Burnout am Arbeitsplatz droht? Das kann der Arbeitsschutz tun
Eine repräsentative Betriebsbefragung von IAB und BAuA vom vergangenen Jahr hat aufgezeigt, dass bei vielen Beschäftigten durch die Coronapandemie Ängste, Erschwernisse bei der Arbeit und ein dauerhaftes Gefühl von Überforderung vorliegen. Hinzu kommen weitere Ängste und Belastungen infolge des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine. Der damit verbundene, seit mehr als zwei Jahren anhaltende Dauerstress kann Beschäftigte krank machen und bis zum Burn-out führen. Die Akteure des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sollten in dieser Phase die Führungskräfte für die Thematik sensibilisieren und ihnen Hilfestellung für den Umgang mit Betroffenen bieten.
Definition Burnout am Arbeitsplatz
Anders als viele meinen, ist „Burn-out“ keineswegs ungenau definiert. Vielmehr existiert nach dem in Deutschland gebräuchlichen Diagnosesystem ICD 11 eine recht genaue Beschreibung von drei Symptomebenen speziell für Burn-out am Arbeitsplatz: Demnach liegen bei den Betroffenen
- ein Gefühl von Energieschwund oder Erschöpfung,
- eine mentale Distanz zur beruflichen Tätigkeit (z.B. Negativismus oder Zynismus) und
- eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit vor.
Dabei wird niemand wegen „Burn-out“ krankgeschrieben. Vielmehr handelt es sich dabei um eine sogenannte Z-Diagnose, die die Hauptdiagnose (z.B. „depressive Episode“) in den Bezugsrahmen des betrieblichen Kontextes stellt. Insofern kann das frühzeitige Erkennen einer Burn-out-Symptomatik die Führungskräfte dabei unterstützen, bei Betroffenen einer drohenden psychischen oder auch körperlichen Erkrankung vorzubeugen und die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Mit dieser Typologie erkennen Führungskräfte gefährdete Beschäftigte
Der Arbeits- und Gesundheitsschutz kann Führungskräfte im Rahmen einer Unterweisung oder mittels einer Checkliste dabei helfen,
- betroffene Beschäftigte in ihrem Verantwortungsbereich zu identifizieren und
- bei ersten Anzeichen einer Burn-out-Symptomatik unterstützend einzuwirken.
Je mehr Symptome vorhanden sind, desto akuter ist möglicherweise die Gefährdung. Anfällig für Burn-out am Arbeitsplatz sind Mitarbeiter insbesondere bei den folgenden Merkmalen:
- Engagement: Hier gilt eine einfache Faustregel – je engagierter Beschäftigte sind, desto anfälliger sind sie für einen Burn-out.
- Perfektionismus: Wer nur die Arbeitsqualität „sehr gut“ gelten lassen kann, überfordert sich gerade in Krisenzeiten wie der Coronapandemie sehr schnell.
- Rückgriff auf Substitute: Diese Beschäftigten substituieren den Dauerstress durch zunehmenden Konsum von Koffein, Nikotin und Zucker. Gelegentlich fallen sie auch schon durch Folgen übermäßigen Alkoholkonsums in der Freizeit mit späteren Auswirkungen auf die Leistung am Arbeitsplatz auf.
- Schlechtleistung: Diese Betroffenen versuchen die zunehmend auftretenden Symptome zu überspielen und machen dabei immer mehr Fehler oder schaffen das bisher übliche Leistungsniveau nicht mehr.
- Isolation: Diese Beschäftigten ziehen sich immer mehr aus dem sozialen beruflichen Umfeld zurück. Es kommt zunehmend zu Konflikten mit Kolleginnen und Kollegen, weil für jeden sichtbare Fehler und Probleme geleugnet bzw. auf Kollegen oder betriebliche Umstände geschoben werden.
- häufige Arbeitsunfähigkeit: Die Betroffenen sind häufiger wegen Erkältungen, Rückenschmerzen etc. krank und reagieren auf Ansprache defensiv und apathisch.
Grob können die Führungskräfte nach folgender Leitlinie gehen: Je mehr der genannten Merkmale bei Beschäftigten zutreffen, desto stärker ist die Gefahr eines Burn-outs und in der Folge einer psychischen oder körperlichen Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit.
Unterweisung: Wie können die Führungskräfte bei Burnout am Arbeitsplatz handeln?
Wie bei allen Gefährdungen sollten Führungskräfte präventiv die Gefahr eines drohenden Burn-outs erkennen und diesem entgegenwirken. Die Akteure des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sollten die Führungskräfte deshalb darin unterweisen, entsprechend frühzeitig aktiv zu werden:
Engagierte Beschäftigte
Besonders engagierte Beschäftigte sollten angewiesen werden, ihre Pausen zu nehmen sowie Überstunden und ihre Ansprechbarkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeit zu begrenzen.
Perfektionismus
Perfektionistische Beschäftigte sollten von den Führungskräften die Rückmeldung erhalten, dass das Anstreben einer Null-Fehler-Quote nicht zielführend ist, sondern die Arbeit eher hemmt.
Rückgriff auf Substitute
Substitutiv handelnde Beschäftigte sollten auf ihr verändertes Verhalten angesprochen werden. Gegebenenfalls sollten sie von Aufgaben entlastet werden.
Schlechte Leistungen
Mit schlechtleistenden Beschäftigten sollten Führungskräfte unterstützende Gespräche führen. Nach Möglichkeit sollte die Arbeitsmenge reduziert und die Verantwortung begrenzt werden.
Soziale Isolation
Isolierte Beschäftigte sollten klare Vorgaben erhalten, wie sie ihre Aufgaben durchführen und die Arbeitsbelastung begrenzen können. Hier sollte auf betriebliche Unterstützungsangebote (Betriebsarzt, BGM-Team, psychosoziale Beratung) hingewiesen werden.
Arbeitsunfähigkeit
Werden Beschäftigte häufiger krank, sind sie auf BEM-Leistungen hinzuweisen. In Gesprächen sollten Betroffenen außerbetriebliche Hilfsangebote aufgezeigt und eine ärztliche Behandlung empfohlen werden.
Tipp: Unterscheidung Burn-out-Symptomen und psychischen Erkrankungen
Burn-out-Symptome und Symptome von psychischen Erkrankungen sind auch für Fachkräfte oft nur schwer zu unterscheiden. Entsprechend klagen Beschäftigte häufig über „Burn-out“, um das immer noch vorhandene Stigma einer psychischen Erkrankung zu vermeiden. Führungskräfte sollten deshalb beim Auftreten von Symptomen bei Beschäftigten auf die Wichtigkeit eines Arztbesuchs hinweisen, da dadurch eine ggf. bestehende psychische Erkrankung erkannt werden und die Überweisung an einen Facharzt erfolgen kann.
Betriebsvereinbarung zur Burn-out Prävention am Arbeitsplatz
Der Arbeits- und Gesundheitsschutz kann beim Arbeitgeber anregen, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zum Thema Burn-out-Prävention zu vereinbaren. Diese kann sowohl der Führungskraft als auch den Betroffenen die Sicherheit geben, dass es nicht um disziplinierende Maßnahmen geht, sondern um die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Mögliche Themen könnten sein:
- Handlungsfeld Arbeitszeit inklusive Regeln zur Erreichbarkeit
- Angebot von kostenlosen internen oder externen Beratungsmöglichkeiten für Beschäftigte und Führungskräfte
- Qualifizierung von Beschäftigten und Führungskräften hinsichtlich der Früherkennung von Burn-out
- regelmäßige Informationsveranstaltungen zur Burn-out-Prävention
- Verfahren, wie mit betroffenen Beschäftigten umgegangen werden soll
- Kurse zum gesunden Selbstmanagement
- die Rolle und Hilfsangebote des BEM-Teams
Gegebenenfalls kann im Arbeitsschutzausschuss das Thema Burn-out-Prävention eingebracht und angesprochen werden.
Checkliste für Führungskräfte: Zehn Anzeichen für drohenden Burnout am Arbeitsplatz:
Geben Sie diese Checkliste an die Führungskräfte weiter; sie enthält Hinweise auf eine mögliche Burnout-Gefährdung oder Burnout-Betroffenheit:
Latente Burn-out-Gefährdung:
- Pausen werden nicht oder nur scheinbar genommen.
- E-Mails werden zu unüblichen Zeiten (z.B. nach 20 Uhr) geschickt.
- Es kommt zu einer Anhäufung von Überstunden bzw. geleistete Überstunden werden nicht dokumentiert.
- Auch unbedeutende eigene Fehler werden in unangebrachtem Umfang thematisiert und/oder auf Kollegen geschoben.
- Es besteht ein rigider Umgang mit Kollegen, die (wirkliche oder angebliche) Fehler machen.
Akute Burn-out-Gefährdung:
- steigender und unkontrolliert wirkender Konsum von Koffein, Nikotin, Süßigkeiten oder auch Verzehr von großen Mengen an Lebensmitteln
- häufige kurze Fehlzeiten
- sozialer Rückzug von und Konflikte mit Kollegen und den Führungskräften
- Unpünktlichkeit, Nachlässigkeiten und eine unüblich hohe Fehlerquote
- Apathie und Gleichgültigkeit
Die im Text erwähnte Befragung finden Sie hier: