23.06.2023

Schutz vor Vibrationen im Körper

Haben Sie sich schon einmal gefragt, welche Auswirkungen Vibrationen auf Ihren Körper haben? Ob durch Handwerkzeuge, Maschinen oder Fahrzeuge – viele Arbeitsmittel erzeugen Schwingungen, die langfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Vibrationen im Körper wirken, welche Gefahren sich daraus ergeben und welche Schutzmaßnahmen helfen, gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Wir zeigen auch auf, welche präventiven Maßnahmen der Arbeitsschutz vorschreibt.

Zoom auf eine Schneidemaschine, die Metall schneidet und dabei viele Funken sprüht. Symbolbild für Vibrationen im Körper.

Vibrationen im Körper treten vermehrt bei der Benutzung von Arbeitsmitteln auf und können sowohl die Sicherheit als auch die menschliche Gesundheit beeinflussen oder sogar gefährden. Die gefährdende Einwirkung vibrierender Werkzeuge oder Maschinen ist seit Langem bekannt, wird jedoch oft unterschätzt.

Nach Branchen sind solche Gefährdungen durch Schwingungen besonders häufig in der Bauwirtschaft, im Bergbau, in der Metallindustrie und in der Holzverarbeitung zu finden.

Hinweis:

Die Begriffe „Schwingungen“ bzw. „Vibrationen“ werden im Folgenden gleichbedeutend verwendet, wobei oftmals Schwingungen als Oberbegriff angesehen wird.

Diese Einflüsse verstärken die Gefahren von Vibrationen im Körper

Die Gefährdung bei der Arbeit unter Vibrationen ist abhängig von der Dauer der täglichen Exposition und ggf. von den Randbedingungen bei der Arbeit. Kälteeinflüsse, hohe Greifkräfte, Wechselwirkungen etc. können zu einem erhöhten Risiko führen. Wichtige Faktoren sind zudem

  • Einleitungsstelle in den menschlichen Körper,
  • Größe der Einwirkung und
  • einer sich über Jahre hinweg fortsetzenden täglichen Wiederholung der Belastungen.

Ganzkörper- und Hand-Arm-Vibrationen

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten: Ganzkörpervibrationen und Hand-Arm-Vibrationen

Ganzkörpervibrationen

Als Ganzkörpervibrationen (GKV) werden Einwirkungen von Schwingungen über das Gesäß oder den Rücken bei sitzenden Tätigkeiten, über die Füße bei stehenden Arbeitsabläufen oder über den Kopf und den Rücken bei liegenden Arbeiten bezeichnet. Dabei wird der gesamte Körper angeregt. Ganzkörpervibrationen kennen wir auch aus unserer Freizeit, etwa bei der täglichen Fahrt mit dem Auto oder Motorrad.

Ganzkörpervibrationen sind u.a. langjährige Berufskraftfahrer

  • auf Baustellen-Lkws,
  • auf Gradern,
  • Radladern,
  • Gabelstaplern auf unebenem Gelände oder
  • Militärfahrzeugen

ausgesetzt.

Hand-Arm-Vibrationen

Bei Hand-Arm-Vibrationen (HAV) wirken die Schwingungen über die Hände auf den Menschen ein, sodass ausschließlich oder zumindest hauptsächlich das Hand-Arm-System angeregt wird. Hand-Arm-Vibrationen werden u.a. bei Arbeiten mit elektrisch oder pneumatisch betriebenen handgehaltenen Maschinen übertragen. Gefühlt habe Sie Vibrationen vielleicht auch schon beim Schneiden der Hecke oder bei Arbeiten mit der Stichsäge.

Gefährdungen durch Hand-Arm-Vibrationen bringen z.B. Arbeiten mit

  • Schleifmaschinen,
  • Meißelhämmern,
  • Stampfern und Rüttelplatten,
  • Abbau-, Aufbruch- und Bohrhämmern sowie
  • Motorkettensägen

mit sich.

Belastungen durch Vibrationen

Die Belastung des Menschen ergibt sich aus

  • der Stärke der Vibrationen,
  • der Frequenz,
  • der Einwirkdauer,
  • der Arbeitsweise und
  • den Tätigkeiten.

Das individuelle „Erleben“ hängt ab von

  • dem Gesundheitszustand,
  • der Art der Tätigkeiten und
  • der Einstellung und Erwartungshaltung.

Gefährdungen entstehen dann, wenn stark spürbare Vibrationen

  • auf das Hand-Arm-System einwirken bzw.
  • beim stehenden oder sitzenden Menschen in den Körper des Menschen eingeleitet werden.

Diese Schäden können durch Vibrationen im Körper entstehen

Hand-Arm-Vibrationen (HAV) beeinträchtigen die subjektive Wahrnehmung, die feinmotorische Koordination und die Leistungsfähigkeit und können bei langjähriger Einwirkung zu

  • Knochen- und Gelenkschäden,
  • Durchblutungsstörungen,
  • Nervenfunktionsstörungen oder
  • Muskelveränderungen,

führen.

Durch starke Hand-Arm-Vibrationen im tieffrequenten Bereich können degenerative Veränderungen der Handknochen, der Gelenke in der Hand, des Ellbogens und der Schultern entstehen. Diese sind mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden.

Gelenkschäden

Gelenkschäden können an folgenden Gelenken auftreten:

  • Handgelenk
  • Ellbogengelenk
  • Schultereckgelenk

Außerdem kann es im Bereich der Handwurzelknochen zum Mondbeintod – einer Nekrose des Mondbeins – bzw. zum Ermüdungsbruch kommen.

Durchblutungsstörungen

Eine weitere Auswirkung durch langjährige Vibrationsbelastungen im höheren Frequenzbereich können Durchblutungsstörungen in den Fingern sein, die sich anfallsartig durch Taubheit sowie durch Weißwerden der Finger äußern und bis hin zu krampfartigen Attacken (Weißfinger-Krankheit) führen können.

Diese Störungen, die auf Vibrationseinwirkungen zurückgeführt werden, bezeichnet man auch als „vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom“. In der Medizin werden solche Erkrankungen – die auch bei Personen auftreten können, die keine Vibrationsbelastung hatten – „Raynaud-Phänomen“ genannt.

Arbeiten in Kälte erhöhen das Risiko für diese Beschwerden, hier können Arbeitshandschuhe helfen.

Weitere Schäden

Hohe Greifkräfte und gleichzeitige Schwingungen im Hand-Arm-Bereich (z.B. durch Maschinen wie Steinbohrer) können Druckschäden im Carpaltunnel, das sog. Carpaltunnel-Syndrom (CTS), hervorrufen.

Auch Gefäßschäden der Hand können auftreten. Gefäßschäden werden dann als Hypothenar-Hammer-Syndrom (HHS) oder als Thenar-Hammer-Syndrom (THS) bezeichnet. Bei HHS ist der Kleinfingerbereich betroffen, beim THS der Daumenballen. Auch sportliche Aktivitäten (z.B. Karate) können ein HHS oder THS auslösen.

Ganzkörpervibrationen (GKV) können

  • die Sinnesfunktionen (Gleichgewichtsstörungen, Kinetosen, Sehstörungen) beeinflussen,
  • die feinmotorische Koordination und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen,
  • Magenbeschwerden bewirken oder
  • zu Wirbelsäulenbeschwerden oder -erkrankungen führen.

Beispiele für Arbeitsmittel mit Hand-Arm-Vibrationen und einer möglichen Gefährdung enthält die Fachliteratur, z.B. im Ergänzungsbogen zum DGUV Grundsatz G 46 „Belastungen des Muskel- und Skelettsystems einschließlich Vibrationen“.

Schutz vor Vibrationen: Das kann der Arbeitsschutz tun

Den Einstieg in die Prävention erleichtern folgende Fragestellungen:

  • Gibt es Schwingungs-/Vibrationsbelastungen bei den Arbeiten?
  • Wie hoch sind die Belastungen und wie hoch die Randbedingungen?
  • Sind die Möglichkeiten von TOP ausgeschöpft?
  • Entsprechen die Arbeitsmittel dem Stand der Technik?
  • Ist die Höhe der Vibration ermittelt und dokumentiert?
  • Kann ein Minderungsprogramm erstellt werden?

§ 10 Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung nennt Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung der Exposition durch Schwingungen. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören alternative Arbeitsverfahren, ergonomischere Arbeitsmittel, Zusatzausrüstungen, Wartungsprogramme, Schulung, Expositionsbegrenzung oder entsprechende Arbeitszeitpläne.

Im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren, die durch Vibrationen ausgelöst werden, gilt es, sowohl die HAV als auch die GKV möglichst gering zu halten oder komplett zu vermeiden. In der Praxis gibt es hier für den Arbeitsschutz einige Möglichkeiten.

Schutz vor Vibrationen bieten v.a.:

  • Verwendung von Klebemitteln anstelle von Nietarbeiten
  • Einsatz von Mehrfachschraubern
  • Verwendung von Bohrhämmern anstelle von Schlagschraubern
  • Verwendung von vibrationsdämpfenden Handgriffen an Arbeitsmitteln
  • Meidung von Fahrbahnunebenheiten wie z.B. Schlaglöchern
  • Verwendung von schwingungsmindernden Fahrersitzen

Zusammenfassung: Vibrationen am Arbeitsplatz – Risiken und Schutzmaßnahmen

Vibrationen, die durch Arbeitsmittel wie Maschinen und Werkzeuge entstehen, können die Gesundheit erheblich beeinträchtigen. Besonders betroffen sind Beschäftigte in der Bauwirtschaft, Metallindustrie, im Bergbau und in der Holzverarbeitung. Man unterscheidet zwischen Ganzkörpervibrationen (GKV), die über Sitz, Füße oder Rücken in den Körper gelangen, und Hand-Arm-Vibrationen (HAV), die durch Werkzeuge direkt auf die Hände wirken.

Langfristige Einwirkung kann zu Gelenk-, Nerven- und Durchblutungsstörungen führen, etwa dem Raynaud-Phänomen (Weißfinger-Krankheit) oder dem Carpaltunnel-Syndrom.

Um Gesundheitsrisiken zu minimieren, sollten Arbeitsmittel technisch optimiert, Expositionszeiten begrenzt und ergonomische Maßnahmen ergriffen werden. Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung gibt klare Vorgaben zur Reduzierung der Belastung. Dazu gehören unter anderem vibrationsarme Werkzeuge, verbesserte Sitzsysteme und alternative Arbeitsmethoden.

Ein effektiver Schutz erfordert die regelmäßige Messung und Bewertung der Vibrationsbelastung sowie gezielte Präventionsmaßnahmen, um langfristige gesundheitliche Schäden zu vermeiden.

Autor*in: Dr. Gerhard Neugebauer