Mutterschutzgesetz: Wesentliche Neuregelungen seit 1.1.2018
Das neue Mutterschutzgesetz ist zum 01.01.2018 in Kraft getreten. Von den Regelungen sind mehr Mütter betroffen, auch wird der Arbeitsschutz für sie verstärkt. Und zukünftig gilt es, statt eines Beschäftigungsverbots die Arbeitsplätze gemäß der neu zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung umzugestalten. Dafür gibt es mehr Möglichkeiten, die Arbeitnehmerinnen flexibel zu beschäftigen.
Mehr Frauen als bislang vom Mutterschutzgesetz betroffen
Bisher galt das Gesetz nur für Frauen, die fest bei einem Arbeitgeber angestellt waren. Jetzt schützt es auch schwangere oder stillende Schülerinnen, Praktikantinnen und Studentinnen. Sie dürfen verpflichtenden Veranstaltungen oder Praktika fernbleiben, ohne deshalb Nachteile fürchten zu müssen.
Ganz konkret können sich werdende Mütter auch in folgenden Beschäftigungsverhältnissen neu auf das Mutterschutzgesetz berufen:
- Frauen in betrieblicher Berufsausbildung und Praktikantinnen i. S. von § 26 des Berufsbildungsgesetzes
- Frauen mit einer Behinderung, die in einer entsprechenden Werkstatt beschäftigt sind
- Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind (jedoch ohne Anspruch auf finanzielle Leistungen)
- Schülerinnen und Studentinnen, soweit die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt.
Schutzfristen verlängert
Nach einer Fehlgeburt ab der 12. Schwangerschaftswoche erhalten Frauen künftig grundsätzlich einen viermonatigen Kündigungsschutz. Bisher galt dies nur für den Fall, dass das totgeborene Baby bereits über 500 Gramm wog.
Bringt eine Mutter ein behindertes Kind zur Welt, dehnt sich die Schutzfrist von acht auf zwölf Wochen aus. Damit soll berücksichtigt werden, dass eine solche Geburt mit besonderen Belastungen verbunden ist.
Anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilungen
Unternehmen müssen Gefährdungen für schwangere oder stillende Frauen abschätzen und beurteilen – und zwar für jede Tätigkeit, unabhängig davon, ob hier aktuell schwangere oder stillende Frauen arbeiten, sogar unabhängig davon, ob es im Betrieb überhaupt weibliche Mitarbeiter gibt (§ 10 Absatz 1 MuSchG). Den Bürokratiezuwachs, der durch diese sogenannte anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung entstehe, haben Arbeitgeberverbände immer wieder gegen das neue Mutterschutzgesetz in Stellung gebracht.
Mehr Maßnahmen, weniger Beschäftigungsverbote
Sobald eine Mitarbeiterin bekannt gibt, dass sie ein Kind erwartet, muss ihr Arbeitgeber Mittel und Wege finden, sie an ihrem Arbeitsplatz zu schützen. Eventuell läuft das auf veränderte Aufgabengebiete oder auf eine Umgestaltung der Büros hinaus. Wer zum Beispiel überwiegend im Stehen arbeitet, muss die Möglichkeit haben, sich immer wieder hinzusetzen. Auch nimmt das neue Mutterschutzgesetz den Arbeitgeber in die Pflicht, seiner schwangeren Mitarbeiterin ein persönliches Gespräch anzubieten, um sich dort über weitere individuelle Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen zu besprechen.
Dieser Fokus auf individuellen Schutzmaßnahmen rührt daher, dass die Neuregelung des Mutterschutzgesetzes erzwungene Beschäftigungsverbote reduzieren möchte. So durften in der Vergangenheit Arbeitnehmerinnen bestimmter Berufsgruppen (Ärztinnen, Laborantinnen) auch gegen ihren Willen ihren Beruf nicht mehr ausüben, weil der Arbeitgeber die Umgestaltung der Arbeitsplätze für zu aufwendig erachtete. Seit 1.1.2018 müssen Betriebe deshalb, bevor sie ein betriebliches Beschäftigungsverbot aussprechen, immer zunächst individuelle Maßnahmen ergreifen, um die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.
Um es Arbeitgebern zu erleichtern, die Beschäftigungsmöglichkeiten schwangerer oder stillender Frauen korrekt zu bewerten, führt das Gesetz einen neuen Rechtsbegriff ein: die „unverantwortbare Gefährdung“ (§ 9 MuSchG).
„Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens für Mutter oder (ungeborenes) Kind nicht hinnehmbar ist“(§ 9 Abs. 2 MuSchG).
Diese Definition ist zurecht als sehr schwammig und wenig hilfreich kritisiert worden. In der Theorie dachte sich der Gesetzgeber das wohl so:
Hat der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung eine unverantwortbare Gefährdung ausgemacht, darf er die Mitarbeiterin nicht mehr auf diesem Arbeitsplatz beschäftigen. Er muss dann zunächst versuchen, diese unverantwortbare Gefährdung durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen, und er muss auch überprüfen, ob ihm dies gelungen ist. Falls nein, kommt er auf die Mitarbeiterin zu und bietet ihr einen anderen geeigneten Arbeitsplatz an.
Das neue Mutterschutzgesetz listet außerdem in den Paragraphen 11 und 12 einen ganzen Katalog an Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen auf, die schwangeren und stillenden Frauen nicht zugemutet werden dürfen.
Meldepflichten
Unternehmen müssen der zuständigen Aufsichtsbehörde schwangere oder stillende Beschäftigte melden. Das Bundesfamilienministerium hat auf seiner Website eine Liste der zuständigen Behörden in den Bundesländern zusammengestellt
Neue Arbeitszeitregelungen
Insgesamt dürfen Unternehmen die Arbeitszeiten schwangerer und stillender Frauen nun flexibler gestalten – sofern diese sich dazu bereit erklären. So verbietet das neue Mutterschutzgesetz zwar Sonn- und Feiertagsarbeiten grundsätzlich über alle Branchen hinweg, Ausnahmen davon sind jedoch – ebenfalls branchenunabhängig- denkbar (§ 6 MuSchG).
Voraussetzungen für Sonn- und Feiertagsarbeit
- Sonn- oder Feiertagsarbeit ist nach § 10 Arbeitszeitgesetz erlaubt.
- Die Mitarbeiterin nimmt im Anschluss an Sonn- und Feiertagsarbeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden und im Anschluss einen Ersatzruhetag in Anspruch.
- Auch arbeitet sie nicht alleine – das würde eine unverantwortbare Gefährdung darstellen, weil schwangere Mitarbeiterinnen stets laut nach § 2 Absatz 4 MuSch die Möglichkeit haben sollen, Hilfe herbeizurufen, falls nötig.
- Für Schülerinnen oder Studentinnen gilt: Zu Ausbildungszwecken ist ihre Anwesenheit an Sonn- und Feiertagen zwingend erforderlich.
Selbst Mehrarbeit kann der Arbeitgeber anordnen, sofern die Mitarbeiterin nicht mehr als achteinhalb (bei minderjährigen Frauen acht) Stunden täglich oder 90 (bei minderjährigen Frauen 80) Stunden in einer
Auch wird es künftig möglich sein, schwangere oder stillende Frauen zwischen 20 und 22 Uhr zu beschäftigen – die Genehmigung der örtlichen Aufsichtsbehörde vorausgesetzt (siehe § 28 MuSchG)
Diese Unterlagen müssen dem Antrag bei der Aufsichtsbehörde beiliegen
- Einwilligungserklärung der betroffenen Mitarbeiterin
- Ärztliches Zeugnis (Unbedenklichkeitsbescheinigung)
- Bestätigung, dass keine unverantwortbare Gefährdung, insbesondere durch Alleinarbeit, vorliegt.
Übrigens: Keine Nachricht ist hier eine gute Nachricht. Meldet sich die Aufsichtsbehörde sechs Wochen lang nicht, nachdem Betriebe den Antrag abgegeben haben, gilt die Genehmigung als erteilt. Für Schülerinnen und Studentinnen gelten hier abweichende Regelungen (siehe § 5 Abs. 2 MuSchG).
In begründeten Einzelfällen dürfen Schwangere oder Stillende sogar zwischen 22 und 6 Uhr morgens beschäftigt werden (§ 29 Abs. 3 MuSchG).
Sonstige Inhalte
Neben diesen konkreten Regelungen für den Mutterschutz im Betrieb hat das neue Gesetz noch einige formale Änderungen mit im Gepäck. So soll beispielsweise nun ein Ausschuss für Mutterschutz eingerichtet werden, in dem Vertreter der Arbeitgeber, der Ausbildungsstellen, Gewerkschaften, Studierenden und Länder das Bundesfamilienministerium beraten. Außerdem ist die Aufsichtsbehörde jetzt nach § 29 Absatz 4 MuSchG verpflichtet, die Fragen von Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen über ihre Rechte und Pflichten nach dem MuSchG zu beantworten.
Das Mutterschutzgesetz wurde am 29. Mai 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.