30.08.2017

Die anerkannten Regeln der Technik müssen zum Zeitpunkt der Abnahme eingehalten sein!

Der Architekt läuft Gefahr, mit der Einhaltung veralteter Vorschriften eine zivilrechtlich fehlerhafte Leistung zu erbringen.

anerkannten Regeln der Technik

Allgemein anerkannte Regeln der Technik: Definition

Die Definition des Begriffs „anerkannte Regeln der Technik“ findet sich nicht in Gesetzestexten wieder, die Rechtsprechung definiert ihn aber wie folgt: „Anerkannte technische Regeln sind diejenigen Prinzipien und Lösungen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben.“

Sie müssen nicht vertraglich vereinbart werden. Wird im Architektenvertrag nichts anderes festgehalten, etwa ein anderer Standard oder andere Regelwerke, verpflichtet sich der Architekt bei Vertragsschluss stillschweigend zur Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik als Mindeststandard. Zu beachten ist allerdings, dass so manch veraltete Norm hinter den Regeln der Technik zurückbleibt und damit auch ihre Bedeutung als Regel der Technik verliert.

Als gutes Beispiel kann die DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau dienen. Auch wenn die Norm in jüngster Vergangenheit überarbeitet wurde, ist jeder Planer gut beraten, sich vor Augen zu führen, dass gerade die Anforderungen an den Schallschutz dynamischen Veränderungen unterliegen und besonders von individuellen Anforderungen bestimmt werden.

Gleichzeitig muss nicht jede neu veröffentlichte DIN Norm zugleich die allgemein anerkannten Regeln der Technik darstellen, denn die in ihr beschriebenen Regeln müssen sich in der Praxis bewährt haben.

Stand der Technik

Von den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu unterscheiden ist der Stand der Technik. Der Stand der Technik stellt eine höhere Stufe der technischen Entwicklung dar, die sich im Gegensatz zu den anerkannten Regeln der Technik eben in der Praxis noch nicht langfristig bewährt hat.

Zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik können zählen:

  • VOB/C
  • DIN-Normen
  • einheitliche Technische Baubestimmungen
  • europäische Normen
  • Herstellervorschriften zur Verwendung eines bestimmten Bauprodukts
  • VDI- oder VDE-Richtlinien
  • gesetzliche Bestimmungen, z.B. die EnEV
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Eine besondere Bedeutung kommt den DIN-Normen zu. Wie eingangs schon beschrieben, besteht also der Rechtsprechung nach die Vermutung, dass die DIN Normen die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben (wenn auch hier Ausnahmen nachweislich vorhanden sind). Derjenige, der allerdings behauptet, eine Norm entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, wird beweispflichtig.

Fortentwicklung der Regeln der Technik nach Vertragsschluss

Der Auftragnehmer schuldet grundsätzlich ein mangelfreies  Werk. Dies gilt auch für das Werk des Architekten.

633 BGB beschreibt den Sachmangel wie folgt:

„Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit besitzt. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,

  1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst
  2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.“

Da in Architektenverträgen nicht sämtliche Beschaffenheitsmerkmale erfasst werden können, sind der Verwendungszweck und die übliche Beschaffenheit entscheidend. Zur Bestimmung dieser üblichen Beschaffenheit können die anerkannten Regeln der Technik herangezogen werden.

Ändern sich im Laufe des Bauvorhabens die anerkannten Regeln der Technik, kommt es oft zu Unsicherheiten, ob diese Änderungen noch berücksichtigt werden müssen. Auch hier gibt es ganz klare Festlegungen.

Die anerkannten Regeln der Technik müssen zum Zeitpunkt der Abnahme eingehalten sein. Nun kann zwar das Bauvorhaben noch entsprechend den Vorschriften der ursprünglich erteilten Baugenehmigung fertiggestellt werden. Bauordnungsrechtliche Probleme entstehen dabei nicht. Dennoch läuft der Architekt Gefahr, mit der Einhaltung nunmehr veralteter Vorschriften eine zivilrechtlich fehlerhafte Leistung zu erbringen.

Fazit

Abschließend bleibt festzuhalten: Die Verantwortung, die aktuellen Normungen im Blick zu haben, trägt der Architekt. Allerdings kann er die Folgen einer Normungsänderung gemeinsam mit dem Auftraggeber tragen. Dabei ist es wichtig, dem Bauherrn durch umfassende Beratungen zum Sachverhalt frühzeitig die notwendigen Grundlagen für kompetente Entscheidungen zur Veranlassung von notwendigen Planungsänderungen zu geben.

Autor*in: Prof. Dr.-Ing. Rudolf Lückmann (Als Architekt mit eigenem Büro arbeitet Prof Dr.-Ing. Rudolf Lückmann vor allem im Bereich „Bauen im Bestand“. Seit 2003 ist er Professor für den Fachbereich „Baukonstruktion und Denkmalpflege“ an der Hochschule Anhalt (Bauhaus Dessau). 2004 erhielt er die Ehrenprofessur am Shanghai Institute of Film Arts.)