Barrierefreiheit in Arbeitsstätten umsetzen
Wer Menschen mit Behinderungen beschäftigt, muss ihre Belange bei der Gestaltung der Arbeitsstätten berücksichtigen. Barrierefreiheit in Arbeitsstätten kann z.B. bedeuten: größere Arbeitsplatzflächen oder breitere Verkehrswege, spezielle Handläufe oder spezielle Vorkehrungen für den Brandschutz. In diesem Beitrag lesen Sie Tipps, wie Sie barrierefreie Arbeitsstätten umsetzen können.
Definition barrierefreie Arbeitsstätte
Barrierefreie Arbeitsstätten funktionieren nach dem Zwei-Sinne-Prinzip: Alle Informationen werden über mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen und Tasten weitergegeben. Beispiel für Barrierefreiheit beim Telefonieren: Ein eingehender Anruf wird nicht nur mit einem akustischen Signal, sondern auch mit einer optischen Anzeige gemeldet.
Ein weiteres Merkmal ist der Ausgleich von nicht ausreichend vorhandenen motorischen Fähigkeiten z.B. durch tief angebrachte Türgriffe, elektromechanische Taster oder Näherungsschalter sowie Rampen und Aufzüge, die das Überwinden von Höhenunterschieden ermöglichen.
Zu berücksichtigen ist neben ergonomischen Aspekten auch die Arbeitssicherheit und dabei insbesondere die Tatsache, dass Menschen mit Behinderungen in bestimmten Situationen stärker gefährdet sein können als die anderen Beschäftigten.
Anforderungen der ASR an barrierefreie Arbeitsstätten
Ein Unternehmen, das Menschen mit Behinderungen beschäftigt, muss gemäß § 3a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung seine Arbeitsstätten barrierefrei einrichten und betreiben. Die Arbeitsstättenrichtlinie ASR V3a.2 „Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten“ konkretisiert die Anforderungen:
- Es müssen Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt werden.
- Alle Bereiche der Arbeitsstätte, zu denen die Beschäftigten mit Behinderungen Zugang haben, werden einbezogen.
- Die Maßnahmen beziehen sich auf alle Beschäftigten mit Behinderung, auch wenn der Behinderungsgrad unter 50 % liegt oder eine Behinderung nicht formell festgestellt wurde.
- Erforderliche Schutzmaßnahmen werden nach dem TOP-Modell abgeleitet. Technische Schutzmaßnahmen sind also vorrangig durchzuführen.
Bei der praktischen Umsetzung von Barrierefreiheit sollten Sie insbesondere auf die folgenden acht Bereiche achten:
Raumabmessungen und Bewegungsflächen
Die Grundflächen von Arbeitsräumen sind so auszulegen, dass Beschäftigte mit Behinderungen sie sicher, gesund und ohne Beeinträchtigung des Wohlbefindens nutzen können. Der notwendige Bewegungsfreiraum hängt ab von den individuellen Erfordernissen.
Behindertengerechte Kennzeichnungen
Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnungen müssen für Beschäftigte mit Behinderungen verständlich sein.
Brandschutz
Betriebe, die Personen mit Behinderungen beschäftigen, müssen beim Brandschutz sicherstellen, dass die in einer akustischen und visuellen Alarmierung enthaltenen Informationen verstanden werden. Ergänzend zu akustischen Alarmierungen können Betriebe taktile oder visuelle Alarmierungen (z.B. Vibrationsalarm auf mobilen Endgeräten oder Anzeigen auf Bildschirmen) einsetzen.
Fenster und Oberlichter
Je nach Behinderung und Einbausituation ist für barrierefreie Arbeitsstätten auf Erkennbarkeit, Erreichbarkeit, Wahrnehmbarkeit und Nutzbarkeit von Fenstern und Oberlichtern zu achten.
Türen und Tore
Türen und Tore müssen für Beschäftigte mit Behinderungen bedienbar und passierbar sein. Dies gilt für klassische Türen ebenso wie für Drehtüren, Schiebetüren und Karusselltüren.
Verkehrswege
Für Beschäftigte mit Rollatoren oder Rollstühlen darf die Querneigung nicht mehr als 2,5 % betragen. Bei Rampen ist die maximal zulässige Längsneigung 6 %. Werden die Werte überschritten, sind zusätzliche Maßnahmen nötig (z.B. Hublift, assistierende Personen).
Winterdienst
Barrierefreiheit ist für Beschäftigte mit Rollatoren und Rollstühlen auch bei Verkehrswegen im Winter wichtig. Deshalb muss in ausreichender Breite geräumt werden. Kontrastierende Markierungen für sehbehinderte oder taktile Markierungen für blinde Beschäftigte können nötig sein.
Treppen
Treppen stellen gefährliche Barrieren dar:
- Sitzen Beschäftigte im Rollstuhl oder nutzen Rollatoren, müssen Alternativen zu Treppen vorhanden sein, z.B. Schrägrampen, Treppensteiglifte, Aufzüge, Plattformaufzüge.
- Für sehbehinderte Beschäftigte müssen mindestens die erste und letzte Stufe visuell kontrastierend gekennzeichnet sein. Handläufe müssen sich visuell vom Hintergrund abheben.
- Werden Treppen von blinden Beschäftigten genutzt, ist die Bodenstruktur vor der ersten und letzten Stufe taktil zu gestalten. Mit Umwehrungen oder Pflanzenkübeln muss dafür gesorgt werden, dass Treppen unterhalb einer lichten Höhe von 2,10 m nicht unterlaufen werden können. Taktile Informationen helfen bei der Orientierung (z.B. Stockwerksbezeichnung an Handläufen).
- Für Beschäftigte mit Kleinwuchs sind zusätzliche Handläufe in einer Höhe von 0,65 m nötig.
Fazit
Bei der Umsetzung von Barrierefreiheit besteht die hauptsächliche Schwierigkeit darin, Anlagen, Transport-/Arbeitsmittel sowie Einrichtungen der Kommunikation für alle Beschäftigten auffindbar, zugänglich und nutzbar zu gestalten. Um zu klären, ob die vielen Vorgaben zu barrierefreien Arbeitsstätten eingehalten werden können bzw. müssen, ist in der Regel eine fachkundige Beratung erforderlich. Dabei einbezogen werden sollten:
- zuständige Sicherheitsfachkraft
- Betriebsarzt bzw. Betriebsärztin
- Vertreter der Sozialpartner
- Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
- ggf. andere Beratungsstellen
Die beratenden Personen müssen über ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Barrierefreiheit verfügen und die Rechtsgrundlagen kennen. Zudem sollten bei den Überlegungen zu den Sicherheitsanforderungen immer auch die jeweiligen Beschäftigten mit Behinderung sowie ggf. von Maßnahmen betroffene Personen in ihrem Umfeld einbezogen werden.
Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:
- Inkludierte Gefährdungsbeurteilung – viel leichter als gedacht
- Diese Pflichten hat der Arbeitgeber im Arbeitsschutz
- Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung