloßer Zwischenfristen führt noch nicht einmal zur Fälligkeit der Bauleistung. Deshalb muss der Auftraggeber nach Ablauf der Zwischenfrist zunächst eine erste – angemessene – Nachfrist setzen. Dabei muss er beachten, dass dem Auftragnehmer im Ergebnis insgesamt ein angemessener Zeitraum für die Ausführung der Bauleistung zur Verfügung stehen muss.

Ist die Nachfrist abgelaufen, so ist die Bauleistung zunächst einmal fällig. Verzug tritt dann aber erst ein, wenn der Auftraggeber eine weitere Nachfrist bzw. Mahnung ausspricht und auch die dazu gesetzte Frist abläuft. Das Prozedere der Inverzugsetzung ist also bei Zwischenfristen relativ aufwendig.

Abhilfeanordnung

Die VOB/B kennt darüber hinaus einen weiteren Weg, den Auftragnehmer auch bei Kontrollfristen in Verzug zu setzen, und zwar mithilfe einer sog. „Abhilfeanordnung“.

Eine solche Abhilfeanordnung ist zulässig, wenn zu befürchten steht, dass der Auftragnehmer zukünftige Ausführungsfristen offenbar nicht wird einhalten können (§ 5 Abs. 3 VOB/B). zwar unterliegt der Auftraggeber hier einem gewissen Prognoserisiko. Indes spricht Vieles dafür, dass der Auftragnehmer auch zukünftige Ausführungsfristen überschreiten wird, wenn dies bereits bei vorherigen Ausführungsfristen der Fall war.

Dabei ist zu beachten, dass die gefährdete Ausführungsfrist nicht unbedingt eine verbindliche Vertragsfrist sein muss. Die Abhilfeanordnung nach § 5 Abs. 3 VOB/B ist auch dann gerechtfertigt, wenn bloße Kontrollfristen gefährdet sind.

 

Vertragsstrafen für Zwischenfristen?

Sind Zwischenfristen (z. B. eines Bauzeitenplans) für den Auftraggeber von besonderer Bedeutung, so genügt dem Auftraggeber häufig deren Erhebung zu verbindlichen Vertragsfristen nicht. Vielmehr möchte der Auftraggeber durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe für solche Zwischenfristen den Druck auf den Auftragnehmer erhöhen.

Allerings sind die Anforderungen an wirksame Vertragsstrafenklauseln in Bezug auf Zwischenfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen besonders hoch.

Anforderungen an Vertragsstrafen für Zwischenfristen in AGB

Die Vertragsstrafe darf sich nicht nach der Gesamtabrechnungssumme berechnen, sondern nach dem anteiligen Wert der Bauleistung, mit welcher der Auftragnehmer in Verzug geraten ist.

Beispiel

Die Parteien vereinbaren eine Vertragsstrafe für die Einhaltung von fünf Zwischenterminen (jeweils Fertigstellung eines Geschosses). Überschreitet der Auftragnehmer schon die erste Zwischenfrist für das Erdgeschoss, so kann sich die Vertragsstrafe nicht nach dem Gesamtauftragswert richten, sondern nur nach der anteiligen Vergütung, die auf das Erdgeschoss entfällt.

Die Vertragsstrafe darf sich nicht kumulieren. Führt bereits eine verhältnismäßig geringe Fristüberschreitung am Anfang des Bauvorhabens dazu, dass auch folgende Zwischentermine nicht gehalten werden können, so darf es nicht zur Kumulation der Vertragsstrafe führen.

Beispiel

Kann der Auftragnehmer im obigen Beispielsfall den am Erdgeschoss eingetretenen Verzug an den Obergeschossen 1 bis 4 nicht aufholen, so würde die Vertragsstrafe theoretisch wegen eines einzigen Ereignisses fünfmal anfallen. Die Vertragsstrafenklausel muss so formuliert werden, dass die Vertragsstrafe nur ein einziges Mal – bezogen auf das Erdgeschoss – anfällt.

Nach verbreiteter Meinung darf die Vertragsstrafe für Zwischentermine dann nicht anfallen, wenn der Gesamtfertigstellungstermin gehalten wurde.

Die Vertragsstrafe soll 0,15 % der Abrechnungssumme pro Werktag bei Zwischenfristen nicht überschreiten. Die Vertragsstrafen für Zwischenfristen und Beginn- oder Fertigstellungsfristen sollen insgesamt 5 % der Abrechnungssumme nicht überschreiten.

Trennung der Vertragsstrafe für Zwischen- und Fertigstellungsfristen

Viele Vertragsstrafenklauseln für Zwischenfristen sind unwirksam, weil sie die oben genannten (sehr hohen) Anforderungen nicht einhalten. Gilt die Vertragsstrafenklausel in einem solchen Fall gleichzeitig für Zwischenfristen und für den Endfertigstellungstermin, so ist die Vertragsstrafenklausel insgesamt unwirksam. Die unwirksame Regelung für Zwischenfristen reißt also die (an sich ggf. wirksame) Regelung für den Endfertigstellungstermin mit.

Werden dagegen die Klauseln dagegen optisch und sprachlich getrennt, so „infiziert“ eine unwirksame Regelung die andere nicht.

Autor*in: Markus Fiedler (Rechtsanwalt Markus Fiedler. Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Partner der Sozietät Dieckert.Tätigkeitsschwerpunkte: Gestaltung von Ingenieur- und Bauverträgen, baubegleitende Rechtsberatung, Vertretung vor Gericht. Referent von baurechtlichen Schulungen tätig. Herausgeber der Werke "BGB und VOB für Handwerker und Bauunternehmer" und "Praxishandbuch Bauleitung und Objektüberwachung".)