Inkludierte Gefährdungsbeurteilung – viel leichter als gedacht
Bei der Einstellung von Beschäftigten mit einer Behinderung müssen gleich zwei Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden: eine allgemeine und eine ganz individuelle, die sogenannte inkludierte Gefährdungsbeurteilung. Lesen Sie deshalb gleich mehr darüber, wie Sie mithilfe des „Kölner Modells“ systematisch und mit geringem Aufwand zu einer inkludierten Gefährdungsbeurteilung kommen.
Das Kölner Modell wird auch als „inkludierte Gefährdungsbeurteilung“ bezeichnet. Es hilft, systematisch Gefahren für Beschäftigte mit Behinderungen zu identifizieren und Maßnahmen abzuleiten. Die Vorgehensweise ist auch für kleinere Betriebe geeignet.
Das Kölner Modell für die inkludierte Gefährdungsbeurteilung
Bei herkömmlichen Gefährdungsbeurteilungen werden durchschnittliche Eigenschafts- und Fähigkeitsausprägungen von Gruppen von Beschäftigten angenommen (z.B. Männer, Frauen, Jugendliche, Ältere, werdende und stillende Mütter).
Die Gruppe „Beschäftigte mit Behinderungen“ lässt sich hier aber nicht einfach ergänzen, denn ihre Einschränkungen sind individuell und bedürfen deshalb auch einer individuellen Beurteilung. Um dies zu operationalisieren, wurde das Konzept des Interaktionspfads entwickelt.
Was ist der Interaktionspfad?
Unter „Interaktionspfad“ wird im Kölner Modell der Ablauf von Aktion und Signal zwischen Mensch und Umgebung verstanden:
- Der Mensch handelt und wirkt auf die Umgebung ein („Aktion“).
- Aus der Umgebung kommen Signale – entweder als direkte Reaktion auf die Aktion oder unabhängig davon, z.B. akustische oder optische Warnsignale.
Eine gestörte Signalübertragung oder eine geminderte Handlungsfähigkeit können den Interaktionspfad unterbrechen und Beschäftigte mit Einschränkungen gefährden.
Motorische Einschränkungen
Bei einer motorischen Einschränkung setzt man voraus, dass der Betroffene sensorische Signale wahrnehmen und erkennen kann, aber die daraus notwendigen Handlungen („Aktionen“) nicht umsetzen kann.
Sensorische Einschränkungen
Bei sensorischen Einschränkungen setzt man voraus, dass keine motorischen Einschränkungen vorliegen, aber der Beschäftigte Signale oder deren Informationsgehalt nicht erkennen kann.
Konkret: Mögliche Risiken und Gefährdungen für die inkludierte Gefährdungsbeurteilung
Das Kölner Modell der Interaktionspfade zwischen Mensch und Umwelt macht es möglich, bei einer individuellen Einschränkung die entstehenden Gefährdungen genau zu identifizieren. Welche Gefährdungen tatsächlich bestehen, ist natürlich abhängig von den konkreten Einschränkungen der zu beurteilenden Person.
inkludierte Gefährdungsbeurteilung bei Einschränkung der Sehfähigkeit
Es besteht ein erhöhtes Risiko, sich durch Spitzen, scharfe Kanten und Ecken zu verletzen. Risiken entstehen auch durch Hindernisse und Vorsprünge sowie Veränderungen des Höhenniveaus. Daraus resultieren Gefährdungen durch Stürzen, Stolpern, Ausgleiten und Zusammenstoßen sowie Verletzungen durch ätzende Substanzen. In die Gefährdungsbeurteilung gehört auch, wenn Warnsignale, die mit Farben arbeiten, nicht oder nur eingeschränkt wahrgenommen bzw. interpretiert werden können.
Einschränkung der Hörfähigkeit
Hier entsteht ein Risiko, wenn Ansagen und Warnungen nicht oder nicht vollständig verstanden werden, z.B. weil die Lautstärke zu niedrig oder die Formulierung unverständlich oder zu kompliziert ist.
Einschränkung des Tastsinns
Verletzungen können durch Reizquellen (z.B. sehr heiße oder kalte Flächen, Spitzen, scharfe Kanten und Ecken) entstehen, die unter Umständen zu lange berührt werden. Umgekehrt kann auch ein überempfindlicher Tastsinn, der auf geringe Reize übertriebene Reaktionen hervorruft, ein Verletzungsrisiko darstellen.
Eingeschränktes Schmecken und Riechen
Verdorbene Lebensmittel, Gefahren durch Rauch oder andere Luftschadstoffe werden unter Umständen zu spät erkannt.
Störung des Gleichgewichtssinns
Es besteht eine gesteigerte Furcht und damit die Gefahr zu stürzen. Diese Störung kommt häufig vor, wenn Rollstühle, Rollatoren oder andere Gehhilfen genutzt werden.
Reduzierte Handhabungsfähigkeit
Eine reduzierte Handhabungsfähigkeit wird gefährlich, wenn es dadurch zu unbeabsichtigtem Verschieben von Gegenständen kommt.
Bewegungseinschränkung
Personen mit Bewegungseinschränkungen sind bei Notfallevakuierungen aus Gebäuden oder Fahrzeugen besonders gefährdet.
Handlungshilfe zum Kölner Modell
Das Kölner Modell wurde vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) in Köln und dem Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie (ASER) entwickelt. Die Handlungshilfe „Inkludierte Gefährdungsbeurteilung“ zur Beurteilung von Arbeitsbedingungen von Menschen mit Behinderung finden Sie als PDF-Datei unter https://publi.lvr.de/publi/PDF/813-17_3979-Inkludierte-Gef%C3%A4hrdungsbeurteilung_barrierefrei.pdf