Untersuchung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Sowohl Arbeitsunfälle als auch Berufskrankheiten haben Ursachen, die ermittelt werden können. – sie sind kein unausweichliches Schicksal. Aus den Ursachen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten lassen sich Maßnahmen ableiten, die geeignet sind, gleichartige Unfälle und Erkrankungen in Zukunft zu verhüten. Dieser Beitrag zeigt, wie man die Fakten zum Unfallhergang sammelt, daraus die Unfallursachen ermittelt und schließlich die erforderlichen Maßnahmen ableitet. Es zeigt auch, wie die Sicherheitsfachkraft bei der Untersuchung von Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen unterstützen kann.
Vorschriften und Rechtsprechung
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
- Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
- DGUV Vorschrift 1 – Grundsätze der Prävention
Arbeitsunfälle
Die Untersuchung von Arbeitsunfällen im Betrieb gehört zu den Kernkompetenzen der Sicherheitsfachkraft. Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) formuliert diese Aufgabe in § 6 Nr. 3c so:
Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit […] haben insbesondere […] die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit […] Ursachen von Arbeitsunfällen zu untersuchen, die Unfallergebnisse zu erfassen und auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhütung dieser Arbeitsunfälle vorzuschlagen […] § 6 Nr. 3c ASiG
Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich bei einer von der gesetzlichen Unfallversicherung erfassten Tätigkeit ereignen. Dazu gehören insbesondere Tätigkeiten aufgrund von Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnissen.
Arbeitsbedingte Erkrankungen
In § 3 Nr. 3c ASiG wird zuvor fast wortgleich für arbeitsbedingte Erkrankungen formuliert:
Die Betriebsärzte […] haben insbesondere […] die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit […] Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen zu untersuchen, die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten und dem Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhütung dieser Erkrankungen vorzuschlagen […] § 3 Nr. 3c ASiG
Arbeitsbedingte Erkrankungen sind Gesundheitsstörungen, die ganz oder teilweise durch die Arbeitsumstände verursacht werden. Die Ursache-Wirkung-Beziehungen zwischen diesen Erkrankungen und betrieblichen Gesundheitsgefahren sind nicht so genau untersucht wie bei den Berufskrankheiten, weshalb sie auch nicht als solche von der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt werden.
Die Übergänge zwischen arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten sind fließend. Heutige arbeitsbedingte Erkrankungen können durch neue Erkenntnisse morgen als Berufskrankheiten anerkannt sein.
Berufskrankheiten
Für Berufskrankheiten sind die Ursache-Wirkung-Beziehungen wissenschaftlich gesichert und zumindest sehr wahrscheinlich. Sie sind in der von der Bundesregierung erstellten BK-Liste der Berufskrankheiten-Verordnung (BeKV) aufgeführt. Für jede dieser Erkrankungen sind die verursachenden Einwirkungen bekannt und beschrieben. Sind die Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung solchen Einwirkungen in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung ausgesetzt, wird das Vorliegen einer Berufskrankheit anerkannt.
Im Einzelfall können auch nicht gelistete Krankheiten anerkannt werden, wenn nach neuen Erkenntnissen die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Untersuchung von Berufskrankheiten obliegt den zuständigen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, also den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.
Untersuchungsgründe
Warum wird nun verlangt, Arbeitsunfälle, arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten oft recht aufwendig zu untersuchen?
Ganz einfach: Man will aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, dass sich die Unfälle und Erkrankungen nicht wiederholen.
Unfälle und Erkrankungen im Betrieb deuten darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen noch nicht so sind, wie sie sein sollen. § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) lautet:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. § 3 Abs. 1 ArbSchG
Die geforderte Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz ist nur möglich, wenn ständig nach neuen Erkenntnissen und geeigneten Maßnahmen gesucht wird. Die Untersuchung von Unfällen und Erkrankungen kann sehr zielgerichtet solche Erkenntnisse liefern.
Unterstützung und Zusammenarbeit
Wie beschrieben, gibt es im Wesentlichen drei Personengruppen, die beauftragt sind, den Unternehmer bei der Erfüllung seiner diesbezüglichen Pflichten zu unterstützen:
- Sicherheitsfachkräfte
- Betriebsärzte
- Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen
Jede dieser Gruppen hat spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, und so ist es sinnvoll, dass sie zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Oft machen sie sich dabei auch die Orts- und Personenkenntnisse der Sicherheitsbeauftragten zunutze.
Polizei und Staatsanwalt
Kommt jemand durch äußere Einwirkung zu Tode oder wird verletzt, so entscheidet der Staatsanwalt, ob polizeiliche Untersuchungen vorgenommen werden. Das ist in der Regel nach Todesfällen, schweren Verletzungen und/oder Ereignissen mit mehreren Verletzten der Fall. Unfalluntersuchungen durch die Polizei sollen feststellen, ob jemand vorsätzlich oder fahrlässig an den Verletzungen schuldig ist und ob ein öffentliches Interesse an der Bestrafung des oder der Schuldigen besteht.
Derartige Unfalluntersuchungen haben also eine andere Zielrichtung, werden aber nach ähnlichen Methoden durchgeführt. Die Befugnisse der Polizei gehen dabei sehr weit, und die gewonnenen Erkenntnisse sind auch für die Sicherheitsfachkraft von großem Wert. Umgekehrt ist die fachliche Kompetenz der Sicherheitsfachkraft für die polizeilichen Ermittlungen sehr nützlich, und sie ist wie jeder andere Bürger verpflichtet, diese zu unterstützen.
Wissenschaftliche Methodik
Zahlreiche Modelle zur Unfallentstehung haben zu ebenso zahlreichen Methoden zur Unfallanalyse geführt. Eine sehr gute Übersicht und Anleitung geben die Schriften von B. Fahlbruch und I. Meyer, die im Rahmen des Forschungsprojekts F 2287 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) herausgegeben wurden:
- Ganzheitliche Unfallanalyse – Leitfaden zur Ermittlung grundlegender Ursachen von Arbeitsunfällen in kleineren und mittleren Unternehmen (lange Fassung)
- Leitfaden zur Untersuchung von Arbeitsunfällen (kurze Fassung)