Die Grundlagen der Gefahrstoffverordnung
Die wichtigste, auf das Chemikaliengesetz gestützte Verordnung ist die Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV) vom 26.11.2010, in der Fassung der Änderungen vom 15.11.2016 (BGBl. I S. 2549), zuletzt geändert durch Artikel 148 des Gesetzes vom 29.03.2017 (BGBl. I S. 626), im Weiteren als GefStoffV 2016 bezeichnet. Anders als frühere Verordnungen bis 2005 ist die Verordnung seit 2010 neben dem Chemikaliengesetz vor allem auch auf das Arbeitsschutzgesetz von 1996 gestützt, das im zweiten bis vierten Abschnitt durch die Verordnung konkretisiert wird.
Regelungsgegenstand der Gefahrstoffverordnung
Ähnlich wie die EG-Richtlinien und -Verordnungen über gefährliche Stoffe als Grundlage des deutschen Chemikalienrechts und das Chemikaliengesetz enthält die Gefahrstoffverordnung Vorschriften zu
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Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen,
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Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen und
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Tätigkeiten mit Gefahrstoffen.
Verbote und Beschränkungen
Die Verbote des Inverkehrbringens bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse waren früher zusammen mit anderen Handelsverboten in der Chemikalien-Verbotsverordnung enthalten; sie sind jedoch seit dem 01.06.2009 in Anhang XVII der REACH-Verordnung als unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltender Rechtsvorschrift geregelt. Zuständig für diese Verordnung ist jedoch nicht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), sondern das Umweltministerium (BMUB).
Wegen der Regelungen in Anhang XVII der REACH-Verordnung wurden in der GefStoffV schon 2010 die meisten Bestimmungen im früheren Anhang IV „Herstellungs- und Verwendungsverbote“ gestrichen; erhalten blieben nur diejenigen Regelungen, die nationale deutsche Besonderheiten enthalten (§ 17 und Anhang II).
Neue Begriffe im Gefahrstoffrecht
Durch REACH und GHS wurden neue Begriffe in das Chemikalienrecht eingeführt, die in der Gefahrstoffverordnung erst durch die Änderungen vom November 2016 umgesetzt wurden, z.B. die neuen Gefahrenklassen statt der bisherigen Gefährlichkeitsmerkmale oder dem Begriff „Gemische“ statt „Zubereitungen“.
Dies sollte ursprünglich mit der bis zum 31.05.2015 geplanten Verordnungsänderung im Zusammenhang mit dem vollständigen Inkrafttreten der CLP-Verordnung erfolgen; da aber im Zusammenhang mit den zusätzlich geplanten inhaltlichen Änderungen, z.B. zu Tätigkeiten mit Asbest, keine Einigung erzielt werden konnte, musste nach einer Mahnung durch die EU-Kommission die formale Anpassung kurzfristig vorgezogen werden.
Änderungen aufgrund der Betriebssicherheitsverordnung
Mit der Änderung der Verordnung vom Februar 2015 wurden die Vorschriften zum Brand- und Explosionsschutz aus Anhang 3 und 4 der Betriebssicherheitsverordnung in die Gefahrstoffverordnung übertragen.
Die Änderung von 2017 fügte lediglich in Anhang I Nr. 3.6, Nr. 4.3.2 und Nr. 5.4.2.3 das Recht der zuständigen Behörde ein, bei elektronischen Anzeigen Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der der Anzeige beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form zu verlangen.
Aufbau der Gefahrstoffverordnung
Die Gefahrstoffverordnung gliedert sich grundsätzlich in einen „Paragrafenteil“ mit insgesamt sieben Abschnitten und 25 Paragrafen (und damit einen vergleichbaren Umfang wie die früheren Verordnungen) und in drei Anhänge, wobei Anhang III erst mit der Änderungsverordnung vom 15.07.2013 eingefügt wurde:
Paragrafenteil
Abschnitt 1: Zielsetzung, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Abschnitt 2: Gefahrstoffinformation
Abschnitt 3: Gefährdungsbeurteilung und Grundpflichten
Abschnitt 4: Schutzmaßnahmen
Abschnitt 5: Verbote und Beschränkungen
Abschnitt 6: Vollzugsregelungen und Ausschuss für Gefahrstoffe
Abschnitt 7: Ordnungswidrigkeiten und Straftaten
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Anhänge
Anhang I: Besondere Vorschriften für bestimmte Gefahrstoffe und Tätigkeiten
Anhang II: Besondere Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen für bestimmte Stoffe, Gemische und Erzeugnisse
Anhang III: Spezielle Anforderungen an Tätigkeiten mit organischen Peroxiden
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Die früheren Anhänge I „In Bezug genommene Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft“ und II „Besondere Vorschriften zur Information, Kennzeichnung und Verpackung“ sind seit 2010 nicht mehr Bestandteil der Verordnung, da jetzt in § 4 „Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung“ auf die heute einschlägigen Regelungen (CLP-Verordnung) Bezug genommen wird.
Der früher in der Verordnung enthaltene Anhang V „Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen“ war bereits mit Wirkung zum 24.12.2008 in die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) überführt worden.
Während der Paragrafenteil der Verordnung die grundlegenden Anforderungen enthält, sind in den Anhängen weitere Einzelheiten zu den jeweiligen Regelungsbereichen ausgeführt.
Modifiziertes Schutzstufenkonzept
Die mit der CLP-Verordnung verbundenen Änderungen im Einstufungs- und Kennzeichnungssystem der EU waren mit dem früheren Schutzstufenkonzept der GefStoffV von 2005 nicht verträglich und hätten zu erheblichen Problemen bei der Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen geführt.
Die frühere enge Bindung der Schutzstufen an die Kennzeichnung funktionierte nur mit dem alten EG-System, das auf die Gefahrstoffrichtlinie 67/548/EWG ausgerichtet war. Für eine reibungslose Integration des neuen Kennzeichnungssystems in den betrieblichen Arbeitsschutz musste daher die frühere enge Kopplung der Schutzstufen an die Kennzeichnung aufgegeben werden.
Immer noch kein Ampelmodell
Das vor der Einführung der Gefahrstoffverordnung von 2005 heftig diskutierte Ampelmodell mit risikobasierten Arbeitsplatzgrenzwerten ist immer noch nicht Bestandteil der jetzigen Verordnung, obwohl der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) bereits 2007 geeignete Risikoschwellen beschlossen hatte. Das Modell wurde zunächst in einigen Pilotprojekten erprobt; nachdem es sich hierbei bewährt hatte, sollte es eigentlich in der für 2015 geplanten Anpassung der Gefahrstoffverordnung in die Verordnung aufgenommen werden.
In diesem Zusammenhang wurde auch die Anpassung der Vorschriften für Tätigkeiten mit Asbest diskutiert. Insbesondere sollten die Regelungen in Anhang II Nr. 1.4 praxisgerechter und „rechtssicher“ gestaltet und an das ERB-Konzept des AGS angepasst werden.
Was in diesem Zusammenhang unter „rechtssicher“ zu verstehen ist, wurde in einem Vortrag aus dem BMAS auf dem Arbeitsschutzkongress A+A im Oktober 2015 deutlich: In den letzten Monaten war den Akteuren nämlich ins Bewusstsein getreten, dass Asbest in viel mehr Bereichen – insbesondere in der Bauwirtschaft – eine Rolle spielt als zuvor angenommen:
So ist Asbest in vielen Bauprodukten enthalten, an die bisher niemand gedacht hat und für die das in der Öffentlichkeit auch kaum bekannt war, wie etwa in Putzen und Spachtelmassen für den Innen- und Außenbereich.
Dies bedeutet, dass weitaus mehr Beschäftigte der Bauwirtschaft bei ihren Tätigkeiten gegenüber Asbest exponiert waren – und bei Renovierungsarbeiten auch heute noch sind –, ohne dass dies bisher problematisiert wurde, etwa
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Maler und Anstreicher bei der Grundierung und beim Glätten von Oberflächen vor einem neuen Anstrich oder vor dem Tapezieren oder
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Elektriker beim Stemmen von Schlitzen für die Verlegung neuer Elektro- oder Kommunikationsleitungen.
Hinzu kommt, dass diese Tätigkeiten derzeit eigentlich nach Anhang II Nr. 1 Abs. 1 Ziff. 2 GefStoffV verboten sind:
(1) Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden, Geräten, Maschinen, Anlagen, Fahrzeugen und sonstigen Erzeugnissen sind verboten.
Satz 1 gilt nicht für
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Da in diesem Bereich mangels Problembewusstsein bisher keine emissionsarmen Verfahren entwickelt wurden, greift hier eigentlich das oben genannte Verbot z.B. für Maler, Anstreicher und Elektriker.
Da man solche Arbeiten natürlich nicht einfach verbieten oder den Gebäudeeigentümern – in vielen Fällen auch möglicherweise wenig finanzkräftigen Privateigentümern – aufgeben kann, die asbesthaltigen Putze etc. zu entfernen und zu entsorgen, sucht man im Arbeitsministerium jetzt nach einer Lösung für dieses Problem. Betroffen hiervon sind alle Gebäude, die vor dem Asbestverbot in Deutschland (1993) errichtet wurden.
Da derartige Regelungen – gleich wie sie gestaltet werden – unter Umständen wegen möglicherweise entstehender zusätzlicher Kosten auf erheblichen Widerstand der Betroffenen – insbesondere auch der Gebäudeeigentümer, die diese Kosten tragen müssten – stoßen können, ist man im Arbeitsministerium in höchstem Maße sensibilisiert und vor dem Hintergrund der Probleme mit der Arbeitsstättenverordnung und der Betriebssicherheitsverordnung in diesem Frühjahr extrem vorsichtig.
Auch die – teilweise irrealen – Ängste der Bewohner solcher Gebäude wird man in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen dürfen.
All dies hat bisher eine Einigung der beteiligten Kreise zu dieser Problematik verhindert. Das Arbeitsministerium hat daher einen „Nationalen Asbestdialog“ ins Leben gerufen, der dieses Problem lösen soll. Erst danach wird es in der Gefahrstoffverordnung ein Ampelmodell geben.
Allerdings enthält die Änderung vom Juli 2013 in § 6 Abs. 8 Nr. 4 einen Hinweis auf „Beurteilungsmaßstäbe für krebserzeugende Gefahrstoffe“, die vom AGS beschlossen und nach § 20 Abs. 4 bekannt gegeben worden sind. Solche Beurteilungsmaßstäbe sind z.B. die Akzeptanz- und Toleranzwerte nach TRGS 910 „Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“.
Diesen Hinweis kann man wohl als Vorbereitung einer zukünftigen Aufnahme eines Ampelmodells verstehen.