Die neue DIN 18202 Maßtoleranzen im Hochbau – Übersicht der Änderungen
Die Ausgabe der DIN 18202 Maßtoleranzen im Hochbau ist 2019 nach sechs Jahren aktualisiert worden. Ein Hauptgrund für die Überarbeitung der Norm waren Unklarheiten darüber, wo an und in Bauwerken welche Toleranzarten und Grenzwerte gelten. Verschaffen Sie sich hier einen Überblick über die Änderungen der DIN 18202 im Juli 2019.
DIN 18202: Schnellüberblick über die Änderungen
Die neue DIN 18202 | 2019-07 Maßtoleranzen im Hochbau lässt die Zahlenwerte in den Tabellen zu zulässigen Grenzwerten für Abweichungen bzw. Grenzabweichungen für Maße unverändert.
Folgende Änderungen gelten:
- Neu hinzugekommen ist das Boxprinzip, das einen Hüllkörper definiert, innerhalb dem alle Punkte einer Bauteiloberfläche liegen müssen.
- Neu eingeführt wurde zudem eine so genannte dritte Längenmessung in der Mitte von Bauteilen zusätzlich zur Messung an den Bauteilrändern bzw. Eckpunkten.
- Weiter stellt die Norm jetzt klar, dass bei Prüfung der Form auch an Achsen, Achsenschnittpunkten und ggf. in der Mitte zwischen benachbarten Achsen zu messen ist.
- Zudem wurde den Fugen zwischen benachbarten Bauteilen die Funktion zugewiesen, Toleranzen an den Bauteilübergängen durch die Variation ihrer Breite auszugleichen.
- Der Abschnitt „Prüfung“ wurde erheblich verändert. Neu in der Ausgabe Juli 2019 ist die Aufgliederung und konsequente Unterscheidung der Anforderungen
-
- an die Form von Bauteilen bezüglich ihrer Maße, Winkel und Ebenheit und
- an deren Lage im Raum in Bezug auf Achsen, Höhenkoten und Fluchten.
Was ist neu in der DIN 18202, Ausgabe Juli 2019?
Nachfolgend werden die Neuerungen der DIN 18202, Ausgabe Juli 2019 dargestellt. Änderungen gegenüber der Ausgabe 2013 (DIN 18202:2013-04) werden – soweit sinnvoll – im direkten Vergleich angeführt. Bereiche rein textlicher Umstrukturierungen werden erläuternd abgehandelt.
Anwendungsbereich der Norm
Hier wurden keine Veränderungen vorgenommen.
Normative Verweisungen
Die DIN 18202 enthält nach wie vor keine normativen Verweisungen.
Begriffe der DIN 18202
Grenzabweichung
Zur Grenzabweichung für Maße (DIN 18202, Tabelle 1) wird in der Ausgabe Juli 2019 nunmehr ausdrücklich festgestellt, dass deren Werte auch vorzeichenbehaftet sein können.
Boxprinzip
Der Begriff „Boxprinzip“ bzw. „Schachtelprinzip“ wird in der Ausgabe Juli 2019 erstmals eingeführt. Das Boxprinzip stellt kein neues Regularium dar, sondern veranschaulicht das Prinzip der Grenzabweichungen von Längenmaßen in dreidimensionaler Form.
Praxisbedeutung
Der mittels Boxprinzip gebildete Hüllkörper für eine Bauteiloberfläche zeigt anschaulich den Spielraum zwischen Mindest- und Höchstmaß in allen Raumrichtungen. Befinden sich alle Punkte der Bauteiloberfläche innerhalb des virtuellen Hüllkörpers, sind die Anforderungen der DIN 18202 bezüglich der Grenzabweichungen für Maße erfüllt.
Grundsätze
Präzisierung der Fälle weitergehender Festlegungen
- Die DIN 18202 in der Fassung 2013 merkt nur allgemein an, dass die in der Norm angegebenen Toleranzen nicht abschließend sind.
- Die Fassung Juli 2019 präzisiert hingegen den Punkt 4.3 dahin gehend, dass sich weitergehende Festlegungen beispielsweise aus Anforderungen an das optische Erscheinungsbild von Bauwerken ergeben können.
Tab. 4: Vergleich Originalzitate aus DIN 18202:2013-04 und DIN 18202:2019-07: „Grundsätze“
DIN 18202:2013-04 | DIN 18202:2019-07 |
4.3 […] ANMERKUNG Die in dieser Norm angegebenen Toleranzen sind nicht abschließend. | 4.3 […] ANMERKUNG Die in dieser Norm angegebenen Toleranzen sind nicht abschließend. Sind weitergehende Anforderungen, z. B. bezüglich des optischen Erscheinungsbildes, erforderlich, sind diese im Einzelfall festzulegen. |
Strengere Anforderung an die Einhaltung von Messbezügen
Im Punkt 4.6 der Norm wird in der Fassung Juli 2019 erstmals darauf hingewiesen, dass Messbezüge, mit denen die Lage von Bauwerken, Bauteilen oder Räumen bestimmt wird, bereits ab der Planung durchgängig anzuwenden sind und nicht nur während der Ausführung und Prüfung.
Praxisbedeutung
Durch die von der Planung bis zur Realisierung durchgängige Anwendung von Messbezügen wie Grenzbezug, Achsbezug, Mittellage oder Randlage werden bezugsbedingte Messdifferenzen vermieden.
Maßtoleranzen
In die Ausgabe der DIN 18202 Juli 2019 wurde Punkt 5.6 neu aufgenommenen: Hier wird erstmals die Rolle von Fugen zwischen benachbarten Bauteilen (Fügestellen) definiert. Der Passungsausgleich ist hierbei durch die Variation der Fugenbreite vorzunehmen.
Praxisbedeutung
Der Passungsausgleich mittels Variation der Fugenbreite findet dort seine Grenzen, wo an das Fugenbild besondere Anforderungen technischer oder gestalterischer Art gestellt werden. In solchen Fällen müssen Toleranzen durch besondere Vorgaben für die angrenzenden Bauteile ausgeglichen werden. Festlegungen hierzu müssen vor der Bauausführung getroffen werden.
Prüfung
Unterscheidung zwischen Form und Lage
Der Abschnitt „Prüfung“ wurde in der Ausgabe Juli 2019 neu gegliedert und besonders bezüglich der Prüfung der Lage von Bauwerken und Bauteilen präzisiert.
- Die Fassung 2013 subsumierte die Prüfung der Lage überwiegend unter der Prüfung von Maßen und Winkeln. Sie enthielt nur für die Prüfung der fluchtgerechten Lage von Stützen Regeln und ein Bild.
- Die Ausgabe Juli 2019 unterscheidet grundsätzlich zwischen der Prüfung der Form (Punkt 6.4) einerseits und der Prüfung der Lage (Punkt 6.5) andererseits. Die Prüfung von Winkelabweichungen kompletter Bauteile (z. B. einer Wand) stellt hierbei eine Prüfung der Lage dar, weil dabei auf eine Achse Bezug genommen wird.
Tab. 2: Anforderungen an Form und Lage nach DIN 18202:2019-07
Anforderungen | |
an die Form | an die Lage |
Längenmaß
Breitenmaß Höhenmaß Dicke Winkel zwischen Bauteilkanten Flächen hinsichtlich der Lage der Eckpunkte Flächen hinsichtlich der Ebenheit
|
Maße in Bezug auf Punkte
Maße in Bezug auf Linien Maße in Bezug auf Ebenen Achsabstände Höhenkoten Winkel in Bezug auf die Vertikale Winkel in Bezug auf die Horizontale Winkel in Bezug auf eine Achse Fluchten in Bezug auf eine Linie |
Neue Messpunkte zur Prüfung der Form von Bauteilen
Zur Prüfung der Form von Bauteilen wurden in der DIN 18202, Ausgabe Juli 2019 neue Messpunkte eingeführt.
Künftig sind Messungen nicht nur wie bisher in 10 cm Abstand von Ecken, Kanten und Flächen sowie in Achsen und Rasterlinien bzw. an deren Schnittpunkten vorzunehmen.
Zusätzlich sind Messungen auch in der Mitte von Bauteilen, Räumen und Öffnungen sowie ggf. in der Mitte benachbarter Achsen erforderlich.