25.03.2024

Wo werden Schutzvorrichtungen manipuliert und warum?

Ob es um die Bereitschaft, Manipulationen vorzunehmen bzw. stillschweigend zu tolerieren, immer noch so katastrophal aussieht wie im Jahr 2006, wollten die Autoren einer aktuellen DGUV-Befragung wissen, die zwischen 2020 und 2022 durchgeführt wurde. Das Ergebnis der Befragung zeigt zunächst wenig Veränderung gegenüber der Analyse von 2006:

Maschine

So gehen 27,2 % der Befragten davon aus, dass in ihren Betrieben ständig oder vorübergehend manipuliert wird. Eine dauerhafte Manipulation findet offenbar in 10 % aller Betriebe statt. Dagegen werden in 17,2 % der Fälle Maschinenschutzeinrichtungen für die Durchführung bestimmter Tätigkeiten manipuliert und anschließend wieder in Betrieb genommen. Das heißt, die Manipulation wird wieder rückgängig gemacht. Die meisten Befragten glauben allerdings, dass sich Manipulation in den letzten Jahren verringert hat.

Die gute Nachricht ist, dass immerhin 81,4 % der Aussage zustimmen, dass Manipulation von Schutzeinrichtungen verboten und nicht zu tolerieren ist. Leider gibt es aber immer noch den großen „Rest“ von knapp 20 % der Interviewten, die sich gegenüber Manipulationen von Schutzeinrichtungen „flexibler“ zeigen. Unter ihnen sind 12,2 % der Ansicht, dass Manipulation zwar verboten, aber in Ausnahmefällen zu tolerieren sei.

Eine zwar sehr kleine, aber nicht zu vernachlässigende Minderheit von 1,5 % will von Verboten gar nichts wissen: Für diese Gruppe sind Manipulationen an Schutzeinrichtungen tolerierbar, sofern man sich mit der Maschine auskennt.

In welchen Branchen ist die Gefahr am größten?

Auffällig groß ist die Manipulationsneigung in Holz und Metall verarbeitenden Unternehmen. Hier schätzen 39,6 % der Befragten, dass die Schutzeinrichtungen manipuliert werden. Ebenfalls hohe Manipulationswerte verzeichnen mit 22,4 % die Betriebe der chemischen Industrie (BG RCI) sowie mit 23,6 % der Bereiche Energie, Textil, Elektro und Medienerzeugnisse (BG ETEM).

Welche Art von Schutzeinrichtungen wird am häufigsten manipuliert?

Auch dazu äußerten sich die Befragten. Unterscheiden lassen sich dabei bewegliche trennende Schutzeinrichtungen (z.B. Schutztüren mit der Möglichkeit zur Verriegelung) und feststehende trennende Schutzeinrichtungen (z.B. Schutzzäune) sowie nicht trennende Schutzeinrichtungen wie etwa eine Lichtschranke. Die Befragten konnten ihre Angaben ergänzen mit dem Hinweis auf die Häufigkeit von Manipulationen (nie, selten, häufig oder dauernd):

  • 45,4 % der Befragten in „Manipulationsbetrieben“ geben an, dass bewegliche trennende Schutzeinrichtungen davon betroffen sind: 39,1 % sagen „häufig“, 6,3 % sogar „dauerhaft“.
  • Im Mittelfeld befinden sich die feststehenden trennenden Schutzeinrichtungen mit insgesamt 32,1 % („dauernd“: 4,4 %, „häufig“: 27,7 %).
  • Nicht trennende Schutzeinrichtungen werden wohl als weniger störend empfunden. Unter den manipulierten Einrichtungen werden 14,9 % hier zugeordnet („dauernd“: 1,3 %, „häufig“: 13,6 %).

Warum wird überhaupt manipuliert?

Insbesondere die Störungssuche und die Störungsbeseitigung scheinen große Anreize für Manipulationen zu bieten: 63,3 % der Manipulationen dienen diesem Zweck. Auch die Aufgaben, Maschinen einzurichten und einzustellen (52,1 %) bzw. sie zu reparieren und instand zu setzen (51,1 %), betreffen nicht den laufenden Maschinenbetrieb, sondern Arbeitssituationen, wo dieser unterbrochen ist.

Führen fehlende Betriebsarten zu mehr Manipulationen?

Es fällt auf, dass meist Aufgaben betroffen sind, bei deren Durchführung Maschinenbewegungen beobachtet, Werkzeuge eingestellt oder Störungsursachen beseitigt werden müssen. Möglicherweise stellen die Maschinenhersteller (insbesondere bei älteren Modellen) dafür keine geeigneten Betriebsarten zur Verfügung – oder aber Beschäftigte sind einfach nicht ausreichend qualifiziert, um diese Betriebsarten zu nutzen.

Tragen Führungskräfte Mitverantwortung bei Manipulationen?

In 50,8 % der Betriebe, in denen Manipulationen vorkommen, wissen die Führungskräfte davon und tolerieren dies. Nur in 17 % der Betriebe geschieht das hinter dem Rücken der Vorgesetzten. Insofern sind Führungskräfte zurzeit vielfach eher Teil des Problems als Teil der Lösung.

Welche Rolle spielen die Hersteller?

Die Autoren der Befragung untersuchten auch die Rolle der Hersteller. Sehen Beschäftigte bei der Erstmontage, wie sich Schutzeinrichtungen manipulieren lassen, werden sie dazu angestiftet, diesem schlechten Beispiel zu folgen. Mehr als jede fünfte befragte Person gab an, schon mindestens einmal einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin einer Herstellerfirma bei einer Manipulation beobachtet zu haben. Die Befragten gehen davon aus, dass die Mitarbeitenden der Herstellerfirma den Beschäftigten ihres Betriebs Hinweise zur Manipulation gaben.

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Autor*in: Markus Horn