14.01.2016

Abweichen von der Baugenehmigung kann zum Abriss führen

Mit dem Beschluss vom 16.06.2014 entschied das OVG Niedersachsen über abweichend errichtete Gebäude. Ob ein Gebäude von ihrer Legalisierungswirkung oder aber als aliud erfasst wird, richtet sich nach den Unterschieden zwischen dem errichteten und dem ursprünglichen Vorhaben. Zur Streitfrage war es gekommen, weil ein Bauherr weitere Wohneinheiten sowie Fensteröffnungen samt Abgrabungen und Aufstockungen errichtet hatte.

Baugenehmigung Abriss

Streitfrage:

Ein Bauherr errichtet bei einer Baugenehmigung für ein Apartmenthaus mit (nur!) vier Wohneinheiten auf zwei Etagen bei gleicher Kubatur, aber wesentlich mehr Fensteröffnungen samt Abgrabungen und Aufstockungen, weitere drei Wohneinheiten im Dachgeschoss und im Keller. Ist diese Änderung noch durch die Baugenehmigung gedeckt?

 

Leitsatz:

Ob ein abweichend von einer Baugenehmigung errichtetes Gebäude noch von ihrer Legalisierungswirkung erfasst wird oder aber als aliud einem gänzlich neuen Baugenehmigungsverfahren zu unterziehen ist, richtet sich danach, ob sich das errichtete Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglichen Vorhaben unterscheidet. Dies gilt unabhängig davon, ob die baurechtliche Zulässigkeit des abgewandelten Vorhabens als solche im Ergebnis anders zu beurteilen ist (wie OVG Münster, Beschluss vom 22.04.2013 – 2 A 1891/12; Beschluss vom 13.12.2012 – 2 B 1250/12).

(OVG Niedersachsen, Beschluss vom 16.06.2014 – 1 ME 70/14)

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Kommentar des Autors:

Der Bauherr wandte sich erfolglos gegen die seitens der Baugenehmigungsbehörde erfolgte Nutzungsuntersagung des gesamten Gebäudes. Die Untersagung der Nutzung eines gesamten Gebäudes wegen formeller Illegalität setzt tatbestandlich voraus, dass entweder das gesamte Gebäude in der zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Gestalt ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet wurde oder aber seine Nutzung insgesamt einer erteilten Baugenehmigung nicht entspricht.

Im konkreten Fall entspricht die Nutzung nicht der erteilten Baugenehmigung: Es wurde etwas anderes (aliud) errichtet als genehmigt. Nach Ansicht der Baugenehmigungsbehörde wird das Vorhaben dadurch insgesamt als Schwarzbau. Da die nachträgliche Genehmigungsfähigkeit nicht offensichtlich ist (Stellplätze, Brandschutz etc.), wurde die Beschwerde gegen die Nutzungsuntersagung vom Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in einem unanfechtbaren Beschluss zurückgewiesen.

Autor*in: Ronald Kunze (Ronald Kunze, Dr.-Ing., Assessor für Städtebau, Stadtplaner IfR/SRL, Fachautor für Städtebau und Planungsrecht, war Lehrbeauftragter, leitete die Ortsplanungsstelle Leipzig und arbeitet heute als freischaffender Stadtplaner und Fachredakteur. Büro für Städtebau und Kommunalberatung, Langenhagen. Mitherausgeber „Das Praxishandbuch der Bauleitplanung und des Städtebaurechts“ (WEKA))