02.06.2021

So steigern Sie die psychische Gesundheit mit Mental-Health-Apps

Als Arbeitsschutzverantwortlicher sind Sie kein Psychologe. Inzwischen gibt es aber viele Apps für die mentale Gesundheit, die Sie präventiv anbieten können, um psychische Belastungen zu verringern. Sie sind neuerdings aber auch tatsächlich gegen Rezept erhältlich – wenn Mitarbeiter selbst merken, dass der Stress oder die schlechte Stimmung nicht mehr zu bändigen ist.

Apps helfen bei der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz

Hinter den Begriffen „mentale Gesundheit“ oder „psychische Gesundheit“ am Arbeitsplatz verbirgt sich weit mehr als die bloße Abwesenheit psychischer Störungen wie Burn-out, Depressionen, Bore-out usw. Denn gemeint ist tatsächlich ein positiver Zustand u.a. mit

  • hohem Wohlbefinden,
  • hoher Zufriedenheit am Arbeitsplatz und
  • hoher Arbeitsmotivation.

Deswegen tun Unternehmen gut daran, sich nicht nur auf die körperliche Gesundheit ihrer Beschäftigten zu konzentrieren, sondern sich als Zielmarke auch eine hohe psychische oder mentale Gesundheit zu setzen. Gut, dass es inzwischen ein umfangreiches Angebot an Mental-Health-Apps gibt, die Unternehmen einsetzen können, um bei psychischen Beeinträchtigungen frühzeitig gegenzusteuern – sei es durch Online-Yoga-Angebote oder durch Apps, die bei psychischen Gesundheitsstörungen helfen.

Dauerhafter Stress kann die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz beeinträchtigen

Nicht nur Beschäftigte im Homeoffice spüren, dass die lange Zeit im Lockdown mental Spuren hinterlassen hat. Wer merkt, dass die Stimmung häufiger gedrückt und der Stress nicht mehr zu bändigen ist, könnte mit einer Mental-App Hilfe finden. Damit lässt sich nicht nur präventiv gegen schlechte Stimmung angehen. Vielmehr ist ein Teil dieser Apps schon auf Rezept zu haben – das gibt Betroffenen von psychischen Erkrankungen die Möglichkeit, selbst an ihren Themen zu arbeiten.

Wenn Beschäftigte psychisch erkranken, dauert es meist mehrere Monate, bis ein geeigneter Therapeut gefunden ist. Diese Zeit verstreicht oft ungenutzt und führt zu längeren Phasen der Arbeitsunfähigkeit, als bei schneller Behandlung notwendig wäre. Die Politik hat diese Problematik der Unterversorgung erkannt, wird jedoch nicht mehr klassische, von den Krankenkassen finanzierte Therapieplätze anbieten. Vielmehr setzt man auf „digitale Gesundheitsanwendungen“, die es für viele Krankheiten gibt.

Apps für den psychischen und mentalen Bereich werden oft auch „Mental-Apps“ genannt. Sie sollen, sofern sie ein Zertifizierungsverfahren erfolgreich durchlaufen haben, vom Arzt verschrieben und von den Patienten kostenfrei genutzt werden können.

So erhalten Beschäftigte kostenlos eine digitale Gesundheitsanwendung

Grundsätzlich können sich erkrankte Beschäftigte auf zwei Wegen eine digitale Gesundheitsanwendung verschaffen:

  • Der oder die Beschäftigte geht zum Arzt, lässt sich ein Rezept für eine digitale Gesundheitsanwendung ausschreiben und reicht es bei der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Diese erstellt einen Code, mit dem der oder die Beschäftigte die digitale Gesundheitsanwendung herunterladen kann.
  • Hat der oder die Beschäftigte bereits eine ärztliche Diagnose, sucht sich der Patient selbstständig eine digitale Gesundheitsanwendung und sendet an die Krankenkasse einen Antrag auf Kostenerstattung. Wird dieser bewilligt, wird auch hier ein Code übermittelt, mit dem die digitale Gesundheitsanwendung heruntergeladen werden kann.

Zur Recherche geeigneter Apps für die psychische Gesundheit (nicht nur) am Arbeitsplatz eignet sich am besten die Webseite https://diga.bfarm.de. Hier sind alle Apps aufgeführt, die das umfangreiche Zertifizierungsverfahren durchlaufen haben (womit der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit erbracht wurde).

Dabei ist die Liste nicht auf Mental-Apps beschränkt: Es gibt neben dem Auswahlpunkt „Psyche“ auch digitale Gesundheitsanwendungen zu den Themenkreisen Herz und Kreislauf, Hormone und Stoffwechsel, Krebs, Muskeln/Knochen/Gelenke, Nervensystem und Ohren.

Zusätzlich besteht noch die Möglichkeit, die technische Plattform (Apple App Store, Google Play Store und Webanwendung) auszuwählen. Die meisten dieser zertifizierten Apps funktionieren standardmäßig auf allen drei technischen Plattformen.

Tipp: Verschreibung durch den Facharzt

Ärzte unterliegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Konkret beinhaltet dies die Forderung, dass Leistungen notwendig und wirtschaftlich sein müssen. Da digitale Gesundheitsanwendungen nicht selten mehrere hundert Euro kosten, werden Allgemeinärzte sie eher selten verschreiben. Auch ist es für Allgemeinärzte sehr schwierig, bei der großen Anzahl von digitalen Gesundheitsanwendungen den Überblick zu bewahren.

Für erkrankte Beschäftigte ist es deshalb aussichtsreicher, sich beim Facharzt um ein entsprechendes Rezept zu bemühen: Dieser kann die Notwendigkeit besser beurteilen und verfügt im jeweiligen Bereich über einen besseren Überblick über das App-Angebot, das die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz stärkt.

Konzepte für Mental-Health-Apps

Mental-Apps verfolgen unterschiedliche Ansätze, die auf die jeweiligen Bedürfnisse der erkrankten Personen eingehen. Hier einige Beispiele mit verschiedenen Konzepten:

  • Yoga & Co.: Von Yoga über autogenes Training und Feldenkrais bis zu Pilates gibt es zahlreiche Kurse, den Körper fit und die Psyche stabil zu halten. Die meisten Kurse müssen zunächst selbst bezahlt werden; hat der Nutzer alle Module erfolgreich durchlaufen, erhält er von der Krankenkasse einen Teil oder manchmal sogar die gesamten Kosten erstattet.
  • Selfapy (zur Stressbewältigung): Manche Anbieter arbeiten wie Selfapy mit Kurssystemen, die die Patienten selbstständig innerhalb einer bestimmten Zeit durchlaufen.
  • Deprexis (bei depressiven Erkrankungen): Nach dem Kauf der Software erhalten die Nutzer eine Erstberatung per Video, in der sie eingewiesen werden und Fragen stellen können. Sobald bestimmte Meilensteine erreicht wurden, können sie erneut eine Videoberatung buchen.
  • Invirto (bei Angsterkrankungen): Hier wird die Software im Rahmen einer medizinischen Behandlung eingesetzt. Nach einer persönlich durchgeführten Anamnese und einer Einführung in die App arbeiten die erkrankten Personen selbstständig weiter, haben aber immer wieder Kontakt mit Medizinern und Therapeuten.

Die unterschiedlichen Konzepte lassen sich beispielsweise wie folgt einteilen:

Ansatz Ablauf Beispiel
autonome Selbstbehandlung Nutzer melden sich an und arbeiten selbstständig mit der App an ihren Problemen. www.moodgym.de (Verstimmungen und Depressionen)
autonome Selbstbehandlung mit Videoberatung Nutzer starten mit einer Erstberatung per Video und arbeiten dann selbstständig weiter. Bei bestimmten Meilensteinen können sie dann wieder eine Videoberatung in Anspruch nehmen. www.deprexis.de (Depressionen)
autonome Selbstbehandlung mit medizinischer Begleitung Ein Therapeut führt eine Anamnese durch und führt in die Software ein. Während der autonomen Selbstbehandlung gibt es immer wieder Kontakt mit dem Fachpersonal. www.invirto.de (Angsterkrankungen)
Kurssysteme Der Nutzer meldet sich an und durchläuft innerhalb einer bestimmten Zeit einen Kurs. www.selfapy.de (Stressbewältigung, Depression)

Tipp: Einblick in Mental-Health-Apps – mit dem kostenlosen Moodgym

Wer sich ohne Vorlauf kundig machen möchte, wie umfangreiche Mental-Apps zur Selbstbehandlung psychischer Erkrankungen funktionieren, kann Moodgym ausprobieren (www.moodgym.de). Die Krankenkasse AOK hat diese wissenschaftlich geprüfte Software, die aus Australien stammt und in vielen Ländern der Welt verbreitet ist, ins Deutsche übersetzen und an deutsche Verhältnisse anpassen lassen. Inhaltlich besteht die App aus vielen Fragen, die beantwortet werden sollten, und verschiedenen Rollen, die Patienten einnehmen können. Interessierte können sich auf der Startseite den Kurzfilm ansehen, in dem die weitere Vorgehensweise dargestellt ist. moodgym (übersetzt ungefähr „Fitness für die Seele“) ist kostenlos.

Weitere Apps für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

Da das Zertifizierungsverfahren für die App-Anbieter sehr aufwendig ist, listet https://diga.bfarm.de derzeit sieben Mental-Apps, die kostenlos auf Rezept bezogen werden können. Es gibt jedoch eine große Anzahl von nicht zertifizierten Apps, die häufig zielgerichtet auf einzelne Probleme Hilfestellungen geben und oft auch präventiv wirksam sind. Manche dieser Apps sind kostenlos, andere wiederum sind kostenpflichtig. Hierzu eine Reihe von Beispielen:

  • Mynoise: Mit dieser App können Beschäftigte, die im Homeoffice sitzen, Hintergrundgeräusche aus dem Büro simulieren. Die einzelnen Geräuschquellen lassen sich individuell einstellen. Auf der Website gibt es auch noch viele weitere Geräuschkulissen.
  • Headspace: Entspannung, Ruhe, Achtsamkeit und vor allem schlafen können: Das verspricht die bekannte Meditations-App Headspace. Der Ansatz ist, den Kopf frei zu bekommen – dann lässt auch der Stress nach. Ein 10-teiliger Kurs ist kostenlos, dann muss bezahlt werden.
  • Balloon-App: Hier wird der Stress mit angeleiteten Meditationen bekämpft. Dabei geht es nicht darum, innerlich leer zu werden, sondern sich auf einen Gedanken zu konzentrieren und den „inneren Lärm“ so weit zu beruhigen, dass die Nutzer herunterkommen. Die App ist als Abonnement konzipiert; einige Teilangebote lassen sich kostenlos nutzen. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Aktionen mit Ermäßigungen von 50 % und mehr.
  • Calm: Hier geht es darum, sich zu beruhigen. Eine kostenlose Basisversion bietet täglich 5 Minuten Meditation sowie eine 7-tägige Meditationsstrecke und 2 geführte Meditationen. Wer mehr will, muss ein Abonnement abschließen.
  • Moodpath: Wer mit Stimmungsschwankungen zu kämpfen hat oder einfach nur seine mentale Gesundheit beobachten möchte, kann mit moodpath ein Tagebuch führen und beantwortet Fragen zur mentalen Gesundheit. Im Laufe der Zeit gibt die App immer zielgerichteter Rückmeldung, wie es um Stimmung und Psyche bestellt ist.
  • 7mind: Bei diesem Anbieter können Betroffene einen Stresspräventionskurs buchen und in 8 Modulen von je 50 Minuten lernen, wie sie mit Stress gesund umgehen. Der Kurs ist kostenpflichtig, wird jedoch von den gesetzlichen Krankenkassen ganz oder teilweise erstattet (je nach Krankenkasse).
  • Jourvie: mehrere Apps zur Unterstützung von Betroffenen und Angehörigen bei Essstörungen, z.B. die kostenlose Möglichkeit, Essprotokolle auf dem Smartphone zu führen
  • Ifightdepression: App zur Selbstorganisation für Menschen, die von Depression betroffen sind
  • Breathball: Die kostenlose App wurde vor allem für Personen mit Ängsten entwickelt. Betroffene atmen im Rhythmus des Breathball ein und aus; durch die Visualisierung der Atmung beruhigen sich Betroffene oft innerhalb von 3 Minuten und bauen Stress ab.
  • MyTherapy: Erinnerungsfunktion, wann welche Medikamente eingenommen werden sollen – kostenlos und werbefrei.

 

Autor*in: Martin Buttenmüller