DIN 18008 Glas im Bauwesen – Neue Norm seit Mai 2020: Risiko abwägen
Wirbel um die Norm DIN 18008 Glas im Bauwesen: Neu seit Mai 2020! Bodentiefe Verglasungen fordern eine Risikobeurteilung durch den Planer. Es heißt für Sie zu entscheiden: Kosten versus Sicherheit. Was ist der aktuelle Stand beim Planen und Bauen mit Glas? Was müssen Sie ab sofort beachten?
Neue DIN 18008 Glas im Bauwesen ist seit Mai 2020 in Kraft. Norm gibt neu den aktuellen Stand der Technik vor
Mit der Novelle der DIN 18008 ist die Verantwortung der am Bau Beteiligten gestiegen. Ab Mai 2020 gelten jetzt die neuen Regeln für Glas im Bauwesen. Die Verbindung zu Normen und Baurecht muss berücksichtigt werden. Der Planer muss eine Risikobeurteilung vornehmen. Sicherheitsglas kostet jedoch mehr. Es gilt abzuwägen. Das Haftungsrisiko steigt jedoch für den Planer beträchtlich.
Glas bis Brüstungshöhe – Baurecht zum Thema Verkehrssicherheit:Die MBO enthält in § 16 die Forderung der Verkehrssicherheit, in § 37 werden (neben Kennzeichnungen von Glastüren und bis zum Fußboden allgemein zugänglichen Verkehrsflächen herabreichender Glasflächen) weitere Schutzmaßnahmen für größere Glasflächen gefordert, wenn die Verkehrssicherheit dies erfordert. |
Die neue DIN 18008 wird nun bauaufsichtlich geprüft!
Die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen Ihres Bundeslands konkretisiert die Vorgaben der Landesbauordnung. Die in den VV TB aufgelisteten Anforderungen an bauliche Anlagen, Bauprodukte und andere Anlagen und Einrichtungen müssen Sie bei Ihrer Planung erfüllen.
Die Bundesländer haben nach und nach den neuesten Normenstand der DIN 18008 Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln in geltendes Recht umgesetzt. Nun gilt die Fassung Mai 2020 auch z.B. in Baden-Württemberg.
Dipl. Ing.(FH) Walter Weiß von Huber & Sohn GmbH & Co. KG berät Planer in der Praxis bei der richtigen Entscheidung für normgerechtes Planen und Bauen mit Glas
Bei den Planern besteht viel Klärungsbedarf. Welches Glas ist das Richtige? Wo muss die Verkehrssicherheit eingehalten werden? Wir haben die Fragen an Herrn Weiß gestellt. Was Sie jetzt beachten müssen, lesen Sie in dem folgenden Interview:
WEKA: Was kommt mit der neuen DIN 18008 Glas im Bauwesen auf die Planer zu?
Herr Weiß: Bodentiefe Verglasungen bedürfen jetzt einer besonderen Beurteilung des Planers in Bezug auf die Verkehrssicherheit in Gebäuden. Der Planer muss das Risiko beurteilen. Er muss entscheiden, ob z.B. eine Fenstertür mit Sicherheitsglas ausgeführt werden muss oder auch nicht.
Die neue Norm DIN 18008 ist ein Kompromiss zwischen dem Bauen und der Fensterherstellung. Momentan bringen die Glashersteller nicht genügend Sicherheitsgläser an. Das heißt, würde man es so machen wie in Österreich – hier ist jede bodentiefe Verglasung aus ESG bzw. VSG zu machen – dann würde es in Deutschland zu Beschaffungsproblemen kommen.
WEKA: Wie waren die Regelungen vor Mai 2020?
Herr Weiß: Vorher waren die Anforderungen so, und das gilt nach wie vor, dass man Sicherheitsglas verwenden muss, wenn Absturzgefahr besteht. Das heißt, ich habe eine bodentiefe Verglasung ohne Absturzsicherung oder ohne Balkon. D.h. ich falle in die Scheibe rein, falle durch und stürze aus dem z.B. ersten oder zehnten Stock. Hier war und ist eine absturzsichernde Glasscheibe zu wählen. Ab jetzt ist es aber so, dass es im gesamten Bau für alle bodentiefen Verglasungen zum Tragen kommt. Planer muss also beurteilen, ob eine bodentiefe Verglasung Sicherheitsglas auf Grund der Verkehrssicherheit fordert.
WEKA: Was heißt Verkehrssicherheit in diesem Fall?
Herr Weiß: Die Hauptverkehrswege in den Gebäuden müssen sicher sein. Es wird hierbei unterschieden: Gehe ich auf eine Fenstertür direkt zu oder gehe an der bodentiefen Verglasung vorbei. Steht z.B. eine Couch vor dem bodentiefen Fenster, muss kein bruchsicheres Glas gewählt werden. Bei Einfamilienhäusern ist es noch einfacher, denn hier ist es klar, wie die Räume genutzt werden. Man kennt die Verkehrswege. In Mehrfamilienhäusern ist die Nutzung der Räume der Mieter bzw. Eigentümer sehr individuell. Auch werden die Möbel nicht wie im Plan gezeichnet platziert. Das macht die Bestimmung der Verkehrswege schwer und somit die Risikobeurteilung fast unmöglich.
WEKA: Wer haftet bei einem Unfall?
Herr Weiß: Ganz genau ist nicht geklärt, wer haftet. Der Planer hat die Aufgabe, die Situation nach dem momentanen Gebrauch zu beurteilen. Das muss er auch dokumentieren. Planer und Bauherr müssen sich einig sein. Die Entscheidung für Sicherheitsglas – ja oder nein – muss auch dem Käufer oder Mieter übermittelt werden. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, und der Planer wird auf Nummer sicher gehen.
WEKA: Was hat das jetzt für Auswirkungen auf Ihre Tätigkeit als Fensterbauer?
Herr Weiß: Bei jeder Baustelle hat man nun die Diskussionen. Jede Verglasung muss genau beurteilt werden, und das ist zeitaufwendig. Der Einbau ist für uns jedoch gleich. Sicherheitsglas ist nur schwerer.
WEKA: Also am besten keine bodentiefen Verglasungen mehr?
Herr Weiß: Nein, bodentiefe Verglasungen liegen im Trend. Aber der Planer wird auf Nummer sicher gehen: Er wird bruchsicheres Glas verwenden. Damit werden jedoch die Baukosten steigen.
WEKA: Baukosten steigen also. Wieviel kostet Sicherheitsglas mehr?
Herr Weiß: Es kann mit ca. 8 – 10 % Mehrkosten gerechnet werden.
WEKA: Gibt es alternative Lösungsansätze auf Sicherheitsglas zu verzichten und dennoch regelrecht auszuführen?
Herr Weiß: Ja, die gibt es schon. Sie sind allerdings meist architektonisch nicht gewünscht. Es gibt grundsätzlich eine Kennzeichnungspflicht. Man kann z.B. Fenster mit Sprossen machen. Die Sprossen signalisieren, dass hier ein Glas ist und man nicht durchgehen kann. Man kann satiniertes Glas verwenden. Auch ein Heizkörper, Fensterholm oder ein Geländer sind Möglichkeiten. Aber warum habe ich ein Glas? Weil ich durchschauen will! Deswegen muss ich es eben dann mit Sicherheitsglas ausführen.
WEKA: Was gilt es bei Glasfenstern noch besonders zu beachten?
Herr Weiß: Es gilt Anforderungen wie Wärmeschutz, Schallschutz, Sonnenschutz zu erfüllen. Aber auch Sicherheiten wie Einbruchschutz und Brandschutz müssen beachtet werden. Das wesentliche Element des Fensters ist das Glas. Welche bauphysikalischen Werte hat das Glas? Da ist der Planer schon sehr gefordert.
Vielen Dank, Herr Weiß, dass Sie sich die Zeit genommen haben, die Fragen zu beantworten!
Dieses Detail kann in den Formaten DWG, DXF und PDF kostenfrei heruntergeladen werden.
Kurzübersicht der Änderungen der neuen Norm DIN 18008 Glas
im Bauwesen
- Glas bis Brüstungshöhe bedarf Schutzmaßnahmen, wenn die Verkehrssicherheit dies erfordert – Risikobeurteilung vornehmen
- Versuchstechnischer Nachweis
- Regelungen für minimale Glasdicken von 2 mm ergänzt
- Regelungen für maximale Glasdicken von 25 mm ergänzt
- Einschränkung auf ebene Gläser gestrichen
- Abgrenzung zu DIN EN 16612 deutlich gemacht
- Bezeichnungen klar definiert, z.B. Verglasung: Einfachglas oder MIG zusammen mit allen Komponenten, die für die Befestigung oder Abdichtung notwendig sind
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