EU will psychische Gesundheit umfassend stärken
Psychische Belastungen zu reduzieren ist längst eine zentrale Aufgabe im Arbeitsschutz und nun gibt es hierzu einen aktuellen Anlass: Die Europäische Kommission setzt auf eine neue umfassende Herangehensweise im Bereich der psychischen Gesundheit.
Seit einigen Jahren rückt immer mehr ins Blickfeld, welche Folgen psychische Belastungen am Arbeitsplatz haben können: Von Erschöpfung über Burn-out bis hin zu seelischen Erkrankungen wie Depressionen reicht das Spektrum. Und weil Körper und Psyche eng miteinander verbunden sind, geht dies oft auch mit physischen gesundheitlichen Folgen einher – ganz typisch sind Rückenschmerzen, um nur ein Beispiel zu nennen. Sowohl Psyche als auch Rücken verursachen eine hohe Anzahl an AU-Tagen.
Auch von der Bedeutung der sogenannten Work-Life-Balance ist inzwischen oft die Rede. Sie ist ein Schlüssel, um psychische Belastungen zu reduzieren, allerdings gelingt es vielen Menschen nicht, die Balance zwischen Arbeit und Erholung, zwischen Anspannung und Regeneration zu finden. Aus diesem Grund dürfen Beschäftigte mit dem Thema psychische Belastungen auch nicht allein gelassen werden, sondern es ist eine Sache für den Arbeitsschutz.
Psychische Belastungen liegen vor, wenn ein Mensch seine Aufgaben teilweise oder ganz nicht mehr bewältigen kann und er unter diesem Umstand leidet – weil es der Person eigentlich wichtig wäre, alles zu schaffen. Dieser Spannungszustand, der aus der eigenen Bewertung einer Situation entsteht, wird als Stress empfunden.
Die neue Herangehensweise der EU-Kommission
Am 7. Juni 2023 hat die EU-Kommission eine Zusage aus der Rede von Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union im Jahr 2022 umgesetzt und ergänzt die Europäische Gesundheitsunion damit um eine weitere Säule: Wie die EU-Kommission mitteilt, ist die neue umfassende Herangehensweise im Bereich der psychischen Gesundheit ein erster und wesentlicher Schritt, um die psychische Gesundheit auf eine Stufe mit der körperlichen zu stellen und psychische Gesundheitsprobleme in einem neuen, sektorübergreifenden Ansatz anzugehen. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten mit 20 Leitinitiativen und EU-Mitteln in Höhe von 1,23 Mrd. Euro aus verschiedenen Finanzinstrumenten dabei unterstützen, die Menschen und ihre psychische Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen.
Es ist überfällig: Schon vor der Coronapandemie hatte jeder sechste Mensch in der Europäischen Union psychische Gesundheitsprobleme und die Lage hat sich durch die Krisen der letzten Jahre weiter verschlimmert. Die Kosten für ausbleibende Maßnahmen sind mit 600 Milliarden Euro pro Jahr erheblich.
Die drei Leitprinzipien
Vor dem Hintergrund großer technologischer, ökologischer und gesellschaftlicher Veränderungen, die die Fähigkeit der Menschen beeinflussen, mit ihrem Leben klarzukommen, konzentrieren sich die neuen EU-Maßnahmen im Bereich der psychischen Gesundheit auf drei Leitprinzipien:
- angemessene und wirkungsvolle Prävention
- Zugang zu hochwertiger und bezahlbarer psychischer Gesundheitsversorgung und Behandlung
- Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach der Genesung
Diese umfassende Herangehensweise nimmt die psychische Gesundheit bezüglich aller Politikfelder in den Blick, um die vielseitigen Risikofaktoren für psychische Erkrankungen zu erkennen. Diesem Ansatz folgend werden konkrete Maßnahmen ein breites Spektrum von Politikfeldern abdecken und Anstrengungen in vielen Bereichen umfassen, u.a. durch die Förderung einer guten psychischen Gesundheit durch Prävention und Früherkennung. Dazu gehören eine europäische Initiative zur Depressions- und Suizidprävention, ein europäischer Kodex für psychische Gesundheit und verstärkte Forschung zur Hirngesundheit.
Geplant sind außerdem Investitionen in Ausbildung und Kapazitätsaufbau in Form von Schulungs- und Austauschprogrammen für Fachkräfte sowie technischer Unterstützung für Reformen im Bereich der psychischen Gesundheit auf der nationalen Ebene. Des Weiteren zielt die neue umfassende Herangehensweise der EU auf besonderen Schutz für Kinder und Jugendliche und weitere schutzbedürftige Personengruppen.
Für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz sorgen
Laut § 4 ArbSchG ist die Arbeit „so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“. Daher müssen psychische Belastungen auch bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.
In der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) wird dieser Aspekt seit den Neuerungen von 2016 auch konkretisiert. Darunter fallen etwa auch Belastungen und Beeinträchtigungen der Beschäftigten durch störende Geräusche, Lärm oder ungeeignete Beleuchtung sowie ergonomische Mängel am Arbeitsplatz. Solche Faktoren können nicht nur körperliche Folgen haben, sondern auch Stress verursachen. Sie werden daher genauso den psychischen Belastungen zugeordnet. So wird in der ArbStättV inzwischen klargestellt, dass der Gesundheitsbegriff sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit umfasst und beide Elemente im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind.