Corona-Notfallplan: In 6 Schritten zum Pandemieplan
Wenn im Herbst, Winter und Frühjahr die Grippewelle und die Corona-Infektionen gleichzeitig auftreten, kann es im schlimmsten Fall wieder zu umfangreichen Personalausfällen kommen. Ihr betrieblicher Infektionsschutz versucht sicherzustellen, dass es nicht zum schlimmsten - nämlich Betriebsschließungen - kommt. Ein Pandemieplan fragt danach, was zu tun ist, wenn es trotz aller Anstrengungen doch passiert. Falls Sie noch keinen Pandemieplan haben, erstellen Sie jetzt einen. Und wenn Sie schon einen haben, dann bringen Sie ihn durch eine Aktualisierung auf den neuesten Stand.
Minimalbetrieb aufrechterhalten durch durchdachten Pandemieplan
Ein betrieblicher Notfallplan legt Kernprozesse fest, die ohne Unterbrechung weiterlaufen müssen, auch wenn viele Mitarbeiter fehlen oder der Rohstoffnachschub ins Stocken gerät. Er ist das Ergebnis durchdachter Ziele, Strategien und Kommunikation, nicht von überhasteten Entscheidungen. Deshalb minimiert er recht wirksam wirtschaftliche Belastungen für Unternehmen und schützt gleichzeitig die Gesundheit von Arbeitnehmern.
Wenn Sie an Ihrer betrieblichen Notfallplanung arbeiten, können Sie sich am „Handbuch für betriebliche Pandemieplanung“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe orientieren (aktuelle Fassung Stand 2010). Zwar explizit für eine mögliche Influenzapandemie geschaffen, finden sich dort auch für die aktuelle Situation viele sinnvolle Vorschläge.
Schritt 1: Bestimmung elementarer Geschäftsprozesse
Ein erster wichtiger Schritt besteht darin, dass Sie die möglichen Auswirkungen einer zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus auf das Unternehmen prüfen. Häufige Beispiele für elementare Geschäftsprozesse sind Auftragsbearbeitung, Produktion, Vertrieb und Service – letztlich also alle Prozesse, die mit den Kunden und Abnehmern zu tun haben. Dagegen scheinen in dieser Kurzfristperspektive Geschäftsprozesse wie strategische Ausrichtung, Marketing und die langfristige Produktentwicklung weniger elementar zu sein (in der langfristigen Perspektive sind sie es selbstverständlich).
Auf der Basis dieser Informationen klären Sie dann:
- Welche Geschäftsprozesse sind essenziell und welche Auswirkungen hätte ihr Ausfall auf das Unternehmen?
- Bestehen besondere Vorgaben, wie z.B. gesetzliche Verpflichtungen oder Rechtsverordnungen zur Aufrechterhaltung von Geschäftsprozessen?
- Bestehen besondere vertragliche Verpflichtungen gegenüber Kunden oder gegenüber der Allgemeinheit, bestimmte Produkte herzustellen oder Leistungen zu erbringen?
- Welche wirtschaftlichen Folgen hätte der Ausfall von Geschäftsprozessen für das Unternehmen?
Schritt 2: Wie werden betriebliche Geschäftsprozesse konkret durchgeführt?
Die einzelnen elementaren Geschäftsprozesse müssen nun, um einen handlungsorientierten Ansatz zu generieren, in konkreten betrieblichen Geschäftsprozessen beschrieben werden. So enthält z.B. der Geschäftsprozess „Auftragsbearbeitung“ zahlreiche Prozesse, die jeder für sich oder in Kombination miteinander ausfallen können: So sind mit dem Prozess der Auftragsannahme so unterschiedliche Unternehmensbereiche beschäftigt wie:
- Außendienst
- Callcenter
- Online-Team
Gliedern Sie alle Prozesse auf und beschreiben Sie, welche Unternehmensbereiche in welcher Weise damit betraut sind.
Schritt 3: Wie zeitkritisch sind die Geschäftsprozesse?
Manche Geschäftsprozesse sind zwar elementar, jedoch hinsichtlich eines Ausfalls erst auf mittlere bis längere Sicht kritisch. Ein anschauliches Beispiel dafür sind elementare Vorprodukte und Rohstoffe, die Sie reichlich auf Lager haben. Ein Ausfall eines wichtigen Lieferanten wird sich deshalb erst auf mittlere Sicht auswirken und zu Engpässen führen. Deshalb müssen in einem Pandemieplan Geschäftsprozesse auch nach dem Zeitfaktor beurteilt werden, damit im Ernstfall klar ist, was in welcher Reihenfolge zu bearbeiten ist.
Schritt 4: Wie umfassend sind die Folgen eines Ausfalls?
Manche Geschäftsprozesse sind zwar elementar, wirken sich jedoch nur auf einen begrenzten Teil der Wertschöpfungskette aus. Andere Ausfälle dagegen sind elementar und betreffen alle oder fast alle Wertschöpfungsketten, weil sie zur grundlegenden Infrastruktur gehören. Wichtig beispielsweise ist die Zufuhr von Energie, z.B. in Form von Strom und Gas: Deren Ausfall könnte den gesamten Betrieb lahmlegen.
Schritt 5: Was sind die Handlungsoptionen?
Wenn Sie die Informationen in den Schritten 1 bis 4 zusammengetragen haben, geht es um die Bewertung:
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Welche Prozesse (in Einzelfällen wie im IT-Bereich auch: welche Personen?) sind für die elementaren betrieblichen Geschäftsprozesse unentbehrlich und können nicht ersetzt werden?
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Welche Funktionen können in einer Kurzfristbetrachtung entfallen?
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Welche betrieblichen Geschäftsprozesse sind ersetzbar? So können Sie für eine bestimmte Weile den Außendienst einstellen und Aufträge online oder über Ihr Callcenter annehmen.
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Welche betrieblichen Geschäftsprozesse können zeitlich gestreckt werden? So könnte ein durch einen hohen Krankenstand dezimiertes Service-Team nur noch die dringendsten und/oder die wichtigsten Serviceprozesse durchführen.
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Wie können Prozesse anderweitig so angepasst werden, dass sie auch mit weniger Mitarbeitern durchführbar bleiben?
Diese Handlungsoptionen sind nun Ihr „Werkzeugkasten“, mit dem Sie eine Pandemie bewältigen können.
Schritt 6: Pandemieplan erstellen
Für die entsprechenden konkreten Maßnahmen müssen Zeitpunkte der Durchführung vereinbart werden. Dies kann z.B. das Auftreten einer ersten Corona-Erkrankung oder das Erreichen eines bestimmten Krankenstands sein. Wichtige Bestandteile Ihres Pandemieplans:
Betriebliche und personelle Planung
- Benennen Sie (einen) Verantwortliche(n) für die Planung und die Vorbereitungsmaßnahmen für eine Pandemie.
- Legen Sie ein Führungskonzept für eine Pandemie fest.
- Bestimmen Sie die Kernfunktionen Ihres Betriebs sowie die Bereiche, deren Betrieb vorübergehend eingestellt werden kann.
- Legen Sie Schlüsselpersonen für diese Kernfunktionen fest inkl. entsprechender Vertretungsregelungen. Gegebenenfalls müssen Sie die Versorgung und Betreuung der aktiven Mitarbeiter planen-
- Treffen Sie Maßnahmen, um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren, z.B. Vereinzelung, Schichtregelung, Einrichten von Heimarbeitsplätzen.
- Treffen Sie Absprachen mit Geschäftskunden und Lieferanten.
- Bauen Sie Kontakt zu Einrichtungen außerhalb des Betriebs auf.
- Treffen Sie Vorsorge für Mitarbeiter im Ausland.
- Planen Sie auch die Rückkehr zur Normalität (nach der Pandemie).
Beschaffung von Hilfsmitteln
Legen Sie fest, welche Hilfsmittel Sie in welcher Anzahl brauchen, z.B:
- persönliche Schutzausrüstung (Atemschutzmasken, Handschuhe, Schutzkleidung)
- Reinigungs- und Desinfektionsmittel
- Arzneimittel
Informationspolitik
- Klären Sie, was Sie im Fall der Fälle Mitarbeitern, Kunden und Öffentlichkeit sagen.
- Sie sollten Mitarbeiter zu hygienischem Verhalten unterweisen und anleiten.
- Klären Sie, wie Sie Informationen an Mitarbeiter weitergeben (z.B. E-Mail, Intranet, Aushänge, über private Handynummern).
- Eigentlich selbstverständlich: Halten Sie sich über die aktuelle Situation auf dem Laufenden, z.B. indem Sie die Informationen des Robert-Koch-Instituts verfolgen.
Ggf.: vorbereitende medizinische Planung
- Planen Sie Aufgaben, Umfang und Spezifikation des medizinischen Personals.
- Verpflichten Sie medizinisches Personal.
- Legen Sie die besonderen Arbeitsabläufe in der Pandemiephase fest.
- Kümmern Sie sich um besondere Schutzmaßnahmen für das medizinische Personal.
Legen Sie bei jeder vorgesehenen Maßnahme außerdem fest, ab welchem Zeitpunkt bzw. bei welchen Rahmenbedingungen Sie auf diese zurückgreifen möchten.
Rückkehr zur Normalität
Auch die Rückkehr zur Normalität müssen Sie planen. Die Beschäftigten müssen informiert werden, wann und in welchen Schritten der Betrieb wieder aufgenommen wird. Lieferanten und Kunden müssen erfahren, wann die Produktion bzw. die Dienstleistungen wieder zur Verfügung stehen. Die Erfahrungen der vergangenen Pandemie müssen in der Notfall- und Katastrophenplanung des Betriebs berücksichtigt werden.
Fazit
Ein betrieblicher Notfallplan bettet einzelne Maßnahmen in eine umfassende Strategie ein, die Mitarbeiter schützt und Unternehmen gleichzeitig ermöglicht, grundlegenden Funktionen oder Produktionen aufrechtzuerhalten.
Das Vorgehen, das das Bundesamt hier vorschlägt, ist flexibel genug, um unterschiedlichen Arbeitsbedingungen gerecht zu werden: An einem Büroarbeitsplatz mit ausreichend gelüfteten Einzelbüros existiert natürlich ein anderes Ansteckungsrisiko als in einer medizinischen Einrichtung, in der Arbeitnehmer häufig mit Erkrankten in Berührung kommen.