14.01.2022

Gesundes Führen – Hilfen für die Praxis

Vermutlich haben auch Sie selbst es schon erlebt: Wer unfreundlich zurechtgewiesen wird, reagiert gestresst und unmotiviert. Ähnlich verhält es sich, wenn man vor allem negative Kritik hört und selten ein lobendes Wort. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie ein Führungsstil heutzutage nicht aussehen sollte. Seit auch im Arbeitsschutz das Thema „psychische Belastungen“ immer mehr beachtet wird, liegt der Fokus zunehmend auf einer gesunden Mitarbeiterführung. Was alles konkret dazu gehört, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Mitarbeiter erfährt Anerkennung durch eine Führungskraft - ein Beispiel für gesundes Führen.

Was ist gesundes Führen? Blicken wir zunächst darauf, was es nicht ist. Ein ungesundes Führungsverhalten kann mehrere Ebenen betreffen. Wenn Führungskräfte einerseits ihre Beschäftigten nicht unterstützen, einen rauen Umgangston pflegen oder kein positives Feedback geben, kann das auf Dauer auf die Psyche schlagen. Andererseits spielen auch organisatorische Faktoren eine Rolle, z.B. Überstunden, Termindruck, zu hohe Anforderungen, unklare Anweisungen oder ständige Erreichbarkeit auch nach Feierabend.

Die Folgen von schlechtem Führungsstil

Dass solche Versäumnisse im Führungsstil psychische und psychosomatische Erkrankungen bei Beschäftigten hervorrufen können, haben zahlreiche Studien gezeigt. Mal äußert sich das in spontanen Ausfällen, mal zieht sich das Leiden über Jahre und mündet in einem Burn-out, in einer Depression oder in Suchtverhalten.

So sieht gesundes Führen aus

Wie Chefs und Chefinnen es richtig machen?

  • Sie gehen wertschätzend und respektvoll mit allen Beschäftigten um, unabhängig von Status und Hierarchiestufe.
  • Sie setzen sich für eine innerbetriebliche Organisationskultur ein, die Stressoren wie Termindruck etc. soweit wie möglich vermeidet.

Dies bedeutet nicht, dass Beschäftigte niemals Stress ausgesetzt werden sollten. Bis zu einem gewissen Grad kann (positiver) Stress auch förderlich sein, außerdem muss jeder Mensch mit Kritik zurechtkommen können. Der eine oder andere eilige Termin schadet genauso wenig wie auch mal auf freundliche Weise zu hören, was gerade schiefgelaufen ist. Doch hier kommt es eben auf das Maß und den Ton an, der bekanntlich die Musik macht.

Auf die Selbstführung achten

Dies fällt einigen Führungskräften leichter als anderen. Das liegt am eigenen Charakter und an der Situation, in der sie sich selbst gerade befinden. Denn auch Führungskräfte sind nur Menschen.

Einer cholerisch veranlagten Person beispielsweise, die womöglich gerade privat Probleme mit dem Partner hat und obendrein selbst einem hohen Erwartungsdruck von Kunden ausgesetzt ist, dürfte es schwerfallen, immer freundlich zu bleiben.

Auch beim Organisationstalent kommt es auf persönliche Fähigkeiten an – manchen liegt das vorausschauende Organisieren im Blut, andere benötigen vielleicht eine Fortbildung und viel Übung beim Zeitmanagement.

Das bedeutet: Wer feststellt, dass es Probleme im Umgang mit den Mitarbeitern gibt oder dass vermehrt Fälle von psychischen Belastungen im Betrieb auftreten, sollte sich zunächst fragen:

  • Wie fühle und verhalte ich mich eigentlich gerade?
  • Würde es mir gefallen, so von meinem Chef behandelt zu werden?
  • Lasse ich nicht vielleicht doch gerade meinem eigenen Stress freien Lauf, für den andere gar nichts können?

Dies setzt natürlich eine gewisse Bereitschaft zur Selbstreflexion voraus. Hilfreich kann es sein, sich bewusst zu machen, dass konstruktive Selbstkritik keine Schwäche bedeutet. Im Gegenteil, sie kann zu einer gesunden Führungskultur beitragen – und damit auch zu gesünderen Beschäftigten und zu einem insgesamt besser aufgestellten Unternehmen.

Ressourcen für gesundes Führen bereitstellen

Gesunde Führung bietet Beschäftigten viele Ressourcen an sowie die Möglichkeit, die eigenen Ressourcen zu stärken. Ressourcen sind der Gegenpol zu den Belastungen im Arbeitsalltag. Neben den betrieblichen Ressourcen sind es vor allem die persönlichen Fähigkeiten der Beschäftigten, die sie in die Lage versetzen, mit Belastungen konstruktiv umzugehen.

Als Akteur im Arbeits- und Gesundheitsschutz eröffnen sich für Sie vor allem vier Handlungsfelder, wenn es um gesunde Führung und die Stärkung von Ressourcen geht:

  • Führungskräfte müssen selbst über Ressourcen wie Zeit und eigene Entscheidungsspielräume verfügen, damit sie auch den Beschäftigten Ressourcen wie Handlungsspielräume, soziale Unterstützung und die Möglichkeit, Herausforderungen gut zu bewältigen, zur Verfügung stellen können. Sind dagegen Führungskräfte-Ressourcen gering ausgeprägt, ist zu erwarten, dass die Beschäftigten ebenfalls nur über geringe Ressourcen verfügen können.
  • Wesentlichen Einfluss auf die Ressourcen hat eine Unternehmenskultur, die die Bedeutung von Arbeitszeit- und Pausenregeln betont und für alle verbindlich macht. Auch klare betriebliche Vorgaben wie z.B. eine Begrenzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit oder zeitliche Mindestabstände zwischen zwei Schichten sind eine Rahmenbedingung für gesunde Arbeit.
  • Individuelle Ressourcenstärkung gelingt auch durch Stärkung der Selbstfürsorge und die Entwicklung von Bewältigungsmechanismen. Dazu gehören fachliche Unterweisungen, um Überforderung zu vermeiden, sowie Angebote zur Stressbewältigung, z.B. autogenes Training oder Atemtechniken.
  • Die Erwerbsbiografie eines Beschäftigten muss im Auge behalten werden und auf Leistungswandlungen muss reagiert werden, etwa mit einer besseren technischen Ausstattung des bestehenden Arbeitsplatzes, unter Umständen aber auch mit dem Wechsel an einen anderen Arbeitsplatz.
Autor*innen: Christine Lendt, Markus Horn