16.04.2021

Heben und Tragen – aber richtig: So geht’s

Wie sehr Heben und Tragen die Gesundheit, insbesondere den Muskel-Skelett-Apparat belastet, hängt sehr von der Arbeitsweise ab. Durch Heben und Tragen beanspruchte Körperteile lassen sich durch Ausgleichsübungen entspannen und kräftigen. Lesen Sie hier die wichtigsten Verhaltensregeln für Tätigkeiten, die das Heben und Tragen von Lasten am Arbeitsplatz erfordern.

Heben und Tragen

Rücken gerade halten!

Halten Sie beim Anheben von Lasten den Rücken möglichst gerade. Wenn Sie sich mit rundem Rücken nach vorne beugen, also Kran spielen, nehmen Sie die denkbar ungünstigste Position ein. Der Lastarm zwischen Fußpunkt und Schwerpunkt der Last ist sehr lang und übt wie ein Hebel eine sehr große Kraft aus, die vom Körper gehalten werden muss. Beim Kran wird diese Kraft durch Gegengewichte und Abspannungen mit Stahlseilen ausgeglichen. Am Körper des Hebenden müssen Muskeln und Bänder diese Kraft auffangen. Sie machen sich also das Heben unnötig schwer.

Eine viel unangenehmere Wirkung des krummen Rückens: Die Bandscheiben zwischen den Wirbeln werden keilförmig verformt und nach hinten gedrückt. Im Extremfall droht ein Bandscheibenvorfall!

Halten Sie also Ihren Rücken beim Heben gerade. Wenn möglich, nehmen Sie die Last zwischen die Füße und beugen die Knie. Dann heben Sie mit der Kraft der Beine die Last an, bis Sie eine aufrechte Position erreicht haben. Achten Sie aber darauf, dass der Winkel an den Knien nicht kleiner als 90°, also nicht spitz wird: Beim Heben werden sonst die Knie überlastet und Sie haben den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.

Körpernah tragen!

Tragen Sie Lasten möglichst dicht am Körper, so bleibt der Hebelarm kurz und Sie müssen sich nicht unnötig anstrengen. Der Rücken kann so optimal gerade bleiben und die Bandscheiben werden gleichmäßig belastet.

Bei schweren Lasten, die vor dem Körper getragen werden, kommt der Körper leicht in die Versuchung, einen Ausgleich zu schaffen, indem er sich nach hinten beugen will. Das Hohlkreuz, das sich dann bilden würde, ist gefährlich: Die Wirbelsäule wird nach hinten gebogen und die Bandscheiben werden an der hinteren Seite gequetscht.

Insbesondere beim Laufen besteht die Gefahr, dass die Last gegen die Oberschenkel schlägt und so Verletzungen verursachen kann. Hier sind Sie gezwungen, einen Kompromiss einzugehen: Beugen Sie sich gerade so weit vor, dass Sie es vermeiden, anzustoßen.

Jeder, der schon einmal Rasengittersteine verlegt hat, kennt diesen „faulen“ Kompromiss und weiß, dass diese Art zu arbeiten nicht guttut. Manchmal geht es nicht anders, aber vermeiden Sie solche Tätigkeiten nach Möglichkeit.

Links und rechts verteilt tragen

Oft ist es günstiger, Lasten seitlich als vor dem Bauch zu tragen, besonders dann, wenn die Last mit Griffen oder Henkeln versehen ist, wie z.B. Koffer oder Einkaufstaschen. Befindet sich die Last nur auf einer Seite, neigt man dazu, sich zum Ausgleich zur anderen Seite zu neigen. Wieder wird die Wirbelsäule aus der geraden Lage gebracht.
Verteilen Sie deshalb die Last möglichst gleichmäßig auf beide Seiten. So bleibt Ihre Wirbelsäule möglichst aufrecht.

Übersicht behalten

Das Tragen vor dem Körper kann besonders gefährlich werden, wenn Sie zu hoch stapeln: Verdecken Ihnen die getragenen Laststücke die Sicht, bewegen Sie sich im „Blindflug“ vorwärts. Sie müssen versuchen, rechts oder links an der Last vorbeizuschauen und sehen oft auch nicht, wohin Ihre Füße treten.

Durch die Unfälle, die so entstehen, ist schon viel mehr Arbeitszeit verschwendet worden, als durch die eingesparten Wege jemals gewonnen werden kann. Gehen Sie also lieber zweimal!

Gemeinsam tragen

Müssen sperrige und schwere Lasten von Hand bewegt werden, bietet es sich an, die Aufgaben gemeinsam mit anderen zu bewältigen. Überlegen Sie also immer, ob es nicht sinnvoll ist, eine Last zu zweit oder sogar mit mehreren zu tragen.

Beachten Sie dabei aber die gleichen Regeln für die Körperhaltung wie zuvor beschrieben. Allerdings werden Sie hier oft Kompromisse eingehen müssen.

Beim gemeinsamen Tragen besteht noch eine besondere Gefahr: Durch unkoordiniertes Handeln Einzelner kann es leicht zu Unfällen kommen. Stellen Sie sich einmal vor, zwei Arbeiter tragen einen schweren und langen Holzbalken. Am Ziel angekommen, lässt der eine den Balken einfach fallen und springt zur Seite. Der andere kann natürlich nicht schnell genug reagieren, alleine halten kann er den Balken aber auch nicht. Der Balken wird ihm also aus den Händen gerissen, kann ihm gegen die Beine oder Knie schlagen oder auf die Füße fallen.

Beim gemeinsamen Tragen ist also Koordination gefragt. Die Tragenden müssen sich abstimmen und gemeinsam handeln, eventuell muss einer das Kommando übernehmen.

Drehen, nicht verdrehen

Oft müssen Lasten in einer anderen Richtung abgesetzt als aufgenommen werden, z.B., wenn Sie Kartons von einem Wagen nehmen und in ein Regal einlagern. Was Sie nicht tun sollten: Den Oberkörper zum Wagen verdrehen, ein Paket greifen und dann den Oberkörper zum Regal schwenken. Dabei verdreht sich die Wirbelsäule um fast 180°! Die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern werden dabei regelrecht durchgewalkt.

Vermeiden Sie derartiges Verdrehen des Oberkörpers unter Last. Halten Sie den Körper oberhalb des Beckens unverdreht gerade und bewegen Sie Ihre Füße in die entsprechende Richtung.

Der Ablauf im Ganzen: Last anheben, gerade aufgerichtet mit den Füßen zum Regal drehen, Last ins Regal stellen. Sie vermeiden so unnötige Belastungen durch Verdrehen der Wirbelsäule.

Richtig heben und tragen in der Praxis umsetzen

Die beschriebenen Verhaltensweisen haben sich zwar bewährt, sind aber in der Praxis nicht immer optimal umzusetzen. Versuchen Sie aber im Interesse Ihrer Gesundheit, sich immer möglichst ähnlich zu verhalten. Dabei hilft es Ihnen, die folgende Reihenfolge zu beachten:

  1. Wenn möglich, vermeiden Sie Heben und Tragen.
  2. Heben und tragen Sie Lasten möglichst gemeinsam mit anderen.
  3. Halten Sie Ihre Sicht frei.
  4. Halten Sie den Rücken gerade.
  5. Verteilen Sie Lasten gleichmäßig auf beide Körperseiten.
  6. Vermeiden Sie es, die Wirbelsäule zu verdrehen.
Unsere Empfehlung
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Autor*in: Dr. Kurt Kropp