Künstliche Intelligenz (KI) im Arbeitsschutz
Wie hat künstliche Intelligenz (KI) das Potenzial, den Arbeitsschutz grundlegend zu verändern? Ein Beispiel: Erkennt ein KI-System, dass ein Bauarbeiter seinen Helm nicht richtig trägt, ertönt automatisch eine Warnung – noch bevor ein Vorgesetzter eingreift. Klingt ein bisschen nach Utopie (oder Dystopie)? Aber: Wenn KI den Arbeitsschutz so unterstützen kann, arbeiten Millionen Menschen sicherer. Dieser Beitrag beleuchtet, welche neuen Chancen KI im Arbeitsschutz eröffnet.
Zuletzt aktualisiert am: 24. April 2025

Warum KI im Arbeitsschutz? Die Vorteile
Die Stärken von KI im Arbeitsschutz liegen in der Verarbeitung von und Mustererkennung bei großen Datenmassen und der schnellen Aufbereitung von Informationen. Ideal also für Ihre Tätigkeit als Sicherheitsfachkraft oder -verantwortlicher. Künstliche Intelligenz wird dabei verstanden als ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Nachbildung menschlichen Lernverhaltens beschäftigt. KI-Systeme können ihre Umwelt wahrnehmen, das Wahrgenommene verarbeiten und Entscheidungen treffen.
In den folgenden Bereichen kann KI ihre Vorteile für Ihren Arbeitsalltag voll ausspielen:
- Frühzeitige Risikoerkennung: KI im Risikomanagement kann potenzielle Gefahrenstellen und Risikomuster erkennen, bevor Unfälle passieren. Sie kann Unfalldaten analysieren, in Echtzeit warnen oder kontinuierlich Arbeitsumgebungen überwachen und sofort auf Veränderungen reagieren, die auf ein Sicherheitsrisiko hindeuten, wie z.B. Temperaturveränderungen oder das Vorhandensein gefährlicher Gase.
- Berichte effizienter verfassen: KI kann umfangreiche Berichte über Sicherheitsvorfälle und -trends erstellen, die Unternehmen dabei helfen, ihre Sicherheitsstrategien kontinuierlich zu verbessern und anzupassen.
- individuelle Unterweisungen und Trainings erstellen: KI kann in virtuellen Umgebungen eingesetzt werden, um realistische Unterweisungsszenarien zu erstellen. Mitarbeiter können gefahrlos den Umgang mit gefährlichen Situationen üben, was zu einer besseren Vorbereitung und Reduzierung von Fehlern führt.
- Arbeitsmedizin individualisieren: KI kann Gesundheitsdaten analysieren, um Risiken frühzeitig zu erkennen und maßgeschneiderte Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.
- Personalisierte Sicherheitsmaßnahmen: Durch die Analyse individueller Verhaltensmuster und Arbeitsgewohnheiten können KI-Systeme maßgeschneiderte Sicherheitsanweisungen und -maßnahmen für jeden Mitarbeiter entwickeln.
- Effizienzsteigerung: KI kann Prozesse automatisieren, die zuvor manuell durchgeführt wurden, wie z.B. die Inspektion von Maschinen und Geräten.
Im Folgenden betrachten wir einige der oben aufgeführten Möglichkeiten anhand spezifischer Beispiele genauer.
KI im Risikomanagement
KI kann vergangene Unfälle analysieren sowie aktiv zum Schutz der Beschäftigten beitragen – und zwar in Echtzeit. Durch die Kombination mit moderner Sensorik und Kameratechnologie eröffnet sich ein breites Spektrum neuer Anwendungsmöglichkeiten, die das Risikomanagement auf ein neues Niveau heben.
Unfalldaten analysieren
Ein wichtiger Bestandteil des betrieblichen Risikomanagements: Sämtliche Arbeitsunfälle (einschließlich Beinahe-Unfälle) werden in einer Datenbank gesammelt und ausgewertet. KI kann diese Datenmengen schneller auswerten, strukturieren und aufbereiten als ein Mensch. Darüber hinaus kann sie Muster und Trends erkennen, die auf wiederkehrende Gefährdungen hinweisen, und präventive Maßnahmen vorschlagen. Durch diese vorausschauende Analyse lassen sich potenzielle Risiken frühzeitig identifizieren.
Tipp:
Zu bedenken ist dabei, dass KI mit den in der Ereignisdatenbank vorhandenen Inhalten arbeitet. Diese Daten müssen also valide und umfangreich sein, um die Risikolage im Unternehmen auch wirklich widerspiegeln zu können. Das Melden von Mängeln oder Risiken sollte deshalb fest im Arbeitsschutz des Unternehmens verankert sein.
In Echtzeit warnen
Ein KI-System, entsprechend trainiert und mit Videokameras gekoppelt, schützt als „allsehendes Auge“ Leib und Leben der Beschäftigten. Künstliche Intelligenz als Teil der Videoüberwachung – diese Kombination verursacht so manchem Datenschützer Zahnschmerzen. Aber es sind eben viele positive Einsatzmöglichkeiten denkbar.
- Überprüfung der Schutzausrüstung: KI kann per Videokameras erkennen, ob Beschäftigte die vorgeschriebene Schutzausrüstung korrekt tragen, und sie bei Bedarf warnen.
- Kollisionsvermeidung: KI überwacht die Wege von Robotern und Gabelstaplern, warnt bei Kollisionsgefahr mit Menschen oder stoppt die Maschinen rechtzeitig.
- Erkennen von Absturzsicherungen: KI erkennt fehlende oder mangelhafte Absturzsicherungen, wie z.B. unvollständige Seitenschutzsysteme an Gerüsten.
Dipl.-Ing. Bernd Merz von der BG Bau erachtet die Chancen der KI-Nutzung auf Baustellen sogar für so hoch, dass er sie
„aus menschlichen, aber auch aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen“
für geboten hält. Wohlgemerkt: Das Baugewerbe ist durch im Vergleich mit anderen Branchen notorisch hohe Zahl an Arbeitsunfällen und tödlichen Unfällen „geprägt. Den ganzen Artikel lesen Sie hier: Künstliche Intelligenz (KI) und sensorbasiertes Arbeitsschutzmonitoring auf Baustellen, Bauportal BG BAU.
Anlagen mit KI überwachen
Zum Risikomanagement gehört es auch, frühzeitig Störungen an Anlagen zu erkennen und zu warnen – am besten noch, bevor etwas kaputtgeht. Zum Beispiel können KI-Sensoren Unregelmäßigkeiten bei Temperaturen oder Vibrationen erfassen und die Servicetechnik verständigen. Die KI lernt außerdem aus früheren Schäden und optimiert die Wartungsplanung, bevor es zu Ausfällen kommt – ein wichtiger Beitrag zur Unfallprävention.
Kann ich mit KI die Gefährdungsbeurteilung schreiben?
Große Sprachmodelle können Texte in verschiedenen Formaten erstellen, zusammenfassen und umformulieren. Dadurch kann die KI textbezogene Tätigkeiten, wie es auch letztlich die Gefährdungsbeurteilung ist, grundlegend verändern. Eine KI kann bestehende Gefährdungsbeurteilungen oder technische Datenblätter automatisiert verarbeiten. Auf dieser Basis identifiziert sie dann Gefährdungen, stellt Zusammenhänge dar und schlägt Maßnahmen zur Risikominderung vor – die Grundlage zur Erstellung einer teilautomatisierten Gefährdungsbeurteilung.
KI kann außerdem Daten in die Gefährdungsbeurteilung einbringen, an die ein Mensch nicht oder nur mit großem Aufwand kommen würde: Arbeitsabläufe, individuelle Arbeitsmenge, Qualität der Arbeit, … alles, was sich digital messen und bewerten lässt. Darunter fallen auch Umweltdaten, wie z.B. die Luftqualität, Sauerstoffgehalt, Schadstoffe. Solche Daten können die Gefährdungsbeurteilung effektiver machen.
KI darf nie allein für die Gefährdungsbeurteilung zuständig sein
Klingt alles ganz gut? Warum dann die ganzen Fragezeichen? Weil es bei der Gefährdungsbeurteilung um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten geht. Fehler wären fatal. Sicherheitskritische Aufgaben wie die Gefährdungsbeurteilung können deshalb nicht voll an eine KI abgegeben werden. Der Mensch muss mindestens alle Ergebnisse überprüfen und nachvollziehen. Dafür braucht es auch eine Nutzeroberfläche, die die Entscheidungen der KI „erklärt“.
KI-Unterstützung bei Berichten und Dokumentationen im Arbeitsschutz
KI-Assistenten können Texte in verschiedenen Formaten erstellen, zusammenfassen und umformulieren. Dadurch unterstützen sie Sie bei allen textbezogenen und kommunikativen Tätigkeiten im Arbeitsschutz. Im folgenden lesen Sie drei Beispiele von Aufgaben, die wir der künstlichen Intelligenz „WEKA Arbeitsschutz AI“ gestellt haben und einen kurzen Auszug aus ihrer Antwort.
Beispiel: Simulation eines Auditgesprächs
„Kannst du mir ein Auditgespräch zum Thema Arbeitsschutz simulieren, damit ich auf typische Auditfragen vorbereitet bin?“
„Sehr gerne simuliere ich ein Auditgespräch.
Auditor: Können Sie mir einen Überblick über die Maßnahmen geben, die bei Ihnen den Arbeitsschutz gewährleisten?
Befragter: Unsere Maßnahmen basieren auf einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung. Dazu …“
Beispiel: Checkliste durch KI erstellen lassen
„Erstelle mir eine Checkliste für ein Audit im Bereich Arbeitsschutz auf einer Baustelle (Gefahrenquellen, PSA, Verkehrswege usw.).“
„So könnte eine mögliche Checkliste für ein Audit auf einer Baustelle aussehen:
[ ] Ist PSA für alle Mitarbeiter verfügbar?
[ ] Wird sie regelmäßig überprüft?
[ ] Tragen alle Mitarbeiter die PSA?
[ ] Sind Verkehrswege gekennzeichnet?“
Beispiel: Schutzmaßnahmen an Mitarbeiter kommunizieren
„Meine Begehung hat ergeben: Ich muss bei den Schutzmaßnahmen beim Schweißen nachbessern. Formuliere als Startpunkt für mich eine E-Mail an die Teammitglieder.“
„Liebe Teammitglieder,
im Rahmen unserer jüngsten Begehung haben wir festgestellt, dass der Schutz beim Schweißen verbessert werden könnte.
Folgendes ist umzusetzen: …“
ChatGPT und WEKA Arbeitsschutz AI
Platzhirsch bei den sprachgesteuerten KI-Assistenten ist ChatGPT. ChatGPT ist darauf programmiert, Informationen oder Ideen bereitzustellen und Fragen zu beantworten. Sie selbst bedienen ihn ganz intuitiv – mit Ihrer Sprache. ChatGPT nutzt dafür einen Datensatz, der sich aus dem Internet speist; die Antworten, gerade bei fachspezifischen Arbeitsschutzfragen, sind mit Vorsicht zu genießen.
Es gibt aber auch themenspezifische KI-Assistenten im Arbeitsschutz, wie etwa „WEKA Arbeitsschutz AI“ von WEKA Media. Hier wird nicht auf allgemein zugängliche Informationen aus dem Internet zurückgegriffen, sondern auf eine aktuelle, von Arbeitsschutzexperten erstellte Datenbank aus über 10.000 Fachartikeln und Arbeitshilfen. Die Antworten von WEKA Arbeitsschutz AI auf Arbeitsschutz-Fragen sind also fundiert und verifiziert.
KI in Unterweisung und Training
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei Unterweisung und Training bietet zahlreiche Möglichkeiten, Lernprozesse zu verbessern.
Ein KI-gestütztes Unterweisungssystem kann für jeden einzelnen Mitarbeiter individuelle Unterweisungen erstellen, die auf seine Tätigkeiten, Gefährdungen und Qualifikationen abgestimmt sind – ohne KI ein sehr zeitaufwendiger Prozess. Auch kann KI die Unterweisung dynamisch an die Lerngeschwindigkeit anpassen und KI-gestützte Tutorensysteme können den Lernenden in Echtzeit unterstützen.
Besonders spannend ist der Einsatz von KI in Lernsimulationen. Mitarbeiter können so praktische Erfahrungen in einer sicheren Umgebung sammeln und auch soziale Situationen üben, beispielsweise ein Gespräch mit einer Führungskraft darüber, dass sie Arbeitsschutzbestimmungen missachtet. Die KI-Führungskraft reagiert dabei in Echtzeit auf die Ausführungen des Mitarbeiters und lässt sich sogar in eine 3-D-Umgebung hineinprojizieren.
Potenziale von KI in der Arbeitsmedizin
KI macht die Prävention und Behandlung arbeitsbedingter Erkrankungen effizienter, präziser und individueller. Von den zahlreichen Möglichkeiten seien hier nur zwei herausgegriffen:
Vorscreenings für Hauterkrankungen
In bestimmten Risikoberufen könnten Verfahren eingesetzt werden, um Vorscreenings von Hauterkrankungen zu ermöglichen. Schon jetzt gibt es KI-gestützte Hautkrebsscreenings. Sie analysieren Hautveränderungen anhand von Bildern oder Daten und weisen auf mögliche Krebserkrankungen hin. Studien haben gezeigt, dass KI-Modelle in vielen Fällen eine ähnliche oder sogar bessere Genauigkeit als Dermatologen erzielen können, insbesondere bei der Erkennung von Melanomen.
Intelligente Arbeitskleidung
Die Fachgruppe „Human Factors, Ergonomie“ der BAuA hat eine Arbeitskleidung entwickelt, die auf Dauer Muskel-Skelett-Erkrankungen vorbeugen soll. Wie? Die Arbeitskleidung ist gespickt mit Sensoren, die die Körperhaltung der Beschäftigten in Echtzeit erfassen. So können körperliche Fehlbeanspruchungen früh erkannt werden – noch bevor es zu ernsthaften Schmerzen oder Problemen des Muskel-Skelett-Systems kommt.
Risiken von KI im Arbeitsschutz
Die Integration von künstlicher Intelligenz in den Arbeitsschutz birgt, wie jede neue Technologie, Risiken.
Fehlende menschliche Urteilsfähigkeit
KI-Systeme können komplexe Situationen nicht immer angemessen interpretieren, insbesondere wenn es um ethische oder moralische Entscheidungen geht, die menschliches Urteilsvermögen erfordern.
Datenabhängigkeit und Verzerrungen
KI-Systeme basieren auf Daten. Wenn diese Daten unvollständig, veraltet oder voreingenommen sind, können die Entscheidungen der KI ebenfalls verzerrt oder fehlerhaft sein. Dies kann zu ungenauen Risikobewertungen oder ungeeigneten Schutzmaßnahmen führen.
Sicherheitslücken und Cyberangriffe
KI-Systeme können anfällig für Cyberangriffe sein, die die Integrität und Sicherheit der Arbeitsschutzmaßnahmen gefährden könnten. Ein erfolgreicher Angriff könnte beispielsweise dazu führen, dass Sicherheitsmechanismen deaktiviert oder manipuliert werden.
Komplexität und Fehlinterpretation
Die Komplexität von KI-Systemen kann dazu führen, dass ihre Entscheidungen und Funktionsweisen für Menschen schwer verständlich sind. Dies kann zu Fehlinterpretationen der KI-Entscheidungen führen und so die Wirksamkeit von Arbeitsschutzmaßnahmen beeinträchtigen.
Rechtliche und ethische Bedenken
Der Einsatz von KI im Arbeitsschutz wirft auch rechtliche und ethische Fragen auf, insbesondere in Bezug auf Verantwortung und Haftung bei Fehlentscheidungen der KI.
An diesen und weiteren Risiken durch KI wird gerade intensiv geforscht. Wir dürfen sie, gerade im Arbeitsschutz, nie ausklammern. Wir wissen aber auch, dass sie handhabbar sind, wir gegensteuern können und sie immer wieder neu überprüfen müssen.
Fazit: Zukunftsperspektiven von KI im Arbeitsschutz
Künstliche Intelligenz wird unweigerlich eine wichtige Rolle im Arbeitsschutz spielen – denn in ihr steckt das Potenzial, den Arbeitsalltag als Sicherheitsfachkraft einfacher und effizienter zu machen und das Unternehmen als Ganzes sicherer. Die Frage ist nicht, ob, sondern vielmehr, wo sie sinnvoll eingesetzt werden kann. Dabei dient sie sowohl als Werkzeug zur Verbesserung der Sicherheit als auch als Gefährdungsquelle, die es zu kontrollieren gilt.