01.03.2022

So können Ersthelfer auch psychologische Erste Hilfe leisten

Medizinische Ersthelfer in den Betrieben sollten auch zu psychologischer Erster Hilfe befähigt sein und entsprechend unterwiesen werden. Denn frühzeitige psychologische Hilfe vermeidet gravierende Traumatisierungen bei direkt Betroffenen oder bei Zeugen eines Extremereignisses. Lesen Sie, welche Themen und Inhalte eine Unterweisung zu psychologischer Erster Hilfe haben sollte, um medizinische Ersthelfer einerseits zusätzlich zu qualifizieren – ihnen andererseits aber auch ein klares Bewusstsein ihrer Handlungsgrenzen zu vermitteln.

Mann leistet psychologische Erste Hilfe und tröstet eine Frau.

In der Regel ist davon auszugehen, dass medizinische Ersthelfer auch psychologische Erste Hilfe leisten können und sich eine entsprechende Fortbildung deshalb gerade bei diesem Personenkreis anbietet. Denn die wesentlichen persönlichen Eigenschaften, die psychologische Ersthelfer mitbringen müssen, gelten natürlich auch schon für die rein medizinische Ersthilfe.

Ersthelfer sollten achtsam, tolerant und hilfsbereit sein und sich zugewandt verhalten können. Sie sollten mit Stress gut umgehen können, vor allem in Krisensituationen handlungsfähig bleiben und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen.

Tipp: keine übermäßige psychologische Theorie

Generell gilt: Die Unterweisung in psychologischer Erster Hilfe muss sensibel erfolgen. Sind keine besonderen Gefährdungen durch Extremereignisse gegeben, sollten auch die Unterweisungen keine übermäßig psychologischen Elemente enthalten, um Überdruss durch gefühlte „Überpsychologisierung“ zu vermeiden

Thema Nummer 1 in der Unterweisung: Wie sich Ersthelfer selbst schützen

Ersthelfer müssen sich selbst bei der Bewältigung von Extremsituationen schützen können. Dazu müssen sie wissen, wie verletzlich sie auf Extremsituationen reagieren. Um das zu bewerten, sollen die Ersthelfer versuchen, sich an Extremereignisse aus ihrer Vergangenheit zu erinnern: Wie haben sie damals reagiert? Ging es ihnen anschließend schlecht? Was hat damals geholfen, die Situation gut zu verarbeiten?

Der nächste Schritt: Grundwissen vermitteln

Der zweite Schritt einer Schulung für psychologische Erste Hilfe sollte psychologisches Grundwissen vermitteln. Ersthelfer müssen wissen, wie Extremereignisse auf die Psyche von Menschen einwirken können und welche Folgen das haben kann. Das Krankheitsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und die Auswirkungen – nicht nur auf die Arbeitsfähigkeit, sondern auch auf die privaten Lebensumstände – sollen konkret dargestellt werden. Dieses Grundwissen hilft zugleich auch, die Ersthelfer davor zu schützen, selbst an einer PTBS zu erkranken.

Den Auftrag erklären: Was ein Ersthelfer vor allem tun muss

Klären Sie in der Unterweisung zur psychologischen Ersten Hilfe vor allem, wie der Auftrag eines Ersthelfers in psychologischer Hinsicht ganz konkret aussieht:

  • Ersthelfer sollten Betroffene identifizieren und aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich bringen. Sie achten dabei bestenfalls, neben den direkt Betroffenen, stets auch auf jene, die Augen- und Ohrenzeugen eines Extremereignisses wurden. Denn auch lediglich „miterlebte“ Geschehnisse können Menschen psychisch gefährden.
  • Eintreffende Notfallmediziner müssen auf die Personen, die von den Ersthelfern identifiziert wurden, aufmerksam gemacht werden.
  • Ersthelfer sollen Betroffene und Beobachtende in eine sichere und ruhige Umgebung bringen, bis sie von Fachpersonal untersucht werden können. Die Unterweisungen sollten deshalb auch darüber informieren, wo solche Schutzräume vorhanden sind. Dabei gilt, dass nach Möglichkeit für jede betroffene Person ein eigener Raum zur Verfügung stehen soll.
  • Da psychisch beeinträchtigte Personen häufig „einfach nach Hause“ möchten, soll sichergestellt werden, dass zu Hause Angehörige oder Freunde für diese Personen da sind.
  • Diese Bezugspersonen sollten zumindest kurz über das Geschehen und die möglichen psychischen Auswirkungen informiert werden sowie Kontaktdaten von Notdiensten erhalten, die bei später auftretenden Belastungen unterstützen können.
  • Auch an den Folgetagen sollen entweder die Ersthelfer oder andere damit Beauftragte sich um die Betroffenen kümmern, beispielsweise im Betrieb nachfragen, wie es ihnen geht.
  • Melden sich Betroffene krank oder erscheinen Betroffene unentschuldigt nicht am Arbeitsplatz, soll mit erhöhter Intensität versucht werden, sie zu erreichen. Gegebenenfalls sollte jemand aus dem Betrieb sie besuchen, um zu klären, ob es ihnen gut geht und ob sie die notwendige Unterstützung haben.

Die Grenzen markieren: Was Ersthelfer nicht können

Ersthelfer sind keine psychologischen Fachkräfte. Deshalb bleibt es den Notfallmedizinern überlassen, zu entscheiden, ob eine psychisch verletzte Person nach Hause gehen kann oder ob sie zur Beobachtung in ärztliche Obhut genommen wird.

Auch wenn die Ersthelfer sich im Anschluss um ihre Schützlinge kümmern, sollte dies nicht ohne Absprache mit dem BGM-Team bzw. mit der Personalabteilung geschehen. Eine Fachbegleitung muss gewährleistet sein. Denn im Nachgang zu Extremereignissen können Betroffene derart reagieren, dass ein Ersthelfer völlig überfordert sein kann.

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Autor*in: Markus Horn