17.02.2021

CLP-Verordnung: Änderungen hinsichtlich der gesundheitlichen Notversorgung

Die Verordnung (EU) 2017/542 hat die CLP-Verordnung um einen neuen Anhang VIII ergänzt. Dadurch wurde ein „eindeutiger Rezepturidentifikator“ (unique formula identifier – UFI) bei den ergänzenden Informationen für die gesundheitliche Notversorgung eingeführt, der auf dem Kennzeichnungsetikett eines gefährlichen Gemischs angegeben werden muss. Bei bestimmten Gemischen würde die Erfüllung dieser Pflichten jedoch zu unverhältnismäßig hohem Aufwand führen, sodass für diese Fälle jetzt Erleichterungen in die Verordnung aufgenommen wurden.

Die Regelungen für Farben wurden in ANhang VIII der CLP-Verordnung geändert.

Zu diesem Zweck hat die Kommission zwei „Delegierte Verordnungen“ erlassen, die zwar schon im August beschlossen, aber erst im November im Amtsblatt veröffentlicht wurden:

  • Delegierte Verordnung (EU) 2020/1676 der Kommission vom 31. August 2020 zur Änderung von Artikel 25 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen in Bezug auf nach Wunsch formulierte Anstrichfarbe (ABl. EU Nr. L 379 vom 13.11.2020 S. 1)
  • Delegierte Verordnung (EU) 2020/1677 der Kommission vom 31. August 2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Verbesserung der Praktikabilität der Informationsanforderungen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Notversorgung (ABl. EU Nr. L 379 vom 13.11.2020 S. 3)

Die Änderung von § 25 der CLP-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/1676)

Die Farbenbranche hatte konkrete Bedenken geäußert. Sie fürchtet, die Anforderungen hinsichtlich der gesundheitlichen Notversorgung sei im Falle von Farben nicht durchführbar, deren Formulierung in begrenzten Mengen auf individuellen Wunsch für einen einzelnen Verbraucher oder gewerblichen Anwender in der Verkaufsstelle zusammengestellt wird. Hier werden Farben mit einer nahezu unbegrenzten Anzahl unterschiedlicher Zusammensetzungen formuliert und geliefert.

Um insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand in Bezug auf nach Wunsch formulierte Anstrichfarben zu vermeiden, werden die Anforderungen hinsichtlich der gesundheitlichen Notversorgung angepasst, ohne den Sicherheitsstandard zu verringern.

Hierzu wird dem Art. 25 ein neuer Abs. 8 angefügt, nach dem Lieferanten von den Mitteilungspflichten in Anhang VIII der CLP-Verordnung und von der Pflicht zur Erstellung eines eindeutigen Rezepturidentifikators (UFI – Unique Formula Identifier) ausgenommen werden, wenn die UFI aller enthaltenen einzelnen Gemische angegeben werden. Zusätzlich muss die Konzentration eines Gemischs mit einem UFI in der nach Wunsch formulierten Anstrichfarbe angegeben werden, wenn diese mehr als 5 % beträgt.

Verbesserung der Praktikabilität der Informationsanforderungen (Verordnung (EU) 2020/1677)

Verschiedene Industriesektoren hatten Bedenken bezüglich der Praktikabilität der Informationsanforderungen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Notversorgung wegen der Schwierigkeit, die genaue Zusammensetzung von Gemischen zu kennen, wenn

  • Rohstoffe mit sehr variabler oder unbekannter Zusammensetzung bei der Herstellung des Gemischs verwendet werden,
  • von mehreren verschiedenen Lieferanten gelieferte, toxikologisch sehr ähnliche Bestandteile zusammen in derselben Produktionslinie verwendet werden oder
  • komplexe Lieferketten beteiligt sind.

Besondere Schwierigkeiten bestehen hier in den Sektoren

  • Gips,
  • Fertigbeton,
  • Kraftstoffe,
  • spezifische individuelle Farbtönungen und
  • Zement.

Daher ist es nunmehr möglich, Informationen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Notversorgung, die sich auf bestimmte standardisierte Gemische in diesen Sektoren beziehen, durch einen Verweis auf eine Standardzusammensetzung zu übermitteln. Das geht, wenn sich die Einstufung des Gemischs innerhalb der in der Standardrezeptur angegebenen Konzentrationsbereiche nicht ändert und die Angaben zur Zusammensetzung mindestens so detailliert sind wie die Angaben im Sicherheitsdatenblatt für das Gemisch.

Für den Fall, dass die Angaben im Sicherheitsdatenblatt detaillierter sind als die Angaben zur Zusammensetzung in der Standardrezeptur, werden Importeure und nachgeschaltete Anwender verpflichtet, die Informationen stattdessen im Sicherheitsdatenblatt mitzuteilen.

Importeuren und nachgeschalteten Anwendern wird gestattet, toxikologisch ähnliche Bestandteile eines Gemischs in einer Gruppe austauschbarer Bestandteile zusammenzufassen und Informationen über die Gesamtkonzentration dieser Bestandteile in dem Gemisch vorzulegen, ohne dass ihre Konzentrationen im Einzelnen angegeben werden müssen.

Damit Giftnotrufzentralen geeignete gesundheitliche Notfallmaßnahmen ergreifen können, dürfen Bestandteile nur dann in einer Gruppe austauschbarer Bestandteile zusammengefasst werden, wenn ihre Einstufung in Bezug auf gesundheitliche und physikalische Wirkungen identisch ist. Bestandteile, die in bestimmte Gefahrenklassen eingestuft sind, müssen dieselbe technische Funktion und dieselben toxikologischen Eigenschaften aufweisen, um in einer Gruppe zusammengefasst werden zu können.

Konkrete Umsetzung in einem neuen Anhang VIII

Angesichts der Vielzahl der hierzu erforderlichen Änderungen des Anhangs VIII der CLP-Verordnung wird aus Gründen der Rechtsklarheit der gesamte Anhang durch eine Neufassung ersetzt.

Auffällig sind hierbei die neuen Abschnitte

  • 6 „Gemische, die den Standardrezepturen entsprechen“,
  • 7 „Kraft- und Brennstoffe“ mit einer Liste von 14 geregelten Kraft- und Brennstoffen und
  • 8 „Einstufung der Gemisch-Bestandteile“

sowie der umfangreiche neue Teil D „Standardrezepturen“ mit Standardrezepturen zu:

  • Zement (20 verschiedene Standardrezepturen)
  • Gipsbinder (1 Standardrezeptur)
  • Fertigbeton (2 Standardrezepturen)

Die Kommission betont am Ende ihrer Erwägungsgründe, dass das auf den 01.01.2021 festgesetzte Einhaltungsdatum für die gewerbliche Verwendung näher rückt und die Neuregelung daher so früh wie möglich in Kraft treten sollte; dementsprechend ist die Verordnung auch schon am Tag nach der Veröffentlichung – also am 14.11. – in Kraft getreten (üblich sind mindestens 20 Tage).

Von daher verwundert es, dass zwischen dem Beschluss der Kommission und der Veröffentlichung im Amtsblatt mehr als zwei Monate vergangen sind.

Die Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten (keine Umsetzung in nationale Rechtsvorschriften erforderlich).

 

Autor*in: Dr. Ulrich Welzbacher