Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe: Alles Wichtige auf einen Blick + Checkliste
Wie Sie bei der Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung vorgehen und woher Sie Ihre Informationen nehmen, lesen Sie in diesem Beitrag. Mit der verlinkten Checkliste „Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe“ prüfen Sie außerdem, ob die gesetzlichen Vorgaben in Ihrem Unternehmen bereits umgesetzt sind oder ob Sie noch Handlungsbedarf haben.
Was ist die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe?
In einer Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe finden Sie (hoffentlich) alle Gefährdungen, die durch Tätigkeiten mit bestimmten Gefahrstoffen im Unternehmen entstehen sowie Schutzmaßnahmen für den Umgang mit diesen Gefahrstoffen. Indem Sie also für Ihre Gefahrstoffe die Gefährdungsbeurteilung erstellen, reduzieren Sie das Risiko für Unfälle und Gesundheitsgefährdungen im Umgang mit Gefahrstoffen deutlich.
Hinweis:
Auch wenn Sie Einzelunternehmer sind und keine Mitarbeiter beschäftigen, müssen Sie für jede Ihrer Tätigkeiten mit einem Gefahrstoff eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Denn nur so können Sie die Maßnahmen zum Schutz Dritter festlegen, die die Gefahrstoffverordnung fordert. Darüber hinaus empfiehlt die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 400 Einzelunternehmern, entsprechende Maßnahmen auch für die persönliche Sicherheit und zum Schutz der eigenen Gesundheit zu treffen.
Die Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu erstellen ist komplizierter und aufwändiger als andere Gefährdungsbeurteilungen. Sie müssen z.B. Wechselwirkungen bedenken, Substitutionsmöglichkeiten, Expositionsszenarien… Ein Beispiel, wie sich diese Komplexheit in einer fertigen Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe niederschlagen könnte, sehen Sie im folgenden Bild (Ausschnitt aus einer Gefährdungsbeurteilung):
Welche gesetzlichen Grundlagen und Vorschriften müssen Sie beachten?
Der vorherige Absatz erwähnt schon zwei ganz grundlegende Regelungen für die Gefahrstoff Gefährdungsbeurteilung:
- die Gefahrstoffverordnung (insbesondere die §§ 6 bis 10)
- die TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“
Über all dem steht das Arbeitsschutzgesetz mit seiner Forderung nach der Gefährdungsbeurteilung in §5 ArbSchG:
Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
Da diese Forderung recht allgemein gehalten ist, braucht es die Gefahrstoffverordnung, um sie zu präzisieren.
1. Die Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung
§ 6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) fordert im ersten Satz unmissverständlich die Gefährdungsbeurteilung für alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen:
Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung […] hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ist dies der Fall, so hat er alle hiervon ausgehenden Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten unter folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen: …
§ 6 GefStoffV macht im Folgenden klar, dass
- die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung beim Arbeitgeber liegt,
- dieser auch Wechsel- oder Kombinationswirkungen der Gefahrstoffe beurteilen und
- und er jede Gefährdungsbeurteilung erstmals vor Aufnahme der Tätigkeit mit einem Gefahrstoff dokumentieren muss.
§ 7 Gefahrstoffverordnung regelt dann Näheres zu den entsprechenden Schutzmaßnahmen, zur Substitutionsprüfung, zu Arbeitsplatzgrenzwerten usw. Die folgenden §§ 8 bis 10 GefStoffV konkretisieren Schutzmaßnahmen nach Art der Gefährdung.
2. Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)
Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) bieten Ihrem Unternehmen wichtige Leitlinien für den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen. Um für Ihre Gefahrstoffe eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, sollten Sie die spezifischen TRGS für die von Ihnen eingesetzten Stoffe kennen und anwenden.
- TRGS 400ff.: Die Vorgehensweise für die Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung konkretisiert die TRGS 400. Die darauf aufbauenden Technischen Regeln TRGS 401, 402, 406 usw. widmen sich konkreten Gefährdungen durch Gefahrstoffen wie durch Hautkontakt, inhalative Exposition usw.
- TRGS 500 ff.: Hinweise zu Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen finden Sie in der Reihe TRGS 500.
- TRGS 600 ff.: Das sind die Technischen Regeln zu Ersatzstoffen. In der TRGS 600 „Substitution” wird ausführlich dargestellt, wie Sie bei der Substitutionsprüfung und bei der eigentlichen Substitution vorgehen. Die in den folgenden TRGS beschriebenen Ersatzstoffe sind hinreichend geprüft und haben sich in der Praxis bewährt.
- TRGS 700 ff.: Ausführliche Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung bei explosionsgefährlicher Atmosphäre geben Ihnen die Technischen Regeln TRGS 720, 721, 722, 725 und 727.
Sie finden in der jeweiligen TRGS auch Beispiele und Muster für die Vorgehensweise.
Hinweis
Für eine Übersicht über alle Technischen Regeln für Gefahrstoffe inkl. Link zu den Dokumenten, besuchen Sie die Webseite der BAuA.
3. Vorschriften und Grundsätze der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Die grundsätzliche Pflicht zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen findet sich auch in der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) Vorschrift 1, § 3 wieder. Daneben gibt es noch
- die DGUV Information 213-855 – Gefährdungsbeurteilung im Labor
- den DGUV Grundsatz 313-003, der die Anforderungen beschreibt, denen eine Fortbildung genügen muss, damit die Teilnehmer dann Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen fachkundig beurteilen können. Mehr zur Fachkunde für die Gefahrstoff Gefährdungsbeurteilung lesen Sie im folgenden Abschnitt.
Wer darf die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe erstellen?
Wer darf überhaupt die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe erstellen? Das legt die Gefahrstoffverordnung klar in § 6 Abs. 11 fest; sie spricht von „fachkundigen Personen“. Weiter heißt es dort zur Rolle des Arbeitgebers bei der Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe:
„Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Fachkundig können insbesondere die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sein.“
Eine „fachkundige Person für Gefahrstoffe“ werden Sie etwa durch eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie durch die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen. Nähere Einzelheiten zu den Kenntnissen, die für die „Fachkunde“ erforderlich sind, finden Sie in der TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ in Abschnitt 4.1.
Hinweis:
Darüber hinaus kann nur eine fachkundige Person für Gefahrstoffe
- Sicherheitsdatenblätter erstellen (Anhang II der REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und § 18 Abs. 4 GefStoffV),
- Gefahrstoffe an Arbeitsplätzen messen (§ 7 Abs. 10 GefStoffV).
Checkliste: Wie erstellen Sie die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe?
Die TRGS 400 gibt Ihnen in Anhang 1 zur Vorgehensweise der Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe ein Beispiel:
- Erfassen der verwendeten Gefahrstoffe und relevanter Informationen
- Gefährdungen durch einen Gefahrstoff ermitteln
- Gefährdungen durch einen Gefahrstoff beurteilen
- Substitution prüfen
- Festlegen der Maßnahmen + Festlegen der Wirksamkeitsprüfung
- Durchführung der Maßnahmen + Wirksamkeitsprüfung
- Dokumentation
Danach müssen Sie die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig auf Aktualität hin prüfen.
Die einzelnen Schritte fasst diese Infografik noch einmal zusammen. Im folgenden Abschnitt werden sie näher erläutert.
1. Erfassen Sie die verwendeten Gefahrstoffe, Arbeitsbereiche und die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sowie relevante Informationen dazu
Erfassen Sie alle Arbeitsbereiche und Tätigkeiten, die Gefahrstoffe einsetzen. Dafür müssen Sie natürlich Ihre Gefahrstoffe kennen.
Sie müssen also
- wissen, ob ein verwendeter Stoff als „Gefahrstoff“ die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten beeinträchtigen kann. Sichten Sie dafür alles, was Ihnen Aufschluss über die Eigenschaften der verwendeten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse (z.B. Schweißrauche beim Schweißen) geben könnte. Wenn Sie bereits ein Gefahrstoffkataster besitzen, ziehen sie es zur Hilfe heran. Vor allem Herstellungs- und Verwendungsverbote für Stoffe, Gemische und Erzeugnisse sowie Beschäftigungsverbote und -beschränkungen nach Mutterschutzgesetz und Jugendarbeitsschutzgesetz müssen Sie beachten. Hinter diesem Link lesen Sie mehr zur Definition von Gefahrstoffen.
- Notieren Sie dann alle Arbeitsabläufe, bei denen diese Gefahrstoffe verwendet, transportiert, gelagert oder entsorgt werden. Sie müssen alle Tätigkeiten betrachten: auch beispielsweise An- und Abfahrvorgänge von Prozessen, Wiederinbetriebnahme nach längerem Stillstand, Reinigungsarbeiten, Aufräum- und Abbrucharbeiten.
- Beschreiben Sie drittens die Arbeitsbereiche, in denen die die Gefahrstoffe eingesetzt werden und welche Mengen typischerweise dort verwendet werden.
Praxishilfe: Mögliche Quellen
Als Grundlage für die Beschreibung der Arbeitsbereiche können Sie z.B. den Wartungsplan verwenden, in dem alle Anlagen und Maschinen aufgeführt sind. Auch Arbeitsplatz- oder Funktionsbeschreibungen von Mitarbeitern sind geeignet, wenn dort die verschiedenen Tätigkeiten aufgeführt sind.
Haben Sie alles? Perfekt, dann sind Sie gut gerüstet. Denn die Stoffeigenschaften zusammen mit der Art der Tätigkeit bedingen die Höhe und Art der Exposition und damit das Ausmaß der Gefährdung durch einen Gefahrstoff.
2. Ermitteln Sie die Gefährdungen durch einen Gefahrstoff
Um die Gefährdung durch einen Gefahrstoff zu ermitteln, stehen Ihnen zwei Möglichkeiten offen. Sie nutzen entweder bestehende Handlungsempfehlungen, weil diese auf die Situation bei Ihnen gut übertragbar sind. Oder Sie müssen Ausmaß und Form der Gefährdung individuell ermitteln.
Die folgende Infografik fasst die beiden Möglichkeiten, die Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe durchzuführen, noch einmal zusammen:
2.1.) Handlungsempfehlungen nutzen
Für viele Tätigkeiten gibt es bereits Handlungsempfehlungen in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe, die Sie für die eigene Gefahrstoff Gefährdungsbeurteilung nutzen können. Sind sie auf einen konkreten Arbeitsbereich bzw. -platz in Ihrem Betrieb übertragbar, so können Sie davon ausgehen, dass Sie Ihre Beschäftigten ausreichend schützen, wenn Sie die darin beschriebenen Maßnahmen einhalten.
Auch für die Substitutionsprüfung und die Schutzmaßnahmen können Sie sich dann an den Handlungsempfehlungen orientieren. Die Gefahrstoff Gefährdungsbeurteilung müssen Sie nur noch dokumentieren und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewerten.
2.2.) Individuelle Ermittlung und Beurteilung
Falls keine geeigneten Handlungsempfehlungen zur Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe existieren, müssen Sie Ausmaß und Form der Gefährdung individuell ermitteln und beurteilen.
Tragen Sie systematisch die möglichen Gefährdungsfaktoren zusammen, denen Ihre Kollegen in den Arbeitsbereichen und bei bestimmten Tätigkeiten ausgesetzt sind. Für Gefahrstoffe werden folgende vier Arten von Gefährdungsfaktoren unterschieden:
- dermale Gefährdungen (Gefährdungen durch Hautkontakt mit Gefahrstoffen),
- inhalative Gefährdungen (Gefährdungen durch Einatmen von Gefahrstoffen),
- physikalisch-chemische Gefährdungen (Explosions- oder Brandgefahr)
- orale Gefährdungen (Verschlucken von Gefahrstoffen)
Praxishilfe: Mögliche Informationsquellen für die Eigenschaften der Gefahrstoffe:
- Kennzeichnung auf der Verpackung oder auf dem Behältnis
- Sicherheitsdatenblatt
- Mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung des Herstellers bzw. Inverkehrbringers
- Technische Regeln für Gefahrstoffe – TRGS
- DGUV-Regeln und -Informationen
- lose Blattsammlungen
- Internet, wie z. B. GESTIS-Stoffdatenbank des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
3. Beurteilung von Ausmaß und Art der Gefährdungen durch Gefahrstoffe
Die ermittelten dermalen, inhalativen, oralen und physikalisch-chemischen Gefährdungen müssen Sie dann fachkundig beurteilen. Betrachten Sie dafür:
- die dem Gefahrstoff zugeordneten Gefährlichkeitsmerkmale
- die Höhe der Stoffmengen
- Höhe und Dauer der Exposition
- die Arbeitsbedingungen
3.1) Praxishilfe: Mögliche Informationsquellen für die Beurteilung der Gefährdungen durch Gefahrstoffe
Hilfen für die Bewertung finden Sie z.B.
- im Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) oder im biologischen Grenzwert (BGW)
- in den Informationen des Herstellers oder Inverkehrbringers zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit insbesondere im Sicherheitsdatenblatt
- in den stoff- oder tätigkeitsbezogene TRGS sowie verfahrens- und stoffspezifische Kriterien zur Expositionsermittlung (siehe dazu TRGS 420)
- in mitgelieferten Gefährdungsbeurteilungen der Hersteller
- in Erkenntnissen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
- im Einfachen Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
3.2) Ist die Gefährdung durch einen Gefahrstoff gering oder nicht?
Für die Gefährdungsbeurteilung wesentlich ist es, ob Sie eine Tätigkeit mit einem Gefahrstoff als gering gefährlich einschätzen. Von einer geringen Gefährdung können Sie ausgehen, wenn die allgemeinen Schutzmaßnahmen nach § 8 GefStoffV ausreichen aufgrund:
- der dem Gefahrstoff zugeordneten Gefährlichkeitsmerkmale (nicht besonders gefährlich)
- der Verwendung nur geringer Stoffmengen
- einer nach Höhe und Dauer niedrigen Exposition
- der Arbeitsbedingungen.
Beispiele für geringe Gefährdung
In der TRGS 400 finden Sie verschiedene Beispiele für „Tätigkeiten mit geringer Gefährdung”. Sie beschränken sich vor allem auf Gefahrstoffe, die für den privaten Endverbraucher im Einzelhandel erhältlich sind („Haushaltsprodukte”) und die am Arbeitsplatz unter für Haushalte üblichen Bedingungen (geringe Menge und kurze Expositionsdauer) verwendet werden.
Sie kommen zum Schluss, dass nur eine „geringe Gefährdung” vorliegt? Glück gehabt. Dann können Sie auf die folgenden Maßnahmen verzichten:
- Führen eines Gefahrstoffverzeichnisses
- Substitutionsprüfung
- Betriebsanweisung Gefahrstoffe und Gefahrstoffunterweisung
- detaillierte Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung für den Gefahrstoff
4. Substitutionsmöglichkeiten prüfen
Haben Sie die Gefährdungen ermittelt und beurteilt, folgt – noch vor den Überlegungen zu möglichen Schutzmaßnahmen – die Frage, ob Sie Gefahrstoffe durch Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse ersetzen können, die für die Beschäftigten ein geringeres gesundheitliches Risiko darstellen (sog. Substitutionsprüfung).
Als Faustregel gilt: Je größer das Gefährdungspotenzial, desto deutlicher die Forderung nach Substitution.
Auch das Herstellungs- oder Verwendungsverfahren sollten Sie überdenken. Ist es zumutbar und nach dem Stand der Technik möglich, dieses zu ändern und so die Gefährdungen zu minimieren?
Tipp
Hier sei noch einmal ausdrücklich auf die Technischen Regeln zu Ersatzstoffen TRGS 600 ff. hingewiesen.
5. Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Gefahrstoffen festlegen + Wirksamkeitsprüfung festlegen
Für Schutzmaßnahmen beim Umgang mit Gefahrstoffen gilt das STOP-Prinzip: Das STOP-Prinzip beschreibt eine Hierarchie von Schutzmaßnahmen. Unternehmer sollten bevorzugt Substituieren. Als letztes Mittel bleiben Ihnen personenbezogene Schutzmaßnahmen.
- Substitution: Ersetzen gefährlicher Stoffe oder Verfahren durch weniger gefährliche Alternativen.
- Technische Maßnahmen: Ist die Substitution nicht möglich, müssen Unternehmer technische Schutzmaßnahmen ins Auge fassen, z.B. die Installation eines Abzugs.
- Organisatorische Maßnahmen: Sind auch die technischen Möglichkeiten ausgenutzt, kommen organisatorische Schutzmaßnahmen ins Spiel, z.B. Pausen.
- Personenbezogene Maßnahmen – Persönliche Schutzausrüstung und Unterweisungen: Der letzte Schritt in Sachen Sicherheitsmaßnahmen setzt beim Individuum an und versucht, dessen Sicherheit durch individuelles Verhalten zu steigern.
Die möglichen Schutzmaßnahmen in Ihrer Gefährdungsbeurteilung für die Tätigkeit mit einem Gefahrstoff gliedern sich wie folgt:
- Grundpflichten (§ 7 GefStoffV)
Diese sind unabhängig vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung immer anzuwenden. - Allgemeine Schutzmaßnahmen (§ 8 GefStoffV)
Maßnahmen, die bei geringem Risiko zu ergreifen sind und z. B. zur Beherrschung einer geringen Gefährdung ausreichen können. - Zusätzliche Schutzmaßnahmen (§ 9 GefStoffV)
Maßnahmen, die festzulegen sind, wenn die Maßnahmen nach § 8 aufgrund einer höheren Gefährdung nicht ausreichen. - Besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit KMR-Stoffen (§ 10 GefStoffV)
Maßnahmen, die für Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorien 1A und 1B festzulegen sind.
Generell gilt bei den Schutzmaßnehmen das S-T-O-P-Prinzip:
- Oberstes Gebot ist es, die Gefahrenquelle zu vermeiden (Substitution).
- Technische Schutzmaßnahmen sollen helfen, dass die Gefährdung nicht erfolgt, z.B. weil geschlossene Anlagen oder Anlagen mit Absaugung einen Austritt verhindern.
- Organisatorische Schutzmaßnahmen sollen erreichen, dass der Mensch von der Gefährdung fern gehalten bzw. die Zahl und die Exposition der Beschäftigten so gering wie möglich gehalten wird. Organisatorische Maßnahmen sind z.B. Arbeitszeitmodelle und Änderungen von Arbeitsabläufen.
- Persönliche Schutzmaßnahmen vermindern/vermeiden die Einwirkung der Gefährdung auf den Menschen. Das Tragen von Schutzhandschuhen oder Atemschutz sind Beispiele aus dem Bereich der chemischen Gefährdungen.
In Ihrer Gefährdungsbeurteilung legen Sie außerdem Methoden und Fristen zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen fest. Wenn Sie dann die Schutzmaßnahme umsetzen, prüfen Sie sofort, ob sie wirksam war – warten Sie damit nicht bis zur Aktualisierung Ihrer Gefährdungsbeurteilung. Das Ergebnis dieser Prüfung müssen Sie dokumentieren.
So dokumentieren Sie die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe
Die Dokumentationsanforderungen sind hier recht umfangreich. Mindestens müssen Sie Folgendes dokumentieren:
- Datum der Gefährdungsbeurteilung und beteiligte Personen
- Arbeitsbereiche und die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
- am Arbeitsplatz auftretende inhalative, dermale oder physikalisch-chemische Gefährdungen
- Häufigkeit der Tätigkeiten, Dauer der Exposition sowie zusätzliche Belastungsfaktoren, die relevant für eine erhöhte Aufnahme von Gefahrstoffen in den Körper sind, wie beispielsweise schwere körperliche Arbeit, hohe Temperatur
- erforderliche technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung der Gefährdungen und deren Wirksamkeitsprüfung
- das Ergebnis der Substitutionsprüfung nach TRGS 600
Des Weiteren kommen unter bestimmten Bedingungen noch folgende Dokumentationsanforderungen hinzu:
- zusätzlich ergriffene Maßnahmen bei Überschreitung eines Arbeitsplatzgrenzwerts sowie geplante weitere Maßnahmen, die zukünftig die Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes garantieren sollen
- Abweichungen von den Empfehlungen der Technischen Regeln
- Ermittlungsergebnisse, die belegen, dass die Beurteilungsmaßstäbe (z.B. Arbeitsplatzgrenzwerte gemäß TRGS 900) eingehalten werden
- Ermittlungsergebnisse, die belegen, dass bei Tätigkeiten ohne Beurteilungsmaßstab die ergriffenen Schutzmaßnahmen wirksam sind
- sofern gefährliche explosionsfähige Gemische auftreten können: Angaben zu Gefährdungen durch diese Gemische sowie die Bewertung der Gefährdungen und die getroffenen Maßnahmen
- Begründung für den Verzicht auf technisch mögliche Substitution bei Tätigkeiten mit Stoffen, für die ergänzende Schutzmaßnahmen nach §§ 9 und 10 Gefahrstoffverordnung ergriffen werden müssen
Besondere Anforderungen an die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung entstehen gegebenfalls bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorien 1A und 1B.
Fünf Tipps zur praktischen Umsetzung
- Sicherheitsdatenblätter nutzen: Diese Dokumente sind entscheidend für das Verständnis der Eigenschaften der Gefahrstoffe sowie der erforderlichen Schutzmaßnahmen. Stellen Sie sicher, dass die SDB aktuell sind.
- Arbeitsplatzanalysen: Berücksichtigen Sie dabei Faktoren wie Belüftung, Lagermöglichkeiten und die Nähe zu anderen Arbeitsbereichen.
- Mitarbeiter einbeziehen: Involvieren Sie die Mitarbeiter, die direkt mit den Gefahrstoffen arbeiten, in den Beurteilungsprozess. Sie können wertvolle Einblicke in mögliche Gefahren und Verbesserungsmöglichkeiten bieten.
- Notfallmaßnahmen: Entwickeln Sie Notfallpläne für den Fall von Unfällen oder Freisetzungen von Gefahrstoffen. Sorgen Sie dafür, dass alle Mitarbeiter über die Notfallverfahren informiert sind.
- Externe Expertise nutzen: Bei Bedarf können Sie externe Spezialisten oder Berater hinzuziehen, um spezifische Risiken besser bewerten zu können oder um Unterstützung bei der Implementierung von Schutzmaßnahmen zu erhalten.
Wie häufig sollten Sie Ihre Gefahrstoff Gefährdungsbeurteilung aktualisieren?
Laut § 7 der Gefahrstoffverordnung müssen Sie die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe „regelmäßig, mindestens jedoch jedes dritte Jahr“ durchführen. Sie prüfen dabei die Funktion und Wirksamkeit der technischen Schutzmaßnahmen und die Ergebnisse dokumentieren Sie.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?
Sie können auf Fachliteratur und Leitfäden zurückgreifen, die von Berufsgenossenschaften oder staatlichen Institutionen herausgegeben werden (siehe oben). Zudem bieten Softwarelösungen spezialisierte Tools zur Erfassung und Bewertung von Gefahrstoffen an, die den Prozess erheblich vereinfachen können.
Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe – Checkliste herunterladen
Mit dieser Checkliste „Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe“ können Sie prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben in Ihrem Unternehmen bereits umgesetzt sind oder ob Sie noch Handlungsbedarf haben.
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